Aristocratien entweder in gewissen Fällen an Ein- willigung des Volks gebunden sind, oder alles nur für sich thun können. Und jene Gattung einge- schränkter aristocratischer Regierungsform ist ei- gentlich die, welche in den meisten Reichsstädten, wo die Bürgerschaft in wichtigen Dingen ihre Ein- willigung zu geben hat, würklich obwaltet. In- zwischen hat in mancher Reichsstadt, z. B. selbst in Hamburg, als ein Grundsatz angenommen wer- den müßen, daß das Kyrion (to kurion, mit die- sem Griechischen Worte hat man da die eigentliche Regierungsmacht auszudrücken gesucht,) nicht dem Magistrate alleine, sondern dem Rathe und der Bürgerschaft insgesammt zustehe.
V.
Alles übrige beruhet nun in jeder Reichsstadt auf ganz besonderen Bestimmungen. Nur einige haben sich doch der ehemaligen Reichsvogteyen nicht ganz entledigen können, wo nehmlich benach- barte Reichsstände noch jetzt solche hergebracht ha- ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Jülich und Berg in Aachen, und Hessendarmstadt zu Wetz- lar. Von wegen solcher Höfe wird alsdann ein eigner Beamter in der Stadt, worin sie die Vog- tey haben, gehalten; über die damit verbundenen Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten zu kommen, z. B. über das Recht der Besatzung, über Ausübung der peinlichen Gerichtbarkeit, über Einmengung in Polizeysachen u. d. g. Bey man- chen Reichsstädten ist es nur eine Art von Schutz- gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsstand ausübt, wie z. B. das Haus Braunschweig zu Goslar.
Uebri-
VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
Ariſtocratien entweder in gewiſſen Faͤllen an Ein- willigung des Volks gebunden ſind, oder alles nur fuͤr ſich thun koͤnnen. Und jene Gattung einge- ſchraͤnkter ariſtocratiſcher Regierungsform iſt ei- gentlich die, welche in den meiſten Reichsſtaͤdten, wo die Buͤrgerſchaft in wichtigen Dingen ihre Ein- willigung zu geben hat, wuͤrklich obwaltet. In- zwiſchen hat in mancher Reichsſtadt, z. B. ſelbſt in Hamburg, als ein Grundſatz angenommen wer- den muͤßen, daß das Kyrion (τὸ κύριον, mit die- ſem Griechiſchen Worte hat man da die eigentliche Regierungsmacht auszudruͤcken geſucht,) nicht dem Magiſtrate alleine, ſondern dem Rathe und der Buͤrgerſchaft insgeſammt zuſtehe.
V.
Alles uͤbrige beruhet nun in jeder Reichsſtadt auf ganz beſonderen Beſtimmungen. Nur einige haben ſich doch der ehemaligen Reichsvogteyen nicht ganz entledigen koͤnnen, wo nehmlich benach- barte Reichsſtaͤnde noch jetzt ſolche hergebracht ha- ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Juͤlich und Berg in Aachen, und Heſſendarmſtadt zu Wetz- lar. Von wegen ſolcher Hoͤfe wird alsdann ein eigner Beamter in der Stadt, worin ſie die Vog- tey haben, gehalten; uͤber die damit verbundenen Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten zu kommen, z. B. uͤber das Recht der Beſatzung, uͤber Ausuͤbung der peinlichen Gerichtbarkeit, uͤber Einmengung in Polizeyſachen u. d. g. Bey man- chen Reichsſtaͤdten iſt es nur eine Art von Schutz- gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsſtand ausuͤbt, wie z. B. das Haus Braunſchweig zu Goslar.
