Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
nung mit allerseitiger Genehmigung bewirken laßen.
Das war auch der Gesinnung des Churfürsten
Friedrichs des Weisen sehr gemäß, der sich meist
nur leidend und zulaßungsweise bey der Sache
verhielt; zu Schritten, die Aufsehen machen konn-
ten, war er weniger zu bewegen.


XXIV.

Nicht so dachten einige andere, die an dem Auf-
sehen, das jetzt schon Luthers Sache machte, und an
dem Ruhme, den er sich schon so allgemein erwor-
ben hatte, auch ihres Orts Theil zu nehmen, und
sich auf eben die Art, wie Luther, wo nicht noch
über ihn und mit seiner Verdunkelung, einen Na-
men zu machen hofften. So machte Luthers zu
Wittenberg zurückgebliebener College, Doctor An-
dreas Carlstadt, während der Zeit, als Luther auf
der Wartburg war, schon Bürger und Studenten
rege, daß sie unter seiner Anführung Bilder aus
den Kirchen stürmten, und mit Ungestüm den gan-
zen Gottesdienst ändern wollten. Bald thaten
auch anderwärts wahre Schwärmer sich hervor,
als ein Tuchmacher Nicolaus Storch zu Zwickau,
und ein Prediger Thomas Münzer, die gött-
liche Eingebungen vorgaben, und unter dem Vor-
wande, daß nicht Kinder, sondern nur Erwachsene
und zuvor Belehrte getauft werden müßten, mit
Behauptung der Nothwendigkeit einer anderweiten
Taufe sich einen Anhang unter dem Volke zu ver-
schaffen suchten.


XXV.

Eben darüber geschah es, daß Luther, besorgt
wegen der davon zu erwartenden Folgen, schon am
6. März 1522. auf einmal unvermuthet wieder
zu Wittenberg erschien, wo er vorerst mit acht

Tage

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
nung mit allerſeitiger Genehmigung bewirken laßen.
Das war auch der Geſinnung des Churfuͤrſten
Friedrichs des Weiſen ſehr gemaͤß, der ſich meiſt
nur leidend und zulaßungsweiſe bey der Sache
verhielt; zu Schritten, die Aufſehen machen konn-
ten, war er weniger zu bewegen.


XXIV.

Nicht ſo dachten einige andere, die an dem Auf-
ſehen, das jetzt ſchon Luthers Sache machte, und an
dem Ruhme, den er ſich ſchon ſo allgemein erwor-
ben hatte, auch ihres Orts Theil zu nehmen, und
ſich auf eben die Art, wie Luther, wo nicht noch
uͤber ihn und mit ſeiner Verdunkelung, einen Na-
men zu machen hofften. So machte Luthers zu
Wittenberg zuruͤckgebliebener College, Doctor An-
dreas Carlſtadt, waͤhrend der Zeit, als Luther auf
der Wartburg war, ſchon Buͤrger und Studenten
rege, daß ſie unter ſeiner Anfuͤhrung Bilder aus
den Kirchen ſtuͤrmten, und mit Ungeſtuͤm den gan-
zen Gottesdienſt aͤndern wollten. Bald thaten
auch anderwaͤrts wahre Schwaͤrmer ſich hervor,
als ein Tuchmacher Nicolaus Storch zu Zwickau,
und ein Prediger Thomas Muͤnzer, die goͤtt-
liche Eingebungen vorgaben, und unter dem Vor-
wande, daß nicht Kinder, ſondern nur Erwachſene
und zuvor Belehrte getauft werden muͤßten, mit
Behauptung der Nothwendigkeit einer anderweiten
Taufe ſich einen Anhang unter dem Volke zu ver-
ſchaffen ſuchten.


XXV.

Eben daruͤber geſchah es, daß Luther, beſorgt
wegen der davon zu erwartenden Folgen, ſchon am
6. Maͤrz 1522. auf einmal unvermuthet wieder
zu Wittenberg erſchien, wo er vorerſt mit acht

