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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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noch ein ähnlicher existirt, eine schmiede, wo ein
Pferd im Nothstall beschlagen wird, ein Frachtwagen
mit drei großen Karrenpferden vor einander gespannt,
mit Leitern an den Seiten, Geschirr etc. ganz in der
heutigen Form, selbst das Costume des Fuhrmanns
in seiner blauen Blouze das nämliche, und manches
andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte
an, daß, wenn Vieles sich änderte, doch auch unend-
lich viel sich gleichblieb, und vielleicht, a tout prendre,
das Getreibe der Menschen in den verschiedenen Zei-
ten sich weit ähnlicher sieht, als man sich vorzustel-
len pflegt.

Ein Bocaccio mit äusserst schönen Miniaturen und
prachtvoller Schrift gehört zu den elegantesten Parade-
stücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel-
tenheiten
wird eine lateinisch und griechisch abge-
faßte Apostelgeschichte aus dem 7. Jahrhundert ge-
zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden
Sprachen enthält. Für sein hohes Alter ist das
Ganze sehr wohl erhalten.

In dem Aller-Seelen-College ist eine Stelle in dem
schönen Hofe, (den übrigens der feinste Rasen be-
deckt) wo man einen besonders herrlichen Anblick
fortwährend übereinander hinragender Spitzen und
Facaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge-
ringste Mischung mit Modernem. Hier ist ebenfalls
eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß
langen und 60 Fuß hohen Saal aufgestellt. In der

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noch ein ähnlicher exiſtirt, eine ſchmiede, wo ein
Pferd im Nothſtall beſchlagen wird, ein Frachtwagen
mit drei großen Karrenpferden vor einander geſpannt,
mit Leitern an den Seiten, Geſchirr ꝛc. ganz in der
heutigen Form, ſelbſt das Coſtume des Fuhrmanns
in ſeiner blauen Blouze das nämliche, und manches
andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte
an, daß, wenn Vieles ſich änderte, doch auch unend-
lich viel ſich gleichblieb, und vielleicht, à tout prendre,
das Getreibe der Menſchen in den verſchiedenen Zei-
ten ſich weit ähnlicher ſieht, als man ſich vorzuſtel-
len pflegt.

Ein Bocaccio mit äuſſerſt ſchönen Miniaturen und
prachtvoller Schrift gehört zu den eleganteſten Parade-
ſtücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel-
tenheiten
wird eine lateiniſch und griechiſch abge-
faßte Apoſtelgeſchichte aus dem 7. Jahrhundert ge-
zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden
Sprachen enthält. Für ſein hohes Alter iſt das
Ganze ſehr wohl erhalten.

In dem Aller-Seelen-College iſt eine Stelle in dem
ſchönen Hofe, (den übrigens der feinſte Raſen be-
deckt) wo man einen beſonders herrlichen Anblick
fortwährend übereinander hinragender Spitzen und
Façaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge-
ringſte Miſchung mit Modernem. Hier iſt ebenfalls
eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß
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[291/0337] noch ein ähnlicher exiſtirt, eine ſchmiede, wo ein Pferd im Nothſtall beſchlagen wird, ein Frachtwagen mit drei großen Karrenpferden vor einander geſpannt, mit Leitern an den Seiten, Geſchirr ꝛc. ganz in der heutigen Form, ſelbſt das Coſtume des Fuhrmanns in ſeiner blauen Blouze das nämliche, und manches andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte an, daß, wenn Vieles ſich änderte, doch auch unend- lich viel ſich gleichblieb, und vielleicht, à tout prendre, das Getreibe der Menſchen in den verſchiedenen Zei- ten ſich weit ähnlicher ſieht, als man ſich vorzuſtel- len pflegt. Ein Bocaccio mit äuſſerſt ſchönen Miniaturen und prachtvoller Schrift gehört zu den eleganteſten Parade- ſtücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel- tenheiten wird eine lateiniſch und griechiſch abge- faßte Apoſtelgeſchichte aus dem 7. Jahrhundert ge- zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden Sprachen enthält. Für ſein hohes Alter iſt das Ganze ſehr wohl erhalten. In dem Aller-Seelen-College iſt eine Stelle in dem ſchönen Hofe, (den übrigens der feinſte Raſen be- deckt) wo man einen beſonders herrlichen Anblick fortwährend übereinander hinragender Spitzen und Façaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge- ringſte Miſchung mit Modernem. Hier iſt ebenfalls eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß langen und 60 Fuß hohen Saal aufgeſtellt. In der 19*

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/337>, abgerufen am 30.04.2024.