Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

darunter drei bis vier Hemden, darüber neun lodene
Röcke; zur Abwehr und zum Angriff zwei Spieße,
eine Armbrust, ein Zweihander eine Manneslänge lang
und auf die Wirkung in die Ferne ein Bogen mit
Pfeilköcher!"

"Ja, ja," seufzte Frau Valentine, "und endlich
eine Wohnung in einer Wüste hinten an der Welt!
Ach ja, und wenn auch er nicht gestorben wäre, so
lebte auch er heute noch, wie die Märchen endigen.
Der arme, arme, liebe Vater! Und er, er hätte es
sicherlich nicht ertragen, daß Du uns so lange darauf
warten läßt, wer an seiner Statt Kienbaum todt-
geschlagen hat! für wen er, er, der Arme, Arme,
durch sein ganzes Leben hat unschuldig büßen
müssen!"

In diesem Augenblick wurde die arme Frau
abgerufen, und Stopfkuchen benutzte die Gelegenheit,
um mir zuzuflüstern:

"Hoffentlich bleibt sie uns jetzt fünf Minuten
vom Halse. Vom Papa spreche ich, jetzt im Ver-
trauen ganz offen gesagt, am liebsten hinter ihrem
Rücken, wenn ich einmal davon sprechen muß. Und
sie hat es auch eigentlich nicht gern, wenn ich in
ihrer Gehörweite wirklich mal aufrichtig an meine
innerste Meinung über ihn anstreife."


darunter drei bis vier Hemden, darüber neun lodene
Röcke; zur Abwehr und zum Angriff zwei Spieße,
eine Armbruſt, ein Zweihander eine Manneslänge lang
und auf die Wirkung in die Ferne ein Bogen mit
Pfeilköcher!“

„Ja, ja,“ ſeufzte Frau Valentine, „und endlich
eine Wohnung in einer Wüſte hinten an der Welt!
Ach ja, und wenn auch er nicht geſtorben wäre, ſo
lebte auch er heute noch, wie die Märchen endigen.
Der arme, arme, liebe Vater! Und er, er hätte es
ſicherlich nicht ertragen, daß Du uns ſo lange darauf
warten läßt, wer an ſeiner Statt Kienbaum todt-
geſchlagen hat! für wen er, er, der Arme, Arme,
durch ſein ganzes Leben hat unſchuldig büßen
müſſen!“

In dieſem Augenblick wurde die arme Frau
abgerufen, und Stopfkuchen benutzte die Gelegenheit,
um mir zuzuflüſtern:

„Hoffentlich bleibt ſie uns jetzt fünf Minuten
vom Halſe. Vom Papa ſpreche ich, jetzt im Ver-
trauen ganz offen geſagt, am liebſten hinter ihrem
Rücken, wenn ich einmal davon ſprechen muß. Und
ſie hat es auch eigentlich nicht gern, wenn ich in
ihrer Gehörweite wirklich mal aufrichtig an meine
innerſte Meinung über ihn anſtreife.“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="157"/>
darunter drei bis vier Hemden, darüber neun lodene<lb/>
Röcke; zur Abwehr und zum Angriff zwei Spieße,<lb/>
eine Armbru&#x017F;t, ein Zweihander eine Manneslänge lang<lb/>
und auf die Wirkung in die Ferne ein Bogen mit<lb/>
Pfeilköcher!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ja,&#x201C; &#x017F;eufzte Frau Valentine, &#x201E;und endlich<lb/>
eine Wohnung in einer Wü&#x017F;te hinten an der Welt!<lb/>
Ach ja, und wenn auch er nicht ge&#x017F;torben wäre, &#x017F;o<lb/>
lebte auch er heute noch, wie die Märchen endigen.<lb/>
Der arme, arme, liebe Vater! Und er, er hätte es<lb/>
&#x017F;icherlich nicht ertragen, daß Du uns &#x017F;o lange darauf<lb/>
warten läßt, wer an &#x017F;einer Statt Kienbaum todt-<lb/>
ge&#x017F;chlagen hat! für wen er, er, der Arme, Arme,<lb/>
durch &#x017F;ein ganzes Leben hat un&#x017F;chuldig büßen<lb/>&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;em Augenblick wurde die arme <choice><sic>Fran</sic><corr>Frau</corr></choice><lb/>
abgerufen, und Stopfkuchen benutzte die Gelegenheit,<lb/>
um mir zuzuflü&#x017F;tern:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hoffentlich bleibt &#x017F;ie uns jetzt fünf Minuten<lb/>
vom Hal&#x017F;e. Vom Papa &#x017F;preche ich, jetzt im Ver-<lb/>
trauen ganz offen ge&#x017F;agt, am lieb&#x017F;ten hinter ihrem<lb/>
Rücken, wenn ich einmal davon &#x017F;prechen muß. Und<lb/>
&#x017F;ie hat es auch eigentlich nicht gern, wenn ich in<lb/>
ihrer Gehörweite wirklich mal aufrichtig an meine<lb/>
inner&#x017F;te Meinung über ihn an&#x017F;treife.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0167] darunter drei bis vier Hemden, darüber neun lodene Röcke; zur Abwehr und zum Angriff zwei Spieße, eine Armbruſt, ein Zweihander eine Manneslänge lang und auf die Wirkung in die Ferne ein Bogen mit Pfeilköcher!“ „Ja, ja,“ ſeufzte Frau Valentine, „und endlich eine Wohnung in einer Wüſte hinten an der Welt! Ach ja, und wenn auch er nicht geſtorben wäre, ſo lebte auch er heute noch, wie die Märchen endigen. Der arme, arme, liebe Vater! Und er, er hätte es ſicherlich nicht ertragen, daß Du uns ſo lange darauf warten läßt, wer an ſeiner Statt Kienbaum todt- geſchlagen hat! für wen er, er, der Arme, Arme, durch ſein ganzes Leben hat unſchuldig büßen müſſen!“ In dieſem Augenblick wurde die arme Frau abgerufen, und Stopfkuchen benutzte die Gelegenheit, um mir zuzuflüſtern: „Hoffentlich bleibt ſie uns jetzt fünf Minuten vom Halſe. Vom Papa ſpreche ich, jetzt im Ver- trauen ganz offen geſagt, am liebſten hinter ihrem Rücken, wenn ich einmal davon ſprechen muß. Und ſie hat es auch eigentlich nicht gern, wenn ich in ihrer Gehörweite wirklich mal aufrichtig an meine innerſte Meinung über ihn anſtreife.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/167
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/167>, abgerufen am 02.05.2024.