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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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"Er lebe! aber was er mit Deiner -- meiner
-- unserer und Deiner Frau Geschichte zu thun hat,
das bleibt mir augenblicklich noch ein Räthsel, Schau-
mann! Du hast eben wohlberechtigte Worte zu mir
gesprochen; aber Deinen Grafen von der Lausitz,
Deinen mir völlig unbekannten Prinzen von Sachsen
brauche ich mir doch nicht so ohne Weiteres gefallen
zu lassen, Heinrich! Jetzt, ehe Deine Frau zum
Essen ruft, was hat dieser sonderbare Prinz Xaverius
mit ihr, mit Dir, mit mir noch zu thun an diesem
wundervollen, windstillen, himmelblauen, blätter-
grünen, sonnigen Sommermorgen?"

Das Schiff stößt heute ein wenig mehr als
gestern.


"Und wenn Du auch die halbe neue Weltge-
schichte mit erlebt und in Afrika selber mitgemacht
hast, Eduard; Das mußt Du doch auch noch wissen,
daß in meines Vaters Hausgiebel eine Kanonenkugel
stak und heute noch steckt, die er -- der Xaverl --
damals, im siebenjährigen Kriege zu uns in die
Stadt hineingeschossen hat! Sei nur ganz still und
unterbrich mich nicht; wir kommen dem Tinchen an
ihrem Küchenherde auf der rothen Schanze näher und
immer näher. Nämlich sie war meines Vaters Stolz,
nicht das Tinchen, sondern die Kanonenkugel. Sie

„Er lebe! aber was er mit Deiner — meiner
— unſerer und Deiner Frau Geſchichte zu thun hat,
das bleibt mir augenblicklich noch ein Räthſel, Schau-
mann! Du haſt eben wohlberechtigte Worte zu mir
geſprochen; aber Deinen Grafen von der Lauſitz,
Deinen mir völlig unbekannten Prinzen von Sachſen
brauche ich mir doch nicht ſo ohne Weiteres gefallen
zu laſſen, Heinrich! Jetzt, ehe Deine Frau zum
Eſſen ruft, was hat dieſer ſonderbare Prinz Xaverius
mit ihr, mit Dir, mit mir noch zu thun an dieſem
wundervollen, windſtillen, himmelblauen, blätter-
grünen, ſonnigen Sommermorgen?“

Das Schiff ſtößt heute ein wenig mehr als
geſtern.


„Und wenn Du auch die halbe neue Weltge-
ſchichte mit erlebt und in Afrika ſelber mitgemacht
haſt, Eduard; Das mußt Du doch auch noch wiſſen,
daß in meines Vaters Hausgiebel eine Kanonenkugel
ſtak und heute noch ſteckt, die er — der Xaverl —
damals, im ſiebenjährigen Kriege zu uns in die
Stadt hineingeſchoſſen hat! Sei nur ganz ſtill und
unterbrich mich nicht; wir kommen dem Tinchen an
ihrem Küchenherde auf der rothen Schanze näher und
immer näher. Nämlich ſie war meines Vaters Stolz,
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[86/0096] „Er lebe! aber was er mit Deiner — meiner — unſerer und Deiner Frau Geſchichte zu thun hat, das bleibt mir augenblicklich noch ein Räthſel, Schau- mann! Du haſt eben wohlberechtigte Worte zu mir geſprochen; aber Deinen Grafen von der Lauſitz, Deinen mir völlig unbekannten Prinzen von Sachſen brauche ich mir doch nicht ſo ohne Weiteres gefallen zu laſſen, Heinrich! Jetzt, ehe Deine Frau zum Eſſen ruft, was hat dieſer ſonderbare Prinz Xaverius mit ihr, mit Dir, mit mir noch zu thun an dieſem wundervollen, windſtillen, himmelblauen, blätter- grünen, ſonnigen Sommermorgen?“ Das Schiff ſtößt heute ein wenig mehr als geſtern. „Und wenn Du auch die halbe neue Weltge- ſchichte mit erlebt und in Afrika ſelber mitgemacht haſt, Eduard; Das mußt Du doch auch noch wiſſen, daß in meines Vaters Hausgiebel eine Kanonenkugel ſtak und heute noch ſteckt, die er — der Xaverl — damals, im ſiebenjährigen Kriege zu uns in die Stadt hineingeſchoſſen hat! Sei nur ganz ſtill und unterbrich mich nicht; wir kommen dem Tinchen an ihrem Küchenherde auf der rothen Schanze näher und immer näher. Nämlich ſie war meines Vaters Stolz, nicht das Tinchen, ſondern die Kanonenkugel. Sie

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/96>, abgerufen am 29.04.2024.