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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Krabbe des Bauern Quakatz etwas anderes als eine
sehr beiläufige Rolle bei seiner Verliebtheit in die
rothe Schanze des Prinzen Xaver von Sachsen spielen
könne. Ich und die Welt von damals konnten es
doch wahrhaftig nicht wissen, daß Stopfkuchen auch
nach solcher Richtung hin romantischer Gefühle
fähig sei.

Es war eine Luft in der niedern schwarzen
Bauernstube, die Keinem gefallen konnte. Und der
Bauer Andreas hatte einen deutlichen Gang auf
ihrem schwarzen Fußboden ausgetreten, vom Fenster
bis nach dem Ofen.

"Da geht er, so lange ich weiß," sagt seine
Tochter, "und ich sitze hier und höre ihn mit sich selber
sprechen, die halbe Nacht durch, bis er mich zu Bette
jagt. Du mußt es wissen, Heinrich, weshalb Du
zu mir gekommen bist und Dich an die rothe Schanze
herangemacht hast; aber Dein Herr Freund, der Herr
Eduard kann nichts davon wissen, wie es jetzt mir
hier bei Deinem Abschiede zu Sinnen sein muß. Aber
wenn er so freundlich sein will, kann er später viel-
leicht einmal Zeuge sein, daß ich Dir nach meinem
Tode die rothe Schanze vermacht habe mit Allem was
dazu gehört; denn mein Vater hat doch keinen Andern,
dem er sie in sein Testament setzen kann, als nur
mich, außer den Hunden draußen am Thorweg.
Wollen Sie so gut sein, Herr Eduard, da Sie heute
mitgekommen sind, daß Sie es später einmal vor
dem Gerichte mit bezeugen, daß die rothe Schanze,
wenn mein Vater und ich nichts mehr von der Welt

Krabbe des Bauern Quakatz etwas anderes als eine
ſehr beiläufige Rolle bei ſeiner Verliebtheit in die
rothe Schanze des Prinzen Xaver von Sachſen ſpielen
könne. Ich und die Welt von damals konnten es
doch wahrhaftig nicht wiſſen, daß Stopfkuchen auch
nach ſolcher Richtung hin romantiſcher Gefühle
fähig ſei.

Es war eine Luft in der niedern ſchwarzen
Bauernſtube, die Keinem gefallen konnte. Und der
Bauer Andreas hatte einen deutlichen Gang auf
ihrem ſchwarzen Fußboden ausgetreten, vom Fenſter
bis nach dem Ofen.

„Da geht er, ſo lange ich weiß,“ ſagt ſeine
Tochter, „und ich ſitze hier und höre ihn mit ſich ſelber
ſprechen, die halbe Nacht durch, bis er mich zu Bette
jagt. Du mußt es wiſſen, Heinrich, weshalb Du
zu mir gekommen biſt und Dich an die rothe Schanze
herangemacht haſt; aber Dein Herr Freund, der Herr
Eduard kann nichts davon wiſſen, wie es jetzt mir
hier bei Deinem Abſchiede zu Sinnen ſein muß. Aber
wenn er ſo freundlich ſein will, kann er ſpäter viel-
leicht einmal Zeuge ſein, daß ich Dir nach meinem
Tode die rothe Schanze vermacht habe mit Allem was
dazu gehört; denn mein Vater hat doch keinen Andern,
dem er ſie in ſein Teſtament ſetzen kann, als nur
mich, außer den Hunden draußen am Thorweg.
Wollen Sie ſo gut ſein, Herr Eduard, da Sie heute
mitgekommen ſind, daß Sie es ſpäter einmal vor
dem Gerichte mit bezeugen, daß die rothe Schanze,
wenn mein Vater und ich nichts mehr von der Welt

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[53/0063] Krabbe des Bauern Quakatz etwas anderes als eine ſehr beiläufige Rolle bei ſeiner Verliebtheit in die rothe Schanze des Prinzen Xaver von Sachſen ſpielen könne. Ich und die Welt von damals konnten es doch wahrhaftig nicht wiſſen, daß Stopfkuchen auch nach ſolcher Richtung hin romantiſcher Gefühle fähig ſei. Es war eine Luft in der niedern ſchwarzen Bauernſtube, die Keinem gefallen konnte. Und der Bauer Andreas hatte einen deutlichen Gang auf ihrem ſchwarzen Fußboden ausgetreten, vom Fenſter bis nach dem Ofen. „Da geht er, ſo lange ich weiß,“ ſagt ſeine Tochter, „und ich ſitze hier und höre ihn mit ſich ſelber ſprechen, die halbe Nacht durch, bis er mich zu Bette jagt. Du mußt es wiſſen, Heinrich, weshalb Du zu mir gekommen biſt und Dich an die rothe Schanze herangemacht haſt; aber Dein Herr Freund, der Herr Eduard kann nichts davon wiſſen, wie es jetzt mir hier bei Deinem Abſchiede zu Sinnen ſein muß. Aber wenn er ſo freundlich ſein will, kann er ſpäter viel- leicht einmal Zeuge ſein, daß ich Dir nach meinem Tode die rothe Schanze vermacht habe mit Allem was dazu gehört; denn mein Vater hat doch keinen Andern, dem er ſie in ſein Teſtament ſetzen kann, als nur mich, außer den Hunden draußen am Thorweg. Wollen Sie ſo gut ſein, Herr Eduard, da Sie heute mitgekommen ſind, daß Sie es ſpäter einmal vor dem Gerichte mit bezeugen, daß die rothe Schanze, wenn mein Vater und ich nichts mehr von der Welt

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/63>, abgerufen am 29.04.2024.