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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"schwärmen um mein Schloß herum, mich zu ent-
"führen. Tapfrer Roland! Eilen Sie, diese
"Ungeheuer zu verjagen. Glauben Sie nur nicht,
"daß ich scherze! Lesen Sie den eingeschloßnen
"Brief. Er ist von einem fchwarzen Ritter aus
"dem Königreiche Latium, welcher auf Abentheuer
"ausgieng, und den ich mit meinem Schwerdte
"kecklich erwürgt habe. Ja, mein Herr, konn-
"ten Sie von Jhrer zärtlichen und ewig treuen
"Charlotte einen andern Entschluß erwarten, als
"den, welchen Sie aus dem andern Briefe sehm
"werden? Für diesesmal bin ich der gedachten
"Gefahr glücklich entkommen. Werde ich im-
"mer Muth und Kräfte genug dazu haben, wenn
"Sie mich länger verlassen? Eilen Sie! Bey
"Jhrer Liebe beschwöre ich Sie, eilen Sie, und
"sagen Sie mir, daß meine Sorge vergebens ge-
"wesen ist. Was ich Jhnen dafür sagen werde?
"Daß Sie mein bester Freund sind! Daß ich Sie
"unendlich liebe! Daß ich ganz die Jhrige bin!
"Soll ich Jhnen noch mehr sagen? Gut, ich will
"Sie küssen, tausendmal will ich Sie küssen.
"Wie unruhig ist man, wenn man liebt! Leben
"Sie wohl."

Wie gefällt Jhnen dieser Brief, mein Herr?
Könnte ein Mädchen, ohne den Wohlstand ganz
zu beleidigen, deutlicher, als ich, sagen, was sie
wünschte, und was sie hoffte? Nun erwartete ich
meinen Liebhaber auf den Flügeln der Liebe. Jch

wußte,

Satyriſche Briefe.
„ſchwaͤrmen um mein Schloß herum, mich zu ent-
„fuͤhren. Tapfrer Roland! Eilen Sie, dieſe
„Ungeheuer zu verjagen. Glauben Sie nur nicht,
„daß ich ſcherze! Leſen Sie den eingeſchloßnen
„Brief. Er iſt von einem fchwarzen Ritter aus
„dem Koͤnigreiche Latium, welcher auf Abentheuer
„ausgieng, und den ich mit meinem Schwerdte
„kecklich erwuͤrgt habe. Ja, mein Herr, konn-
„ten Sie von Jhrer zaͤrtlichen und ewig treuen
„Charlotte einen andern Entſchluß erwarten, als
„den, welchen Sie aus dem andern Briefe ſehm
„werden? Fuͤr dieſesmal bin ich der gedachten
„Gefahr gluͤcklich entkommen. Werde ich im-
„mer Muth und Kraͤfte genug dazu haben, wenn
„Sie mich laͤnger verlaſſen? Eilen Sie! Bey
„Jhrer Liebe beſchwoͤre ich Sie, eilen Sie, und
„ſagen Sie mir, daß meine Sorge vergebens ge-
„weſen iſt. Was ich Jhnen dafuͤr ſagen werde?
„Daß Sie mein beſter Freund ſind! Daß ich Sie
„unendlich liebe! Daß ich ganz die Jhrige bin!
„Soll ich Jhnen noch mehr ſagen? Gut, ich will
„Sie kuͤſſen, tauſendmal will ich Sie kuͤſſen.
„Wie unruhig iſt man, wenn man liebt! Leben
„Sie wohl.„

Wie gefaͤllt Jhnen dieſer Brief, mein Herr?
Koͤnnte ein Maͤdchen, ohne den Wohlſtand ganz
zu beleidigen, deutlicher, als ich, ſagen, was ſie
wuͤnſchte, und was ſie hoffte? Nun erwartete ich
meinen Liebhaber auf den Fluͤgeln der Liebe. Jch

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[206/0234] Satyriſche Briefe. „ſchwaͤrmen um mein Schloß herum, mich zu ent- „fuͤhren. Tapfrer Roland! Eilen Sie, dieſe „Ungeheuer zu verjagen. Glauben Sie nur nicht, „daß ich ſcherze! Leſen Sie den eingeſchloßnen „Brief. Er iſt von einem fchwarzen Ritter aus „dem Koͤnigreiche Latium, welcher auf Abentheuer „ausgieng, und den ich mit meinem Schwerdte „kecklich erwuͤrgt habe. Ja, mein Herr, konn- „ten Sie von Jhrer zaͤrtlichen und ewig treuen „Charlotte einen andern Entſchluß erwarten, als „den, welchen Sie aus dem andern Briefe ſehm „werden? Fuͤr dieſesmal bin ich der gedachten „Gefahr gluͤcklich entkommen. Werde ich im- „mer Muth und Kraͤfte genug dazu haben, wenn „Sie mich laͤnger verlaſſen? Eilen Sie! Bey „Jhrer Liebe beſchwoͤre ich Sie, eilen Sie, und „ſagen Sie mir, daß meine Sorge vergebens ge- „weſen iſt. Was ich Jhnen dafuͤr ſagen werde? „Daß Sie mein beſter Freund ſind! Daß ich Sie „unendlich liebe! Daß ich ganz die Jhrige bin! „Soll ich Jhnen noch mehr ſagen? Gut, ich will „Sie kuͤſſen, tauſendmal will ich Sie kuͤſſen. „Wie unruhig iſt man, wenn man liebt! Leben „Sie wohl.„ Wie gefaͤllt Jhnen dieſer Brief, mein Herr? Koͤnnte ein Maͤdchen, ohne den Wohlſtand ganz zu beleidigen, deutlicher, als ich, ſagen, was ſie wuͤnſchte, und was ſie hoffte? Nun erwartete ich meinen Liebhaber auf den Fluͤgeln der Liebe. Jch wußte,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/234>, abgerufen am 07.05.2024.