Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Capitol.
An Statuen finden sich in diesem
Zimmer:

Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.Ueber die
Statuen die
man für Ue-
berbleibsel
ehemaliger
Gruppen der
Familie der
Niobe hält.

So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen,
die ihrer Stellung nach zu jener Fabel passen, und in
dem Stile, der etwas hart und trocken ist, den Figu-
ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das
unglückliche Schicksal der Kinder der Niobe ein oft
wiederholter Gegenstand der alten Kunst gewesen sey,
leidet keinen Zweifel. Darum möchte ich aber die
Gewähr nicht übernehmen, daß alle die Figuren, die
man für zerstreute Ueberbleibsel solcher Vorstellungen
ausgibt, es würklich sind. Die männlichen wer-
den gewiß oft mit Ringern verwechselt, und die
weiblichen haben schon oft für Psyche u. s. w. gelten
müssen.

Sonderbar sind hier die angedeuteten Haare über
der Schaam des Jünglings.

+ Eine stehende bekleidete Figur eines al-Zeno.
ten Mannes, wahrscheinlich eines Philosophen, be-
kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller
Wahrheit. Die Zeichnung ist sehr richtig, und das
Gewand vortrefflich. Als Vorstellung des ernsten,
nicht über die gemeine Natur erhabenen, Alters,
kann man dieses Werk classisch nennen. Der Nahme
ist ihm ohne Grund beigelegt.

Büsten.

Unter der großen Menge von denen, die hier
stehen, und die größestentheils Dichter, Philosophen
und griechische Helden abzubilden scheinen, bemerke

ich:
P 5
Das Capitol.
An Statuen finden ſich in dieſem
Zimmer:

Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.Ueber die
Statuen die
man fuͤr Ue-
berbleibſel
ehemaliger
Gruppen der
Familie der
Niobe haͤlt.

So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen,
die ihrer Stellung nach zu jener Fabel paſſen, und in
dem Stile, der etwas hart und trocken iſt, den Figu-
ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das
ungluͤckliche Schickſal der Kinder der Niobe ein oft
wiederholter Gegenſtand der alten Kunſt geweſen ſey,
leidet keinen Zweifel. Darum moͤchte ich aber die
Gewaͤhr nicht uͤbernehmen, daß alle die Figuren, die
man fuͤr zerſtreute Ueberbleibſel ſolcher Vorſtellungen
ausgibt, es wuͤrklich ſind. Die maͤnnlichen wer-
den gewiß oft mit Ringern verwechſelt, und die
weiblichen haben ſchon oft fuͤr Pſyche u. ſ. w. gelten
muͤſſen.

Sonderbar ſind hier die angedeuteten Haare uͤber
der Schaam des Juͤnglings.

Eine ſtehende bekleidete Figur eines al-Zeno.
ten Mannes, wahrſcheinlich eines Philoſophen, be-
kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller
Wahrheit. Die Zeichnung iſt ſehr richtig, und das
Gewand vortrefflich. Als Vorſtellung des ernſten,
nicht uͤber die gemeine Natur erhabenen, Alters,
kann man dieſes Werk claſſiſch nennen. Der Nahme
iſt ihm ohne Grund beigelegt.

Buͤſten.

Unter der großen Menge von denen, die hier
ſtehen, und die groͤßeſtentheils Dichter, Philoſophen
und griechiſche Helden abzubilden ſcheinen, bemerke

