Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

gespürt; und als der Alte dazu gekommen ist, hat
er Jedem von uns Recht geben müssen. Spuckt
euer Gift aus, hat er gesagt. Es ist besser als es
in sich hineinzufressen, hat er gesagt. Und wenn
Einer weiß, wie Recht er da gehabt hat, so bin ich
das. Auf der untersten Bank zu sitzen und zu all'
Blechhammers Redensarten keinen Muck sagen zu
dürfen, das ist zehntausendmal schlimmer, als Kien-
baum nicht todtgeschlagen zu haben und doch dafür
angesehen zu werden. Ja, sieh mich nur so drauf
an, Eduard. Du bist auch so Einer von Denen,
die sich stündlich gratuliren, daß sie nicht der Mörder-
bauer von der rothen Schanze oder Heinrich Schau-
mann sind."

"Da verkennst Du mich aber riesig, Heinrich."

"Garnicht, Eduard; ich kenne euch und --
Alle kenne ich euch, in- und auswendig."


Ich hatte mich rasirt. Nämlich ich rasire mich
selber: da drüben oder da hinten im Kaffernlande
könnte man lange auf den Barbier warten, und
wenn er einen Vogel Strauß bestiege, um mit seinem
Handwerkszeug eiligst von einem Kraal zum andern,
von einem Bauernhof zum andern zu reiten und die

geſpürt; und als der Alte dazu gekommen iſt, hat
er Jedem von uns Recht geben müſſen. Spuckt
euer Gift aus, hat er geſagt. Es iſt beſſer als es
in ſich hineinzufreſſen, hat er geſagt. Und wenn
Einer weiß, wie Recht er da gehabt hat, ſo bin ich
das. Auf der unterſten Bank zu ſitzen und zu all'
Blechhammers Redensarten keinen Muck ſagen zu
dürfen, das iſt zehntauſendmal ſchlimmer, als Kien-
baum nicht todtgeſchlagen zu haben und doch dafür
angeſehen zu werden. Ja, ſieh mich nur ſo drauf
an, Eduard. Du biſt auch ſo Einer von Denen,
die ſich ſtündlich gratuliren, daß ſie nicht der Mörder-
bauer von der rothen Schanze oder Heinrich Schau-
mann ſind.“

„Da verkennſt Du mich aber rieſig, Heinrich.“

„Garnicht, Eduard; ich kenne euch und —
Alle kenne ich euch, in- und auswendig.“


Ich hatte mich raſirt. Nämlich ich raſire mich
ſelber: da drüben oder da hinten im Kaffernlande
könnte man lange auf den Barbier warten, und
wenn er einen Vogel Strauß beſtiege, um mit ſeinem
Handwerkszeug eiligſt von einem Kraal zum andern,
von einem Bauernhof zum andern zu reiten und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="31"/>
ge&#x017F;pürt; und als der Alte dazu gekommen i&#x017F;t, hat<lb/>
er Jedem von uns Recht geben mü&#x017F;&#x017F;en. Spuckt<lb/>
euer Gift aus, hat er ge&#x017F;agt. Es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er als es<lb/>
in &#x017F;ich hineinzufre&#x017F;&#x017F;en, hat er ge&#x017F;agt. Und wenn<lb/>
Einer weiß, wie Recht er da gehabt hat, &#x017F;o bin ich<lb/>
das. Auf der unter&#x017F;ten Bank zu &#x017F;itzen und zu all'<lb/>
Blechhammers Redensarten keinen Muck &#x017F;agen zu<lb/>
dürfen, das i&#x017F;t zehntau&#x017F;endmal &#x017F;chlimmer, als Kien-<lb/>
baum nicht todtge&#x017F;chlagen zu haben und doch dafür<lb/>
ange&#x017F;ehen zu werden. Ja, &#x017F;ieh mich nur &#x017F;o drauf<lb/>
an, Eduard. Du bi&#x017F;t auch &#x017F;o Einer von Denen,<lb/>
die &#x017F;ich &#x017F;tündlich gratuliren, daß &#x017F;ie nicht der Mörder-<lb/>
bauer von der rothen Schanze oder Heinrich Schau-<lb/>
mann &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da verkenn&#x017F;t Du mich aber rie&#x017F;ig, Heinrich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Garnicht, Eduard; ich kenne euch und &#x2014;<lb/>
Alle kenne ich euch, in- und auswendig.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ich hatte mich ra&#x017F;irt. Nämlich ich ra&#x017F;ire mich<lb/>
&#x017F;elber: da drüben oder da hinten im Kaffernlande<lb/>
könnte man lange auf den Barbier warten, und<lb/>
wenn er einen Vogel Strauß be&#x017F;tiege, um mit &#x017F;einem<lb/>
Handwerkszeug eilig&#x017F;t von einem Kraal zum andern,<lb/>
von einem Bauernhof zum andern zu reiten und die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0041] geſpürt; und als der Alte dazu gekommen iſt, hat er Jedem von uns Recht geben müſſen. Spuckt euer Gift aus, hat er geſagt. Es iſt beſſer als es in ſich hineinzufreſſen, hat er geſagt. Und wenn Einer weiß, wie Recht er da gehabt hat, ſo bin ich das. Auf der unterſten Bank zu ſitzen und zu all' Blechhammers Redensarten keinen Muck ſagen zu dürfen, das iſt zehntauſendmal ſchlimmer, als Kien- baum nicht todtgeſchlagen zu haben und doch dafür angeſehen zu werden. Ja, ſieh mich nur ſo drauf an, Eduard. Du biſt auch ſo Einer von Denen, die ſich ſtündlich gratuliren, daß ſie nicht der Mörder- bauer von der rothen Schanze oder Heinrich Schau- mann ſind.“ „Da verkennſt Du mich aber rieſig, Heinrich.“ „Garnicht, Eduard; ich kenne euch und — Alle kenne ich euch, in- und auswendig.“ Ich hatte mich raſirt. Nämlich ich raſire mich ſelber: da drüben oder da hinten im Kaffernlande könnte man lange auf den Barbier warten, und wenn er einen Vogel Strauß beſtiege, um mit ſeinem Handwerkszeug eiligſt von einem Kraal zum andern, von einem Bauernhof zum andern zu reiten und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/41
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/41>, abgerufen am 04.05.2024.