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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Noten ohne Text.
wollte, mit welcher einige Dichter von meiner Art
ihre Gönner anzureden, und ihnen die Proben ih-
rer unterthänigsten Ehrfurcht zu überreichen pfle-
gen: So würde es allerdings sehr unnatürlich seyn,
zu sagen, daß der Dichter zittere. Wir, die wir
mit Göttern eben so vertraut umgehen, wie mit ei-
ner Schäferinn, wir werden vor keinem Sterbli-
chen zittern. Ein Dichter, der von seiner Fertig-
keit zu reimen, von seinem Geldmangel, und von
den Capitalen seines Gönners gewiß überzeugt ist,
ist das unerschrockenste Geschöpf unter allen Thieren.
Läßt sich also wohl mit Grunde von ihm sagen, daß
er zittere? Jch glaube es nicht, und wenn er ja zit-
tert, so geschieht es doch nur dem Reime und dem
Sylbenmaaße zu Gefallen.

[Und wenn du, großer Held,] Dieses Bey-
wort ist so gewöhnlich, daß ich kein Bedenken tra-
ge, solches dem unbekannten Gönner beyzulegen,
welchem gegenwärtiges Werk künftig einmal dedi-
ciret werden könnte. Ein Autor schmiegt sich ge-
meiniglich in seinen Zueignungsschriften dergestalt,
vor den Füßen seines Gönners, daß ihm derselbe
natürlicher Weise nicht anders, als groß, vorkom-
men muß, und einen Helden nenne ich ihn um des-
willen, weil ich zum voraus setze, daß die Zueig-
nungsschrift an keinen von bürgerlichem Stande,
sondern an jemanden meines gleichen gerichtet wird.
Wir sind Ritter. Alle Ritter sind, vermöge der Er-
fahrung, Helden, und große Helden werden wir,
so bald uns ein Autor braucht. Hierbey fällt mir
eine Geschichte ein, welche ich anführen muß. Als

ich
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Noten ohne Text.
wollte, mit welcher einige Dichter von meiner Art
ihre Goͤnner anzureden, und ihnen die Proben ih-
rer unterthaͤnigſten Ehrfurcht zu uͤberreichen pfle-
gen: So wuͤrde es allerdings ſehr unnatuͤrlich ſeyn,
zu ſagen, daß der Dichter zittere. Wir, die wir
mit Goͤttern eben ſo vertraut umgehen, wie mit ei-
ner Schaͤferinn, wir werden vor keinem Sterbli-
chen zittern. Ein Dichter, der von ſeiner Fertig-
keit zu reimen, von ſeinem Geldmangel, und von
den Capitalen ſeines Goͤnners gewiß uͤberzeugt iſt,
iſt das unerſchrockenſte Geſchoͤpf unter allen Thieren.
Laͤßt ſich alſo wohl mit Grunde von ihm ſagen, daß
er zittere? Jch glaube es nicht, und wenn er ja zit-
tert, ſo geſchieht es doch nur dem Reime und dem
Sylbenmaaße zu Gefallen.

[Und wenn du, großer Held,] Dieſes Bey-
wort iſt ſo gewoͤhnlich, daß ich kein Bedenken tra-
ge, ſolches dem unbekannten Goͤnner beyzulegen,
welchem gegenwaͤrtiges Werk kuͤnftig einmal dedi-
ciret werden koͤnnte. Ein Autor ſchmiegt ſich ge-
meiniglich in ſeinen Zueignungsſchriften dergeſtalt,
vor den Fuͤßen ſeines Goͤnners, daß ihm derſelbe
natuͤrlicher Weiſe nicht anders, als groß, vorkom-
men muß, und einen Helden nenne ich ihn um des-
willen, weil ich zum voraus ſetze, daß die Zueig-
nungsſchrift an keinen von buͤrgerlichem Stande,
ſondern an jemanden meines gleichen gerichtet wird.
Wir ſind Ritter. Alle Ritter ſind, vermoͤge der Er-
fahrung, Helden, und große Helden werden wir,
ſo bald uns ein Autor braucht. Hierbey faͤllt mir
eine Geſchichte ein, welche ich anfuͤhren muß. Als

ich
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[117/0117] Noten ohne Text. wollte, mit welcher einige Dichter von meiner Art ihre Goͤnner anzureden, und ihnen die Proben ih- rer unterthaͤnigſten Ehrfurcht zu uͤberreichen pfle- gen: So wuͤrde es allerdings ſehr unnatuͤrlich ſeyn, zu ſagen, daß der Dichter zittere. Wir, die wir mit Goͤttern eben ſo vertraut umgehen, wie mit ei- ner Schaͤferinn, wir werden vor keinem Sterbli- chen zittern. Ein Dichter, der von ſeiner Fertig- keit zu reimen, von ſeinem Geldmangel, und von den Capitalen ſeines Goͤnners gewiß uͤberzeugt iſt, iſt das unerſchrockenſte Geſchoͤpf unter allen Thieren. Laͤßt ſich alſo wohl mit Grunde von ihm ſagen, daß er zittere? Jch glaube es nicht, und wenn er ja zit- tert, ſo geſchieht es doch nur dem Reime und dem Sylbenmaaße zu Gefallen. [Und wenn du, großer Held,] Dieſes Bey- wort iſt ſo gewoͤhnlich, daß ich kein Bedenken tra- ge, ſolches dem unbekannten Goͤnner beyzulegen, welchem gegenwaͤrtiges Werk kuͤnftig einmal dedi- ciret werden koͤnnte. Ein Autor ſchmiegt ſich ge- meiniglich in ſeinen Zueignungsſchriften dergeſtalt, vor den Fuͤßen ſeines Goͤnners, daß ihm derſelbe natuͤrlicher Weiſe nicht anders, als groß, vorkom- men muß, und einen Helden nenne ich ihn um des- willen, weil ich zum voraus ſetze, daß die Zueig- nungsſchrift an keinen von buͤrgerlichem Stande, ſondern an jemanden meines gleichen gerichtet wird. Wir ſind Ritter. Alle Ritter ſind, vermoͤge der Er- fahrung, Helden, und große Helden werden wir, ſo bald uns ein Autor braucht. Hierbey faͤllt mir eine Geſchichte ein, welche ich anfuͤhren muß. Als ich H 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/117>, abgerufen am 14.05.2024.