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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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bricht auch hier Alexander, von Kopf bis zum Fuß in Ei-
sen gehüllt, eine Lanze mit Darius, und wirft ihn unsanft
aus dem Sattel. Ein sehr merkwürdiges französisches
Manuscript, dessen Gegenstand ein Heldengedicht in Ver-
sen ist, enthält (ein äusserst seltner Fall) den Namen des
Schreibers mit dem Jahr 1340, und darunter auch
Namen und Datum des Malers 1346, was vermu-
then ließe, daß der Letzte sechs Jahre zu den Minia-
turen gebraucht hat, die fast alle auf einem ganz un-
gewöhnlichen Grunde, aus Gold, blau und roth,
nach verschiedenen Richtungen quadrirt, und einer
Tapete ähnlich, gemalt sind. Besonders interessant
wird diese Schrift dadurch, daß auf jedem Blatte, wo
sich ein Bild befindet, der Maler um den Text, statt
einer Einfassung oder Arabeske, die Darstellung da-
maliger Gewerbe, Spiele und Ergötzlichkeiten ange-
bracht hat. Nur eine flüchtige Durchsicht zeigte mir,
neben einer Menge Spielen und Aufzügen, die wir
nicht mehr kennen, auch mancherlei, so ganz noch,
wie wir es in unsern Tagen sehen, daß ich oft dar-
über erstaunte. Z. B. ein Maskenball, Kämmerchen
vermiethen, das Händespiel, gioco di vilano genannt,
dasselbe mit den Füßen, was wir Knaben oft in der
Schule exercirten, um uns im Winter zu erwärmen,
Hahnenschlag und Hahnengefechte, Seiltänzer und
Taschenspielerkünste, Kunstreiter und abgerichtete
Pferde, die mitunter noch schwerere Kunststücke ma-
chen als die unsrigen, Scheibenschießen nach einem
Mann, der (mille pardons) seinen bloßen H .... der
Gesellschaft zukehrt, wie in Pförten in der Lausitz

bricht auch hier Alexander, von Kopf bis zum Fuß in Ei-
ſen gehüllt, eine Lanze mit Darius, und wirft ihn unſanft
aus dem Sattel. Ein ſehr merkwürdiges franzöſiſches
Manuſcript, deſſen Gegenſtand ein Heldengedicht in Ver-
ſen iſt, enthält (ein äuſſerſt ſeltner Fall) den Namen des
Schreibers mit dem Jahr 1340, und darunter auch
Namen und Datum des Malers 1346, was vermu-
then ließe, daß der Letzte ſechs Jahre zu den Minia-
turen gebraucht hat, die faſt alle auf einem ganz un-
gewöhnlichen Grunde, aus Gold, blau und roth,
nach verſchiedenen Richtungen quadrirt, und einer
Tapete ähnlich, gemalt ſind. Beſonders intereſſant
wird dieſe Schrift dadurch, daß auf jedem Blatte, wo
ſich ein Bild befindet, der Maler um den Text, ſtatt
einer Einfaſſung oder Arabeske, die Darſtellung da-
maliger Gewerbe, Spiele und Ergötzlichkeiten ange-
bracht hat. Nur eine flüchtige Durchſicht zeigte mir,
neben einer Menge Spielen und Aufzügen, die wir
nicht mehr kennen, auch mancherlei, ſo ganz noch,
wie wir es in unſern Tagen ſehen, daß ich oft dar-
über erſtaunte. Z. B. ein Maskenball, Kämmerchen
vermiethen, das Händeſpiel, gioco di vilano genannt,
daſſelbe mit den Füßen, was wir Knaben oft in der
Schule exercirten, um uns im Winter zu erwärmen,
Hahnenſchlag und Hahnengefechte, Seiltänzer und
Taſchenſpielerkünſte, Kunſtreiter und abgerichtete
Pferde, die mitunter noch ſchwerere Kunſtſtücke ma-
chen als die unſrigen, Scheibenſchießen nach einem
Mann, der (mille pardons) ſeinen bloßen H .... der
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[290/0336] bricht auch hier Alexander, von Kopf bis zum Fuß in Ei- ſen gehüllt, eine Lanze mit Darius, und wirft ihn unſanft aus dem Sattel. Ein ſehr merkwürdiges franzöſiſches Manuſcript, deſſen Gegenſtand ein Heldengedicht in Ver- ſen iſt, enthält (ein äuſſerſt ſeltner Fall) den Namen des Schreibers mit dem Jahr 1340, und darunter auch Namen und Datum des Malers 1346, was vermu- then ließe, daß der Letzte ſechs Jahre zu den Minia- turen gebraucht hat, die faſt alle auf einem ganz un- gewöhnlichen Grunde, aus Gold, blau und roth, nach verſchiedenen Richtungen quadrirt, und einer Tapete ähnlich, gemalt ſind. Beſonders intereſſant wird dieſe Schrift dadurch, daß auf jedem Blatte, wo ſich ein Bild befindet, der Maler um den Text, ſtatt einer Einfaſſung oder Arabeske, die Darſtellung da- maliger Gewerbe, Spiele und Ergötzlichkeiten ange- bracht hat. Nur eine flüchtige Durchſicht zeigte mir, neben einer Menge Spielen und Aufzügen, die wir nicht mehr kennen, auch mancherlei, ſo ganz noch, wie wir es in unſern Tagen ſehen, daß ich oft dar- über erſtaunte. Z. B. ein Maskenball, Kämmerchen vermiethen, das Händeſpiel, gioco di vilano genannt, daſſelbe mit den Füßen, was wir Knaben oft in der Schule exercirten, um uns im Winter zu erwärmen, Hahnenſchlag und Hahnengefechte, Seiltänzer und Taſchenſpielerkünſte, Kunſtreiter und abgerichtete Pferde, die mitunter noch ſchwerere Kunſtſtücke ma- chen als die unſrigen, Scheibenſchießen nach einem Mann, der (mille pardons) ſeinen bloßen H .... der Geſellſchaft zukehrt, wie in Pförten in der Lauſitz

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/336>, abgerufen am 20.05.2024.