Tage
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0404" n="370"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Neuere Zeit. Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> 1519-1558.</hi></fw><lb/>
nung mit aller&#x017F;eitiger Genehmigung bewirken laßen.<lb/>
Das war auch der Ge&#x017F;innung des Churfu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
Friedrichs des Wei&#x017F;en &#x017F;ehr gema&#x0364;ß, der &#x017F;ich mei&#x017F;t<lb/>
nur leidend und zulaßungswei&#x017F;e bey der Sache<lb/>
verhielt; zu Schritten, die Auf&#x017F;ehen machen konn-<lb/>
ten, war er weniger zu bewegen.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XXIV.</hi> </note>
          <p>Nicht &#x017F;o dachten einige andere, die an dem Auf-<lb/>
&#x017F;ehen, das jetzt &#x017F;chon Luthers Sache machte, und an<lb/>
dem Ruhme, den er &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;o allgemein erwor-<lb/>
ben hatte, auch ihres Orts Theil zu nehmen, und<lb/>
&#x017F;ich auf eben die Art, wie Luther, wo nicht noch<lb/>
u&#x0364;ber ihn und mit &#x017F;einer Verdunkelung, einen Na-<lb/>
men zu machen hofften. So machte Luthers zu<lb/>
Wittenberg zuru&#x0364;ckgebliebener College, Doctor An-<lb/>
dreas <hi rendition="#fr">Carl&#x017F;tadt,</hi> wa&#x0364;hrend der Zeit, als Luther auf<lb/>
der Wartburg war, &#x017F;chon Bu&#x0364;rger und Studenten<lb/>
rege, daß &#x017F;ie unter &#x017F;einer Anfu&#x0364;hrung Bilder aus<lb/>
den Kirchen &#x017F;tu&#x0364;rmten, und mit Unge&#x017F;tu&#x0364;m den gan-<lb/>
zen Gottesdien&#x017F;t a&#x0364;ndern wollten. Bald thaten<lb/>
auch anderwa&#x0364;rts wahre Schwa&#x0364;rmer &#x017F;ich hervor,<lb/>
als ein Tuchmacher <hi rendition="#fr">Nicolaus Storch</hi> zu Zwickau,<lb/>
und ein Prediger <hi rendition="#fr">Thomas Mu&#x0364;nzer,</hi> die go&#x0364;tt-<lb/>
liche Eingebungen vorgaben, und unter dem Vor-<lb/>
wande, daß nicht Kinder, &#x017F;ondern nur Erwach&#x017F;ene<lb/>
und zuvor Belehrte getauft werden mu&#x0364;ßten, mit<lb/>
Behauptung der Nothwendigkeit einer anderweiten<lb/>
Taufe &#x017F;ich einen Anhang unter dem Volke zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen &#x017F;uchten.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XXV.</hi> </note>
          <p>Eben daru&#x0364;ber ge&#x017F;chah es, daß <hi rendition="#fr">Luther,</hi> be&#x017F;orgt<lb/>
wegen der davon zu erwartenden Folgen, &#x017F;chon am<lb/>
6. Ma&#x0364;rz 1522. auf einmal unvermuthet <hi rendition="#fr">wieder<lb/>
zu Wittenberg</hi> er&#x017F;chien, wo er vorer&#x017F;t mit acht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tage</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0404] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. nung mit allerſeitiger Genehmigung bewirken laßen. Das war auch der Geſinnung des Churfuͤrſten Friedrichs des Weiſen ſehr gemaͤß, der ſich meiſt nur leidend und zulaßungsweiſe bey der Sache verhielt; zu Schritten, die Aufſehen machen konn- ten, war er weniger zu bewegen. Nicht ſo dachten einige andere, die an dem Auf- ſehen, das jetzt ſchon Luthers Sache machte, und an dem Ruhme, den er ſich ſchon ſo allgemein erwor- ben hatte, auch ihres Orts Theil zu nehmen, und ſich auf eben die Art, wie Luther, wo nicht noch uͤber ihn und mit ſeiner Verdunkelung, einen Na- men zu machen hofften. So machte Luthers zu Wittenberg zuruͤckgebliebener College, Doctor An- dreas Carlſtadt, waͤhrend der Zeit, als Luther auf der Wartburg war, ſchon Buͤrger und Studenten rege, daß ſie unter ſeiner Anfuͤhrung Bilder aus den Kirchen ſtuͤrmten, und mit Ungeſtuͤm den gan- zen Gottesdienſt aͤndern wollten. Bald thaten auch anderwaͤrts wahre Schwaͤrmer ſich hervor, als ein Tuchmacher Nicolaus Storch zu Zwickau, und ein Prediger Thomas Muͤnzer, die goͤtt- liche Eingebungen vorgaben, und unter dem Vor- wande, daß nicht Kinder, ſondern nur Erwachſene und zuvor Belehrte getauft werden muͤßten, mit Behauptung der Nothwendigkeit einer anderweiten Taufe ſich einen Anhang unter dem Volke zu ver- ſchaffen ſuchten. Eben daruͤber geſchah es, daß Luther, beſorgt wegen der davon zu erwartenden Folgen, ſchon am 6. Maͤrz 1522. auf einmal unvermuthet wieder zu Wittenberg erſchien, wo er vorerſt mit acht Tage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/404
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/404>, abgerufen am 29.04.2024.