Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Schießzeug zu sorgen für den Gang, den ich jetzt gehen
muß. Heule nicht, Junge; weißt, ich hab's nie leiden
können. Ist Weibermode! -- Ich möchte Dir aber
noch etwas sagen, eh' ich abmarschire vom Anstand;
kannst dann daraus machen, was Du willst. Setze Dich
und höre zu! -- Schau, da hinten," -- der Alte zeigte
durch das offene Fenster, in welches grüne Zweige schlu-
gen und die Abendsonne zitterte, während ein Buchfink
davor sang;" -- "da hinten hinter dem Walde kommst
Du in die große Ebene, wo Du Tage lang gehen
kannst, ohne einen Berg zu sehen. Die Leute nennen's
ein schönes Land; -- mag sein, hab's aber nie leiden
können und mag den Wald lieber. Einen Hügel aber
giebt's doch da, mitten in dem flachen Lande und den
Kornfeldern, mit einem Schloß, Seeburg geheißen, und
am Fuße des Hügels ein Dorf desselbigen Namens.
Daher stammt unsere Familie, da bin ich geboren, da
ist auch Burchhard her."

Der Letzterwähnte nickte hier mit dem Kopfe und
brummte vor sich hin: "Beides 'ne gute Art, die Ralffs
und Burchhards!"

"Hast Recht, Alter," fuhr mein Oheim fort, "hoffe
auch, der da (er wies auf mich) soll nicht aus der Art
schlagen, wenn er gleich unrecht Blut in den Adern hat!
Höre weiter, Junge: War ein stolz Volk, die Grafen

Schießzeug zu ſorgen für den Gang, den ich jetzt gehen
muß. Heule nicht, Junge; weißt, ich hab’s nie leiden
können. Iſt Weibermode! — Ich möchte Dir aber
noch etwas ſagen, eh’ ich abmarſchire vom Anſtand;
kannſt dann daraus machen, was Du willſt. Setze Dich
und höre zu! — Schau, da hinten,“ — der Alte zeigte
durch das offene Fenſter, in welches grüne Zweige ſchlu-
gen und die Abendſonne zitterte, während ein Buchfink
davor ſang;“ — „da hinten hinter dem Walde kommſt
Du in die große Ebene, wo Du Tage lang gehen
kannſt, ohne einen Berg zu ſehen. Die Leute nennen’s
ein ſchönes Land; — mag ſein, hab’s aber nie leiden
können und mag den Wald lieber. Einen Hügel aber
giebt’s doch da, mitten in dem flachen Lande und den
Kornfeldern, mit einem Schloß, Seeburg geheißen, und
am Fuße des Hügels ein Dorf deſſelbigen Namens.
Daher ſtammt unſere Familie, da bin ich geboren, da
iſt auch Burchhard her.“

Der Letzterwähnte nickte hier mit dem Kopfe und
brummte vor ſich hin: „Beides ’ne gute Art, die Ralffs
und Burchhards!“

„Haſt Recht, Alter,“ fuhr mein Oheim fort, „hoffe
auch, der da (er wies auf mich) ſoll nicht aus der Art
ſchlagen, wenn er gleich unrecht Blut in den Adern hat!
Höre weiter, Junge: War ein ſtolz Volk, die Grafen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
Schießzeug zu &#x017F;orgen für den Gang, den ich jetzt gehen<lb/>
muß. Heule nicht, Junge; weißt, ich hab&#x2019;s nie leiden<lb/>
können. I&#x017F;t Weibermode! &#x2014; Ich möchte Dir aber<lb/>
noch etwas &#x017F;agen, eh&#x2019; ich abmar&#x017F;chire vom An&#x017F;tand;<lb/>
kann&#x017F;t dann daraus machen, was Du will&#x017F;t. Setze Dich<lb/>
und höre zu! &#x2014; Schau, da hinten,&#x201C; &#x2014; der Alte zeigte<lb/>
durch das offene Fen&#x017F;ter, in welches grüne Zweige &#x017F;chlu-<lb/>
gen und die Abend&#x017F;onne zitterte, während ein Buchfink<lb/>
davor &#x017F;ang;&#x201C; &#x2014; &#x201E;da hinten hinter dem Walde komm&#x017F;t<lb/>
Du in die große Ebene, wo Du Tage lang gehen<lb/>
kann&#x017F;t, ohne einen Berg zu &#x017F;ehen. Die Leute nennen&#x2019;s<lb/>
ein &#x017F;chönes Land; &#x2014; mag &#x017F;ein, hab&#x2019;s aber nie leiden<lb/>
können und mag den Wald lieber. Einen Hügel aber<lb/>
giebt&#x2019;s doch da, mitten in dem flachen Lande und den<lb/>
Kornfeldern, mit einem Schloß, Seeburg geheißen, und<lb/>
am Fuße des Hügels ein Dorf de&#x017F;&#x017F;elbigen Namens.<lb/>
Daher &#x017F;tammt un&#x017F;ere Familie, da bin ich geboren, da<lb/>
i&#x017F;t auch Burchhard her.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Letzterwähnte nickte hier mit dem Kopfe und<lb/>
brummte vor &#x017F;ich hin: &#x201E;Beides &#x2019;ne gute Art, die Ralffs<lb/>
und Burchhards!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ha&#x017F;t Recht, Alter,&#x201C; fuhr mein Oheim fort, &#x201E;hoffe<lb/>
auch, der da (er wies auf mich) &#x017F;oll nicht aus der Art<lb/>
&#x017F;chlagen, wenn er gleich unrecht Blut in den Adern hat!<lb/>
Höre weiter, Junge: War ein &#x017F;tolz Volk, die Grafen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] Schießzeug zu ſorgen für den Gang, den ich jetzt gehen muß. Heule nicht, Junge; weißt, ich hab’s nie leiden können. Iſt Weibermode! — Ich möchte Dir aber noch etwas ſagen, eh’ ich abmarſchire vom Anſtand; kannſt dann daraus machen, was Du willſt. Setze Dich und höre zu! — Schau, da hinten,“ — der Alte zeigte durch das offene Fenſter, in welches grüne Zweige ſchlu- gen und die Abendſonne zitterte, während ein Buchfink davor ſang;“ — „da hinten hinter dem Walde kommſt Du in die große Ebene, wo Du Tage lang gehen kannſt, ohne einen Berg zu ſehen. Die Leute nennen’s ein ſchönes Land; — mag ſein, hab’s aber nie leiden können und mag den Wald lieber. Einen Hügel aber giebt’s doch da, mitten in dem flachen Lande und den Kornfeldern, mit einem Schloß, Seeburg geheißen, und am Fuße des Hügels ein Dorf deſſelbigen Namens. Daher ſtammt unſere Familie, da bin ich geboren, da iſt auch Burchhard her.“ Der Letzterwähnte nickte hier mit dem Kopfe und brummte vor ſich hin: „Beides ’ne gute Art, die Ralffs und Burchhards!“ „Haſt Recht, Alter,“ fuhr mein Oheim fort, „hoffe auch, der da (er wies auf mich) ſoll nicht aus der Art ſchlagen, wenn er gleich unrecht Blut in den Adern hat! Höre weiter, Junge: War ein ſtolz Volk, die Grafen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/62
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/62>, abgerufen am 01.05.2024.