Tage angehaltenen Predigten das Volk beruhigte, und nun nach seinen Grundsätzen zu handeln fort- fuhr. Insonderheit schrieb er im Jahre 1523. von Ordnung des Gottesdienstes in der Gemeinde, wie zu predigen und zu singen sey. Worauf an meh- reren Orten mittelst gütlicher Uebereinkunft zwischen Obrigkeit und Unterthanen schon manche Verän- derungen im öffentlichen Gottesdienste in guter Ordnung vorgenommen wurden.
Auf der andern Seite ward zwar nun destoXXVI. eifriger auf Vollziehung des gegen Luthern zu Worms ergangenen Edicts gedrungen. Aber man nahm jetzt auch bald schon die Unmöglichkeit wahr, ein Edict geltend zu machen, das ganze Länder, viel- leicht den größten Theil von Teutschland gegen sich hatte, zumal da der Pabst Hadrian derVI. selbst durch seinen Botschafter bey der Teutschen Reichs- versammlung ein offenherziges Geständniß ablegen ließ, daß allerdings die Kirche in Haupt und Glie- dern vom höchsten bis zum geringsten einer großen Reformation bedürfte. -- Ein Umstand, der da- mals die selbst Luthern nicht gewogenen Reichs- stände bewog, davon Anlaß zu nehmen, dem Pab- ste von neuem hundert Beschwerden der Teutschen Nation vorzulegen. Nun machte es zwar dieser Pabst, der in seiner Art der letzte war, seitdem nicht lange mehr, und jene Beschwerden ließ man nachher zu Rom gern an ihren Ort gestellt seyn. Man konnte aber doch unter diesen Umständen we- der auf dem Reichstage, der noch bey Lebzeiten Hadrians 1522. zu Nürnberg gehalten wurde, noch auf dem folgenden 1524. weiter kommen, als daß dem Wormser Edicte soviel möglich nachge-
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2) D. Luther bis 1525.
Tage angehaltenen Predigten das Volk beruhigte, und nun nach ſeinen Grundſaͤtzen zu handeln fort- fuhr. Inſonderheit ſchrieb er im Jahre 1523. von Ordnung des Gottesdienſtes in der Gemeinde, wie zu predigen und zu ſingen ſey. Worauf an meh- reren Orten mittelſt guͤtlicher Uebereinkunft zwiſchen Obrigkeit und Unterthanen ſchon manche Veraͤn- derungen im oͤffentlichen Gottesdienſte in guter Ordnung vorgenommen wurden.
Auf der andern Seite ward zwar nun deſtoXXVI. eifriger auf Vollziehung des gegen Luthern zu Worms ergangenen Edicts gedrungen. Aber man nahm jetzt auch bald ſchon die Unmoͤglichkeit wahr, ein Edict geltend zu machen, das ganze Laͤnder, viel- leicht den groͤßten Theil von Teutſchland gegen ſich hatte, zumal da der Pabſt Hadrian derVI. ſelbſt durch ſeinen Botſchafter bey der Teutſchen Reichs- verſammlung ein offenherziges Geſtaͤndniß ablegen ließ, daß allerdings die Kirche in Haupt und Glie- dern vom hoͤchſten bis zum geringſten einer großen Reformation beduͤrfte. — Ein Umſtand, der da- mals die ſelbſt Luthern nicht gewogenen Reichs- ſtaͤnde bewog, davon Anlaß zu nehmen, dem Pab- ſte von neuem hundert Beſchwerden der Teutſchen Nation vorzulegen. Nun machte es zwar dieſer Pabſt, der in ſeiner Art der letzte war, ſeitdem nicht lange mehr, und jene Beſchwerden ließ man nachher zu Rom gern an ihren Ort geſtellt ſeyn. Man konnte aber doch unter dieſen Umſtaͤnden we- der auf dem Reichstage, der noch bey Lebzeiten Hadrians 1522. zu Nuͤrnberg gehalten wurde, noch auf dem folgenden 1524. weiter kommen, als daß dem Wormſer Edicte ſoviel moͤglich nachge-
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2) D. Luther bis 1525.
Tage angehaltenen Predigten das Volk beruhigte,
und nun nach ſeinen Grundſaͤtzen zu handeln fort-
fuhr. Inſonderheit ſchrieb er im Jahre 1523. von
Ordnung des Gottesdienſtes in der Gemeinde, wie
zu predigen und zu ſingen ſey. Worauf an meh-
reren Orten mittelſt guͤtlicher Uebereinkunft zwiſchen
Obrigkeit und Unterthanen ſchon manche Veraͤn-
derungen im oͤffentlichen Gottesdienſte in guter
Ordnung vorgenommen wurden.
Auf der andern Seite ward zwar nun deſto
eifriger auf Vollziehung des gegen Luthern zu Worms
ergangenen Edicts gedrungen. Aber man nahm
jetzt auch bald ſchon die Unmoͤglichkeit wahr, ein
Edict geltend zu machen, das ganze Laͤnder, viel-
leicht den groͤßten Theil von Teutſchland gegen ſich
hatte, zumal da der Pabſt Hadrian der VI. ſelbſt
durch ſeinen Botſchafter bey der Teutſchen Reichs-
verſammlung ein offenherziges Geſtaͤndniß ablegen
ließ, daß allerdings die Kirche in Haupt und Glie-
dern vom hoͤchſten bis zum geringſten einer großen
Reformation beduͤrfte. — Ein Umſtand, der da-
mals die ſelbſt Luthern nicht gewogenen Reichs-
ſtaͤnde bewog, davon Anlaß zu nehmen, dem Pab-
ſte von neuem hundert Beſchwerden der Teutſchen
Nation vorzulegen. Nun machte es zwar dieſer
Pabſt, der in ſeiner Art der letzte war, ſeitdem
nicht lange mehr, und jene Beſchwerden ließ man
nachher zu Rom gern an ihren Ort geſtellt ſeyn.
Man konnte aber doch unter dieſen Umſtaͤnden we-
der auf dem Reichstage, der noch bey Lebzeiten
Hadrians 1522. zu Nuͤrnberg gehalten wurde, noch
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dem Wormſer Edicte ſoviel moͤglich nachge-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/405>, abgerufen am 28.04.2024.
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