Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Schön Wetter auf See! Wie hätte ich mein
Garn aber auch so fortspinnen dürfen, wie es eben
geschehen ist, wenn dem nicht so gewesen wäre?
Halcyonische Tage haben uns, die letzte Woche durch,
das Geleit über das große Meer gegeben. Infolge
davon angenehme Stimmung auf dem Schiff und
wenig Störung des "sonderbaren Herrn im Rauch-
zimmer, der von Hamburg an ununterbrochen über
seinem Geschäftskonto brütet und wahrscheinlich erst
am jüngsten Tage damit zu Stande kommen wird."

Die Herrschaften und die Leute haben aber Recht
mit ihrer Verwunderung, ihrem Lächeln und Kopf-
schütteln, Kopfzusammenstecken und Flüstern. Da sitzt
ein sonderbarer Herr auf dem guten Schiff Hagebucher,
und sonderbar von ihm ist's im hohen Grade, gerade
auf dem hohen Meer den Versuch zu wiederholen,
das Leben mit einem Fingerhut ausschöpfen zu
wollen! . . . . . .

Was aber würden die Herren und Damen, die
einigemale sogar den Versuch gemacht haben, mir
beim freundschaftlichen Auf-die-Schulter-Klopfen über
die Schulter auf die "absonderliche Schreiberei" zu
sehen, sagen, wenn ihnen der Versuch gelungen wäre?

Wahrscheinlich nichts weiter als:

"Nun, das hätte er zu Hause auch bequemer
haben können."

Darin würden sie sich aber doch auch irren. Ich
hätte das nicht zu Hause bequemer haben können,
und deshalb eben schrieb ich's auf dem Schiffe mir
auf, um es späterhin, zu Hause, im Wirrsal der

Schön Wetter auf See! Wie hätte ich mein
Garn aber auch ſo fortſpinnen dürfen, wie es eben
geſchehen iſt, wenn dem nicht ſo geweſen wäre?
Halcyoniſche Tage haben uns, die letzte Woche durch,
das Geleit über das große Meer gegeben. Infolge
davon angenehme Stimmung auf dem Schiff und
wenig Störung des „ſonderbaren Herrn im Rauch-
zimmer, der von Hamburg an ununterbrochen über
ſeinem Geſchäftskonto brütet und wahrſcheinlich erſt
am jüngſten Tage damit zu Stande kommen wird.“

Die Herrſchaften und die Leute haben aber Recht
mit ihrer Verwunderung, ihrem Lächeln und Kopf-
ſchütteln, Kopfzuſammenſtecken und Flüſtern. Da ſitzt
ein ſonderbarer Herr auf dem guten Schiff Hagebucher,
und ſonderbar von ihm iſt's im hohen Grade, gerade
auf dem hohen Meer den Verſuch zu wiederholen,
das Leben mit einem Fingerhut ausſchöpfen zu
wollen! . . . . . .

Was aber würden die Herren und Damen, die
einigemale ſogar den Verſuch gemacht haben, mir
beim freundſchaftlichen Auf-die-Schulter-Klopfen über
die Schulter auf die „abſonderliche Schreiberei“ zu
ſehen, ſagen, wenn ihnen der Verſuch gelungen wäre?

Wahrſcheinlich nichts weiter als:

