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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Da ich itzt von meinen Lesern mit dem ernst-
lichen Vorsatze Abschied nehme, niemals
wieder einige satirische Schriften der
Welt bekannt zu machen: So betrachte ich mich
als einen Sterbenden, der seinen umstehenden
Freunden die Hand giebt, und diejenigen von ih-
nen beweglichst um Vergebung bittet, von denen
ihm sein erwachendes Gewissen sagt, daß er sie
beleidigt habe.

Jn den vier Theilen meiner satirischen Schrif-
ten ist nicht eine Seite, wo nicht zum wenigsten
Ein Thor in seiner angenehmen Eigenliebe, und
der beruhigenden Zufriedenheit über seine Verdien-
ste gestört worden ist. Jch habe ihm nichts, als
nur Wahrheiten gesagt: Aber auch schon das ist
heut zu Tage ein unverantwortliches Verbrechen!
Hätte ich Vernünftige und Tugendhafte beleidigt,
so würde die Anzahl meiner Feinde vielleicht noch
zu übersehen seyn: Aber ich spottete der Thoren,
und die halbe Welt ward erbittert. Jch erschrek-
ke, wenn ich itzt mit gelassenem Gemüthe an die
Verwegenheit gedenke, die ich gehabt habe. Was
soll ich anfangen? Das einzige Mittel, welches
noch übrig ist, meine Fehler zu verbüßen, ist eine
öffentliche Abbitte und Ehrenerklärung, die
ich denenjenigen thun will, an welchen ich mich
mit meinen beleidigenden Wahrheiten versündigt
habe. Die Messe ist zu nahe, und mein Verle-

ger
N n 4


Da ich itzt von meinen Leſern mit dem ernſt-
lichen Vorſatze Abſchied nehme, niemals
wieder einige ſatiriſche Schriften der
Welt bekannt zu machen: So betrachte ich mich
als einen Sterbenden, der ſeinen umſtehenden
Freunden die Hand giebt, und diejenigen von ih-
nen beweglichſt um Vergebung bittet, von denen
ihm ſein erwachendes Gewiſſen ſagt, daß er ſie
beleidigt habe.

Jn den vier Theilen meiner ſatiriſchen Schrif-
ten iſt nicht eine Seite, wo nicht zum wenigſten
Ein Thor in ſeiner angenehmen Eigenliebe, und
der beruhigenden Zufriedenheit uͤber ſeine Verdien-
ſte geſtoͤrt worden iſt. Jch habe ihm nichts, als
nur Wahrheiten geſagt: Aber auch ſchon das iſt
heut zu Tage ein unverantwortliches Verbrechen!
Haͤtte ich Vernuͤnftige und Tugendhafte beleidigt,
ſo wuͤrde die Anzahl meiner Feinde vielleicht noch
zu uͤberſehen ſeyn: Aber ich ſpottete der Thoren,
und die halbe Welt ward erbittert. Jch erſchrek-
ke, wenn ich itzt mit gelaſſenem Gemuͤthe an die
Verwegenheit gedenke, die ich gehabt habe. Was
ſoll ich anfangen? Das einzige Mittel, welches
noch uͤbrig iſt, meine Fehler zu verbuͤßen, iſt eine
oͤffentliche Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die
ich denenjenigen thun will, an welchen ich mich
mit meinen beleidigenden Wahrheiten verſuͤndigt
habe. Die Meſſe iſt zu nahe, und mein Verle-

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[567[565]/0589] Da ich itzt von meinen Leſern mit dem ernſt- lichen Vorſatze Abſchied nehme, niemals wieder einige ſatiriſche Schriften der Welt bekannt zu machen: So betrachte ich mich als einen Sterbenden, der ſeinen umſtehenden Freunden die Hand giebt, und diejenigen von ih- nen beweglichſt um Vergebung bittet, von denen ihm ſein erwachendes Gewiſſen ſagt, daß er ſie beleidigt habe. Jn den vier Theilen meiner ſatiriſchen Schrif- ten iſt nicht eine Seite, wo nicht zum wenigſten Ein Thor in ſeiner angenehmen Eigenliebe, und der beruhigenden Zufriedenheit uͤber ſeine Verdien- ſte geſtoͤrt worden iſt. Jch habe ihm nichts, als nur Wahrheiten geſagt: Aber auch ſchon das iſt heut zu Tage ein unverantwortliches Verbrechen! Haͤtte ich Vernuͤnftige und Tugendhafte beleidigt, ſo wuͤrde die Anzahl meiner Feinde vielleicht noch zu uͤberſehen ſeyn: Aber ich ſpottete der Thoren, und die halbe Welt ward erbittert. Jch erſchrek- ke, wenn ich itzt mit gelaſſenem Gemuͤthe an die Verwegenheit gedenke, die ich gehabt habe. Was ſoll ich anfangen? Das einzige Mittel, welches noch uͤbrig iſt, meine Fehler zu verbuͤßen, iſt eine oͤffentliche Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die ich denenjenigen thun will, an welchen ich mich mit meinen beleidigenden Wahrheiten verſuͤndigt habe. Die Meſſe iſt zu nahe, und mein Verle- ger N n 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 567[565]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/589>, abgerufen am 01.05.2024.