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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Elisens Freundinnen, da war vor Allem die alte Martha
und die Hausgenossenschaft und Nachbarschaft der Sper-
lingsgasse. Die Orgel begann den Choral -- und
Jungfrau Elisa Johanna Ralff und Herr Gustav Theo-
dor Maximilian Berg wurden durch ein ganz leises,
leises Ja und ein anderes viel lauteres, auf eine gar
verfängliche Frage, Mann und Frau! --


Die Chronik der Gasse nähert sich ihrem Ende. Was
sollte ich auch noch Vieles erzählen? Unsere Kinder sind
glücklich in dem schönen Italien; die alte Martha schläft
nicht weit von Mariens Grabe auf dem Johanniskirch-
hofe; ich bin alt und grau. Wenn ein Paquet von
Rom gekommen ist, so gehe ich hinüber zu der freundlichen,
schönen, weißhaarigen Frau, die da drüben in Nr. 12
gewöhnlich strickend am Fenster sitzt und unsere alten
Herzen schlagen höher bei dem frischen Lebensglück, wel-
ches uns aus den engbeschriebenen Bogen entgegenleuch-
tet. Wir folgen den Kindern durch alle die alten und
neuen Herrlichkeiten, wir stehen mit ihnen vor dem
Laokoon, wir steigen mit ihnen zum Kapitol hinauf,
unsere Schritte hallen an ihrer Seite in den Sälen des
Vatikans, in den Loggien Raphaels wieder. Wie eine
reizende Märchenarabeske ist jeder Brief: blauer Him-
mel und Sonne und ein fröhliches Lachen auf jeder Seite!

Eliſens Freundinnen, da war vor Allem die alte Martha
und die Hausgenoſſenſchaft und Nachbarſchaft der Sper-
lingsgaſſe. Die Orgel begann den Choral — und
Jungfrau Eliſa Johanna Ralff und Herr Guſtav Theo-
dor Maximilian Berg wurden durch ein ganz leiſes,
leiſes Ja und ein anderes viel lauteres, auf eine gar
verfängliche Frage, Mann und Frau! —


Die Chronik der Gaſſe nähert ſich ihrem Ende. Was
ſollte ich auch noch Vieles erzählen? Unſere Kinder ſind
glücklich in dem ſchönen Italien; die alte Martha ſchläft
nicht weit von Mariens Grabe auf dem Johanniskirch-
hofe; ich bin alt und grau. Wenn ein Paquet von
Rom gekommen iſt, ſo gehe ich hinüber zu der freundlichen,
ſchönen, weißhaarigen Frau, die da drüben in Nr. 12
gewöhnlich ſtrickend am Fenſter ſitzt und unſere alten
Herzen ſchlagen höher bei dem friſchen Lebensglück, wel-
ches uns aus den engbeſchriebenen Bogen entgegenleuch-
tet. Wir folgen den Kindern durch alle die alten und
neuen Herrlichkeiten, wir ſtehen mit ihnen vor dem
Laokoon, wir ſteigen mit ihnen zum Kapitol hinauf,
unſere Schritte hallen an ihrer Seite in den Sälen des
Vatikans, in den Loggien Raphaels wieder. Wie eine
reizende Märchenarabeske iſt jeder Brief: blauer Him-
mel und Sonne und ein fröhliches Lachen auf jeder Seite!

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[259/0269] Eliſens Freundinnen, da war vor Allem die alte Martha und die Hausgenoſſenſchaft und Nachbarſchaft der Sper- lingsgaſſe. Die Orgel begann den Choral — und Jungfrau Eliſa Johanna Ralff und Herr Guſtav Theo- dor Maximilian Berg wurden durch ein ganz leiſes, leiſes Ja und ein anderes viel lauteres, auf eine gar verfängliche Frage, Mann und Frau! — Die Chronik der Gaſſe nähert ſich ihrem Ende. Was ſollte ich auch noch Vieles erzählen? Unſere Kinder ſind glücklich in dem ſchönen Italien; die alte Martha ſchläft nicht weit von Mariens Grabe auf dem Johanniskirch- hofe; ich bin alt und grau. Wenn ein Paquet von Rom gekommen iſt, ſo gehe ich hinüber zu der freundlichen, ſchönen, weißhaarigen Frau, die da drüben in Nr. 12 gewöhnlich ſtrickend am Fenſter ſitzt und unſere alten Herzen ſchlagen höher bei dem friſchen Lebensglück, wel- ches uns aus den engbeſchriebenen Bogen entgegenleuch- tet. Wir folgen den Kindern durch alle die alten und neuen Herrlichkeiten, wir ſtehen mit ihnen vor dem Laokoon, wir ſteigen mit ihnen zum Kapitol hinauf, unſere Schritte hallen an ihrer Seite in den Sälen des Vatikans, in den Loggien Raphaels wieder. Wie eine reizende Märchenarabeske iſt jeder Brief: blauer Him- mel und Sonne und ein fröhliches Lachen auf jeder Seite!

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/269>, abgerufen am 28.04.2024.