„Nun, das hätte er zu Hauſe auch bequemer
haben können.“

Darin würden ſie ſich aber doch auch irren. Ich
hätte das nicht zu Hauſe bequemer haben können,
und deshalb eben ſchrieb ich's auf dem Schiffe mir
auf, um es ſpäterhin, zu Hauſe, im Wirrſal der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="158"/>
        <p>Schön Wetter auf See! Wie hätte ich mein<lb/>
Garn aber auch &#x017F;o fort&#x017F;pinnen dürfen, wie es eben<lb/>
ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, wenn dem nicht &#x017F;o gewe&#x017F;en wäre?<lb/>
Halcyoni&#x017F;che Tage haben uns, die letzte Woche durch,<lb/>
das Geleit über das große Meer gegeben. Infolge<lb/>
davon angenehme Stimmung auf dem Schiff und<lb/>
wenig Störung des &#x201E;&#x017F;onderbaren Herrn im Rauch-<lb/>
zimmer, der von Hamburg an ununterbrochen über<lb/>
&#x017F;einem Ge&#x017F;chäftskonto brütet und wahr&#x017F;cheinlich er&#x017F;t<lb/>
am jüng&#x017F;ten Tage damit zu Stande kommen wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Herr&#x017F;chaften und die Leute haben aber Recht<lb/>
mit ihrer Verwunderung, ihrem Lächeln und Kopf-<lb/>
&#x017F;chütteln, Kopfzu&#x017F;ammen&#x017F;tecken und Flü&#x017F;tern. Da &#x017F;itzt<lb/>
ein &#x017F;onderbarer Herr auf dem guten Schiff Hagebucher,<lb/>
und &#x017F;onderbar von ihm i&#x017F;t's im hohen Grade, gerade<lb/>
auf dem hohen Meer den Ver&#x017F;uch zu wiederholen,<lb/>
das Leben mit einem Fingerhut aus&#x017F;chöpfen zu<lb/>
wollen! . . . . . .</p><lb/>
        <p>Was aber würden die Herren und Damen, die<lb/>
einigemale &#x017F;ogar den Ver&#x017F;uch gemacht haben, mir<lb/>
beim freund&#x017F;chaftlichen Auf-die-Schulter-Klopfen über<lb/>
die Schulter auf die &#x201E;ab&#x017F;onderliche Schreiberei&#x201C; zu<lb/>
&#x017F;ehen, &#x017F;agen, wenn ihnen der Ver&#x017F;uch gelungen wäre?</p><lb/>
        <p>Wahr&#x017F;cheinlich nichts weiter als:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, das hätte er zu Hau&#x017F;e auch bequemer<lb/>
haben können.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Darin würden &#x017F;ie &#x017F;ich aber doch auch irren. Ich<lb/>
hätte das nicht zu Hau&#x017F;e bequemer haben können,<lb/>
und deshalb eben &#x017F;chrieb ich's auf dem Schiffe mir<lb/>
auf, um es &#x017F;päterhin, zu Hau&#x017F;e, im Wirr&#x017F;al der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0168] Schön Wetter auf See! Wie hätte ich mein Garn aber auch ſo fortſpinnen dürfen, wie es eben geſchehen iſt, wenn dem nicht ſo geweſen wäre? Halcyoniſche Tage haben uns, die letzte Woche durch, das Geleit über das große Meer gegeben. Infolge davon angenehme Stimmung auf dem Schiff und wenig Störung des „ſonderbaren Herrn im Rauch- zimmer, der von Hamburg an ununterbrochen über ſeinem Geſchäftskonto brütet und wahrſcheinlich erſt am jüngſten Tage damit zu Stande kommen wird.“ Die Herrſchaften und die Leute haben aber Recht mit ihrer Verwunderung, ihrem Lächeln und Kopf- ſchütteln, Kopfzuſammenſtecken und Flüſtern. Da ſitzt ein ſonderbarer Herr auf dem guten Schiff Hagebucher, und ſonderbar von ihm iſt's im hohen Grade, gerade auf dem hohen Meer den Verſuch zu wiederholen, das Leben mit einem Fingerhut ausſchöpfen zu wollen! . . . . . . Was aber würden die Herren und Damen, die einigemale ſogar den Verſuch gemacht haben, mir beim freundſchaftlichen Auf-die-Schulter-Klopfen über die Schulter auf die „abſonderliche Schreiberei“ zu ſehen, ſagen, wenn ihnen der Verſuch gelungen wäre? Wahrſcheinlich nichts weiter als: „Nun, das hätte er zu Hauſe auch bequemer haben können.“ Darin würden ſie ſich aber doch auch irren. Ich hätte das nicht zu Hauſe bequemer haben können, und deshalb eben ſchrieb ich's auf dem Schiffe mir auf, um es ſpäterhin, zu Hauſe, im Wirrſal der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/168
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/168>, abgerufen am 02.05.2024.