Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Sphäre, groß oder klein, recht treu und mit Liebe
fortzuwirken, so werde der allgemeine Segen auch
unter keiner Regierungsform ausbleiben. Er für
seine Person habe es nicht anders gemacht, und ich
mache es in M. ja ebenfalls so, setzte er gutmüthig
hinzu, unbekümmert was andere Interessen geböten.
Ich meinte nun freilich, mit aller Bescheidenheit, daß,
so wahr und herrlich dieser Grundsatz sey, ich doch
glaube, eine constitutionelle Regierungsform müsse
ihn eben erst recht ins Leben rufen, weil sie offenbar
in jedem Individuum die Ueberzeugung größerer
Sicherheit für Person und Eigenthum, folglich die
freudigste Thatkraft und zugleich damit die zuver-
läßigste Vaterlandsliebe begründe, hierdurch aber
dem stillen Wirken in eines Jeden Kreise eben eine
weit solidere allgemeine Basis gegeben wurde, und
führte endlich, vielleicht ungeschickt, England als Beleg
für meine Behauptung an. Er erwiederte gleich, das
Beispiel sey nicht zum besten gewählt, denn in keinem
Lande herrsche eben Egoismus mehr vor, kein Volk
sey vielleicht wesentlich inhumaner in politischen und
Privat-Verhältnissen*), nicht von außen herein durch
Regierungsform käme das Heil, sondern von innen
heraus durch weise Beschränkung und bescheidene Thä-
tigkeit eines Jeden in seinem Kreise. Dies bleibe
immer die Hauptsache zum menschlichen Glücke, und
sey am leichtesten und einfachsten zu erlangen.

*) Hier habe ich meinen Freund fast in Verdacht, daß er
Göthen nur seine eigene Meinung in den Mund gelegt
hat. A. d. H.

Sphäre, groß oder klein, recht treu und mit Liebe
fortzuwirken, ſo werde der allgemeine Segen auch
unter keiner Regierungsform ausbleiben. Er für
ſeine Perſon habe es nicht anders gemacht, und ich
mache es in M. ja ebenfalls ſo, ſetzte er gutmüthig
hinzu, unbekümmert was andere Intereſſen geböten.
Ich meinte nun freilich, mit aller Beſcheidenheit, daß,
ſo wahr und herrlich dieſer Grundſatz ſey, ich doch
glaube, eine conſtitutionelle Regierungsform müſſe
ihn eben erſt recht ins Leben rufen, weil ſie offenbar
in jedem Individuum die Ueberzeugung größerer
Sicherheit für Perſon und Eigenthum, folglich die
freudigſte Thatkraft und zugleich damit die zuver-
läßigſte Vaterlandsliebe begründe, hierdurch aber
dem ſtillen Wirken in eines Jeden Kreiſe eben eine
weit ſolidere allgemeine Baſis gegeben wurde, und
führte endlich, vielleicht ungeſchickt, England als Beleg
für meine Behauptung an. Er erwiederte gleich, das
Beiſpiel ſey nicht zum beſten gewählt, denn in keinem
Lande herrſche eben Egoismus mehr vor, kein Volk
ſey vielleicht weſentlich inhumaner in politiſchen und
Privat-Verhältniſſen*), nicht von außen herein durch
Regierungsform käme das Heil, ſondern von innen
heraus durch weiſe Beſchränkung und beſcheidene Thä-
tigkeit eines Jeden in ſeinem Kreiſe. Dies bleibe
immer die Hauptſache zum menſchlichen Glücke, und
ſey am leichteſten und einfachſten zu erlangen.