ich:
P 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0255" n="233"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Capitol.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">An Statuen finden &#x017F;ich in die&#x017F;em<lb/>
Zimmer:</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Ein Sohn und eine Tochter der Niobe.</hi><note place="right">Ueber die<lb/>
Statuen die<lb/>
man fu&#x0364;r Ue-<lb/>
berbleib&#x017F;el<lb/>
ehemaliger<lb/>
Gruppen der<lb/>
Familie der<lb/>
Niobe ha&#x0364;lt.</note><lb/>
So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen,<lb/>
die ihrer Stellung nach zu jener Fabel pa&#x017F;&#x017F;en, und in<lb/>
dem Stile, der etwas hart und trocken i&#x017F;t, den Figu-<lb/>
ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das<lb/>
unglu&#x0364;ckliche Schick&#x017F;al der Kinder der Niobe ein oft<lb/>
wiederholter Gegen&#x017F;tand der alten Kun&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;ey,<lb/>
leidet keinen Zweifel. Darum mo&#x0364;chte ich aber die<lb/>
Gewa&#x0364;hr nicht u&#x0364;bernehmen, daß alle die Figuren, die<lb/>
man fu&#x0364;r zer&#x017F;treute Ueberbleib&#x017F;el &#x017F;olcher Vor&#x017F;tellungen<lb/>
ausgibt, es wu&#x0364;rklich &#x017F;ind. Die ma&#x0364;nnlichen wer-<lb/>
den gewiß oft mit Ringern verwech&#x017F;elt, und die<lb/>
weiblichen haben &#x017F;chon oft fu&#x0364;r P&#x017F;yche u. &#x017F;. w. gelten<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Sonderbar &#x017F;ind hier die angedeuteten Haare u&#x0364;ber<lb/>
der Schaam des Ju&#x0364;nglings.</p><lb/>
              <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Eine &#x017F;tehende bekleidete Figur eines al-</hi><note place="right">Zeno.</note><lb/><hi rendition="#fr">ten Mannes,</hi> wahr&#x017F;cheinlich eines Philo&#x017F;ophen, be-<lb/>
kannt unter dem Namen <hi rendition="#fr">Zeno.</hi> Eine Statue voller<lb/>
Wahrheit. Die Zeichnung i&#x017F;t &#x017F;ehr richtig, und das<lb/>
Gewand vortrefflich. Als Vor&#x017F;tellung des ern&#x017F;ten,<lb/>
nicht u&#x0364;ber die gemeine Natur erhabenen, Alters,<lb/>
kann man die&#x017F;es Werk cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ch nennen. Der Nahme<lb/>
i&#x017F;t ihm ohne Grund beigelegt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Bu&#x0364;&#x017F;ten</hi>.</head><lb/>
              <p>Unter der großen Menge von denen, die hier<lb/>
&#x017F;tehen, und die gro&#x0364;ße&#x017F;tentheils Dichter, Philo&#x017F;ophen<lb/>
und griechi&#x017F;che Helden abzubilden &#x017F;cheinen, bemerke<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ich:</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0255] Das Capitol. An Statuen finden ſich in dieſem Zimmer: Ein Sohn und eine Tochter der Niobe. So nennt man in Rom diejenigen nackten Statuen, die ihrer Stellung nach zu jener Fabel paſſen, und in dem Stile, der etwas hart und trocken iſt, den Figu- ren der Gruppe in Florenz nahe kommen. Daß das ungluͤckliche Schickſal der Kinder der Niobe ein oft wiederholter Gegenſtand der alten Kunſt geweſen ſey, leidet keinen Zweifel. Darum moͤchte ich aber die Gewaͤhr nicht uͤbernehmen, daß alle die Figuren, die man fuͤr zerſtreute Ueberbleibſel ſolcher Vorſtellungen ausgibt, es wuͤrklich ſind. Die maͤnnlichen wer- den gewiß oft mit Ringern verwechſelt, und die weiblichen haben ſchon oft fuͤr Pſyche u. ſ. w. gelten muͤſſen. Ueber die Statuen die man fuͤr Ue- berbleibſel ehemaliger Gruppen der Familie der Niobe haͤlt. Sonderbar ſind hier die angedeuteten Haare uͤber der Schaam des Juͤnglings. † Eine ſtehende bekleidete Figur eines al- ten Mannes, wahrſcheinlich eines Philoſophen, be- kannt unter dem Namen Zeno. Eine Statue voller Wahrheit. Die Zeichnung iſt ſehr richtig, und das Gewand vortrefflich. Als Vorſtellung des ernſten, nicht uͤber die gemeine Natur erhabenen, Alters, kann man dieſes Werk claſſiſch nennen. Der Nahme iſt ihm ohne Grund beigelegt. Zeno. Buͤſten. Unter der großen Menge von denen, die hier ſtehen, und die groͤßeſtentheils Dichter, Philoſophen und griechiſche Helden abzubilden ſcheinen, bemerke ich: P 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/255
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/255>, abgerufen am 30.04.2024.