Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.das? Kehren wir schnell um und steigen wir die Trep- Da sitzt in dem vorderen Zimmer des Hauswirth's Manche Leiche hat sie in den langen Jahren ihres Einst war sie das schönste Mädchen der Gasse -- wie das? Kehren wir ſchnell um und ſteigen wir die Trep- Da ſitzt in dem vorderen Zimmer des Hauswirth’s Manche Leiche hat ſie in den langen Jahren ihres Einſt war ſie das ſchönſte Mädchen der Gaſſe — wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0144" n="134"/> das? Kehren wir ſchnell um und ſteigen wir die Trep-<lb/> pen hinunter in das unterſte Stockwerk.</p><lb/> <p>Da ſitzt in dem vorderen Zimmer des Hauswirth’s<lb/> und Tiſchlermeiſter’s Werner eine weißhaarige gebückte<lb/> Frau in ihrem Lehnſtuhl hinter dem Ofen, ſpinnend<lb/> vom Morgen bis zum Abend. Das iſt die alte<lb/> Mutter der Hausfrau, die Tochter des Erbauers des<lb/> Hauſes, welche den Grundſtein legen und den Knopf<lb/> auf die Giebelſpitze ſetzen ſah und mit dem Hauſe und<lb/> ſeiner Geſchichte verwachſen iſt durch und durch.</p><lb/> <p>Manche Leiche hat ſie in den langen Jahren ihres<lb/> Lebens hinaustragen ſehen: ihre Eltern und alle ihre<lb/> Geſchwiſter, ihren Mann und alle ihre Kinder bis auf<lb/> eins, die Anna, die Frau des jetzigen Beſitzers. Sie<lb/> hat den Sarg Mariens mit ſchmücken helfen und den<lb/> Sarg Franzens; ſie hat ihre Freundin, meine alte<lb/> Martha, mit hinausbegleitet zum Johanniskirchhof,<lb/> wo ſie begraben ward an der Seite ihrer Herrin,<lb/> und manchen Andern vom Dachſtübchen bis zur Keller-<lb/> wohnung.</p><lb/> <p>Einſt war ſie das ſchönſte Mädchen der Gaſſe — wie<lb/> ſie jetzt noch die ſchönſte alte Frau iſt — und als der<lb/> Hausknopf geſchloſſen werden ſollte, und jedes Glied der<lb/> damals zahlreichen Familie ein Gedenkzeichen hinein that,<lb/> legte ſie erröthend und unbemerkt ein kleines Blättchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0144]
das? Kehren wir ſchnell um und ſteigen wir die Trep-
pen hinunter in das unterſte Stockwerk.
Da ſitzt in dem vorderen Zimmer des Hauswirth’s
und Tiſchlermeiſter’s Werner eine weißhaarige gebückte
Frau in ihrem Lehnſtuhl hinter dem Ofen, ſpinnend
vom Morgen bis zum Abend. Das iſt die alte
Mutter der Hausfrau, die Tochter des Erbauers des
Hauſes, welche den Grundſtein legen und den Knopf
auf die Giebelſpitze ſetzen ſah und mit dem Hauſe und
ſeiner Geſchichte verwachſen iſt durch und durch.
Manche Leiche hat ſie in den langen Jahren ihres
Lebens hinaustragen ſehen: ihre Eltern und alle ihre
Geſchwiſter, ihren Mann und alle ihre Kinder bis auf
eins, die Anna, die Frau des jetzigen Beſitzers. Sie
hat den Sarg Mariens mit ſchmücken helfen und den
Sarg Franzens; ſie hat ihre Freundin, meine alte
Martha, mit hinausbegleitet zum Johanniskirchhof,
wo ſie begraben ward an der Seite ihrer Herrin,
und manchen Andern vom Dachſtübchen bis zur Keller-
wohnung.
Einſt war ſie das ſchönſte Mädchen der Gaſſe — wie
ſie jetzt noch die ſchönſte alte Frau iſt — und als der
Hausknopf geſchloſſen werden ſollte, und jedes Glied der
damals zahlreichen Familie ein Gedenkzeichen hinein that,
legte ſie erröthend und unbemerkt ein kleines Blättchen
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