Uebri-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="210"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VIII.</hi> Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.</hi></fw><lb/>
Ariſtocratien entweder in gewiſſen Faͤllen an Ein-<lb/>
willigung des Volks gebunden ſind, oder alles nur<lb/>
fuͤr ſich thun koͤnnen. Und jene Gattung einge-<lb/>ſchraͤnkter ariſtocratiſcher Regierungsform iſt ei-<lb/>
gentlich die, welche in den meiſten Reichsſtaͤdten,<lb/>
wo die Buͤrgerſchaft in wichtigen Dingen ihre Ein-<lb/>
willigung zu geben hat, wuͤrklich obwaltet. In-<lb/>
zwiſchen hat in mancher Reichsſtadt, z. B. ſelbſt<lb/>
in Hamburg, als ein Grundſatz angenommen wer-<lb/>
den muͤßen, daß das Kyrion (τὸκύριον, mit die-<lb/>ſem Griechiſchen Worte hat man da die eigentliche<lb/>
Regierungsmacht auszudruͤcken geſucht,) nicht dem<lb/>
Magiſtrate alleine, ſondern dem Rathe und der<lb/>
Buͤrgerſchaft insgeſammt zuſtehe.</p><lb/><noteplace="left"><hirendition="#aq">V.</hi></note><p>Alles uͤbrige beruhet nun in jeder Reichsſtadt<lb/>
auf ganz beſonderen Beſtimmungen. Nur einige<lb/>
haben ſich doch der ehemaligen <hirendition="#fr">Reichsvogteyen</hi><lb/>
nicht ganz entledigen koͤnnen, wo nehmlich benach-<lb/>
barte Reichsſtaͤnde noch jetzt ſolche hergebracht ha-<lb/>
ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Juͤlich<lb/>
und Berg in Aachen, und Heſſendarmſtadt zu Wetz-<lb/>
lar. Von wegen ſolcher Hoͤfe wird alsdann ein<lb/>
eigner Beamter in der Stadt, worin ſie die Vog-<lb/>
tey haben, gehalten; uͤber die damit verbundenen<lb/>
Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten<lb/>
zu kommen, z. B. uͤber das Recht der Beſatzung,<lb/>
uͤber Ausuͤbung der peinlichen Gerichtbarkeit, uͤber<lb/>
Einmengung in Polizeyſachen u. d. g. Bey man-<lb/>
chen Reichsſtaͤdten iſt es nur eine Art von Schutz-<lb/>
gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsſtand<lb/>
ausuͤbt, wie z. B. das Haus Braunſchweig zu<lb/>
Goslar.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Uebri-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[210/0252]
VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
Ariſtocratien entweder in gewiſſen Faͤllen an Ein-
willigung des Volks gebunden ſind, oder alles nur
fuͤr ſich thun koͤnnen. Und jene Gattung einge-
ſchraͤnkter ariſtocratiſcher Regierungsform iſt ei-
gentlich die, welche in den meiſten Reichsſtaͤdten,
wo die Buͤrgerſchaft in wichtigen Dingen ihre Ein-
willigung zu geben hat, wuͤrklich obwaltet. In-
zwiſchen hat in mancher Reichsſtadt, z. B. ſelbſt
in Hamburg, als ein Grundſatz angenommen wer-
den muͤßen, daß das Kyrion (τὸ κύριον, mit die-
ſem Griechiſchen Worte hat man da die eigentliche
Regierungsmacht auszudruͤcken geſucht,) nicht dem
Magiſtrate alleine, ſondern dem Rathe und der
Buͤrgerſchaft insgeſammt zuſtehe.
Alles uͤbrige beruhet nun in jeder Reichsſtadt
auf ganz beſonderen Beſtimmungen. Nur einige
haben ſich doch der ehemaligen Reichsvogteyen
nicht ganz entledigen koͤnnen, wo nehmlich benach-
barte Reichsſtaͤnde noch jetzt ſolche hergebracht ha-
ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Juͤlich
und Berg in Aachen, und Heſſendarmſtadt zu Wetz-
lar. Von wegen ſolcher Hoͤfe wird alsdann ein
eigner Beamter in der Stadt, worin ſie die Vog-
tey haben, gehalten; uͤber die damit verbundenen
Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten
zu kommen, z. B. uͤber das Recht der Beſatzung,
uͤber Ausuͤbung der peinlichen Gerichtbarkeit, uͤber
Einmengung in Polizeyſachen u. d. g. Bey man-
chen Reichsſtaͤdten iſt es nur eine Art von Schutz-
gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsſtand
ausuͤbt, wie z. B. das Haus Braunſchweig zu
Goslar.
Uebri-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/252>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.