*) Hier habe ich meinen Freund faſt in Verdacht, daß er
Goͤthen nur ſeine eigene Meinung in den Mund gelegt
hat. A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="16"/>
Sphäre, groß oder klein, recht treu und mit Liebe<lb/>
fortzuwirken, &#x017F;o werde der allgemeine Segen auch<lb/>
unter keiner Regierungsform ausbleiben. Er für<lb/>
&#x017F;eine Per&#x017F;on habe es nicht anders gemacht, und ich<lb/>
mache es in M. ja ebenfalls &#x017F;o, &#x017F;etzte er gutmüthig<lb/>
hinzu, unbekümmert was andere Intere&#x017F;&#x017F;en geböten.<lb/>
Ich meinte nun freilich, mit aller Be&#x017F;cheidenheit, daß,<lb/>
&#x017F;o wahr und herrlich die&#x017F;er Grund&#x017F;atz &#x017F;ey, ich doch<lb/>
glaube, eine con&#x017F;titutionelle Regierungsform mü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ihn eben er&#x017F;t recht ins Leben rufen, weil &#x017F;ie offenbar<lb/>
in jedem Individuum die Ueberzeugung größerer<lb/>
Sicherheit für Per&#x017F;on und Eigenthum, folglich die<lb/>
freudig&#x017F;te Thatkraft und zugleich damit die zuver-<lb/>
läßig&#x017F;te Vaterlandsliebe begründe, hierdurch aber<lb/>
dem &#x017F;tillen Wirken in eines Jeden Krei&#x017F;e eben eine<lb/>
weit &#x017F;olidere allgemeine Ba&#x017F;is gegeben wurde, und<lb/>
führte endlich, vielleicht unge&#x017F;chickt, England als Beleg<lb/>
für meine Behauptung an. Er erwiederte gleich, das<lb/>
Bei&#x017F;piel &#x017F;ey nicht zum be&#x017F;ten gewählt, denn in keinem<lb/>
Lande herr&#x017F;che eben Egoismus mehr vor, kein Volk<lb/>
&#x017F;ey vielleicht we&#x017F;entlich inhumaner in politi&#x017F;chen und<lb/>
Privat-Verhältni&#x017F;&#x017F;en<note place="foot" n="*)">Hier habe ich meinen Freund fa&#x017F;t in Verdacht, daß er<lb/>
Go&#x0364;then nur &#x017F;eine eigene Meinung in den Mund gelegt<lb/>
hat. <hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>, nicht von außen herein durch<lb/>
Regierungsform käme das Heil, &#x017F;ondern von innen<lb/>
heraus durch wei&#x017F;e Be&#x017F;chränkung und be&#x017F;cheidene Thä-<lb/>
tigkeit eines Jeden in &#x017F;einem Krei&#x017F;e. Dies bleibe<lb/>
immer die Haupt&#x017F;ache zum men&#x017F;chlichen Glücke, und<lb/>
&#x017F;ey am leichte&#x017F;ten und einfach&#x017F;ten zu erlangen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0056] Sphäre, groß oder klein, recht treu und mit Liebe fortzuwirken, ſo werde der allgemeine Segen auch unter keiner Regierungsform ausbleiben. Er für ſeine Perſon habe es nicht anders gemacht, und ich mache es in M. ja ebenfalls ſo, ſetzte er gutmüthig hinzu, unbekümmert was andere Intereſſen geböten. Ich meinte nun freilich, mit aller Beſcheidenheit, daß, ſo wahr und herrlich dieſer Grundſatz ſey, ich doch glaube, eine conſtitutionelle Regierungsform müſſe ihn eben erſt recht ins Leben rufen, weil ſie offenbar in jedem Individuum die Ueberzeugung größerer Sicherheit für Perſon und Eigenthum, folglich die freudigſte Thatkraft und zugleich damit die zuver- läßigſte Vaterlandsliebe begründe, hierdurch aber dem ſtillen Wirken in eines Jeden Kreiſe eben eine weit ſolidere allgemeine Baſis gegeben wurde, und führte endlich, vielleicht ungeſchickt, England als Beleg für meine Behauptung an. Er erwiederte gleich, das Beiſpiel ſey nicht zum beſten gewählt, denn in keinem Lande herrſche eben Egoismus mehr vor, kein Volk ſey vielleicht weſentlich inhumaner in politiſchen und Privat-Verhältniſſen *), nicht von außen herein durch Regierungsform käme das Heil, ſondern von innen heraus durch weiſe Beſchränkung und beſcheidene Thä- tigkeit eines Jeden in ſeinem Kreiſe. Dies bleibe immer die Hauptſache zum menſchlichen Glücke, und ſey am leichteſten und einfachſten zu erlangen. *) Hier habe ich meinen Freund faſt in Verdacht, daß er Goͤthen nur ſeine eigene Meinung in den Mund gelegt hat. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/56
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/56>, abgerufen am 05.05.2024.