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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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und einer accordierenden Lage fremder Körper mit dem Zustande des unsrigen, bey der Verbindung ihrer Oberflächen durch die tastenden Organe am schärfsten unterschieden wird. Allemahl aber blieben die Erscheinungen doch klar genug, um sie nach charakteristischen Merkmahlen von einander abzusondern. Der volle Glanz kann wollüstig auf mein Auge wirken; aber er strengt an, und der Blick zieht sich seinem Strahle nicht nach. Ganz etwas Aehnliches erfolgt beym Anblick greller Farben. Hingegen das sanfte Himmelblau und das Mondenlicht laden mein Auge ein, bey ihrem Scheine zu weilen. Aber welch ein erhöheter Reitz in jenem Anblick einer hellen Erleuchtung, deren Glanz ein dünner Schleyer mildert, oder der gebrochenen Strahlen der Sonne im Purpur des Morgens und des Abendhimmels! Hier bietet sich mein Auge nicht allein den Eindrücken gern entgegen; es fühlt sich auch durch die Mischung der Strenge mit der Milde des ergetzenden Schauspiels diesem entgegengehoben und entzückt!

Eine symmetrisch angeordnete Fläche spannt das Sehorgan, indem es ihre abgestufte Ausdehnung auf Ein Mahl auffaßt. Dieß Gefühl kann wollüstig seyn, wenn es von qualvoller Anstrengung frey ist. Aber mein Auge verfolgt nicht die Umrisse der regulär geordneten Fläche; es schmiegt sich mit seinen Blicken nicht an sie an; es läßt sich den anstrengenden Eindruck bloß gefallen. Hingegen verfolgt das Organ die geschlängelten Gestalten, welche eine andere Fläche überziehen, und ich fühle deutlich, daß es durch dieß freye Spiel gezärtelt wird. Wie yiel entzückender aber ist nicht der Anblick eines geründeten Körpers, einer Gruppe, wie sie etwa die Form der Weintraube darbietet!

und einer accordierenden Lage fremder Körper mit dem Zustande des unsrigen, bey der Verbindung ihrer Oberflächen durch die tastenden Organe am schärfsten unterschieden wird. Allemahl aber blieben die Erscheinungen doch klar genug, um sie nach charakteristischen Merkmahlen von einander abzusondern. Der volle Glanz kann wollüstig auf mein Auge wirken; aber er strengt an, und der Blick zieht sich seinem Strahle nicht nach. Ganz etwas Aehnliches erfolgt beym Anblick greller Farben. Hingegen das sanfte Himmelblau und das Mondenlicht laden mein Auge ein, bey ihrem Scheine zu weilen. Aber welch ein erhöheter Reitz in jenem Anblick einer hellen Erleuchtung, deren Glanz ein dünner Schleyer mildert, oder der gebrochenen Strahlen der Sonne im Purpur des Morgens und des Abendhimmels! Hier bietet sich mein Auge nicht allein den Eindrücken gern entgegen; es fühlt sich auch durch die Mischung der Strenge mit der Milde des ergetzenden Schauspiels diesem entgegengehoben und entzückt!

Eine symmetrisch angeordnete Fläche spannt das Sehorgan, indem es ihre abgestufte Ausdehnung auf Ein Mahl auffaßt. Dieß Gefühl kann wollüstig seyn, wenn es von qualvoller Anstrengung frey ist. Aber mein Auge verfolgt nicht die Umrisse der regulär geordneten Fläche; es schmiegt sich mit seinen Blicken nicht an sie an; es läßt sich den anstrengenden Eindruck bloß gefallen. Hingegen verfolgt das Organ die geschlängelten Gestalten, welche eine andere Fläche überziehen, und ich fühle deutlich, daß es durch dieß freye Spiel gezärtelt wird. Wie yiel entzückender aber ist nicht der Anblick eines geründeten Körpers, einer Gruppe, wie sie etwa die Form der Weintraube darbietet!

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und einer accordierenden Lage fremder Körper mit dem Zustande des unsrigen, bey der Verbindung ihrer Oberflächen durch die tastenden Organe am schärfsten unterschieden wird. Allemahl aber blieben die Erscheinungen doch klar genug, um sie nach charakteristischen Merkmahlen von einander abzusondern. Der volle Glanz kann wollüstig auf mein Auge wirken; aber er strengt an, und der Blick zieht sich seinem Strahle nicht nach. Ganz etwas Aehnliches erfolgt beym Anblick greller Farben. Hingegen das sanfte Himmelblau und das Mondenlicht laden mein Auge ein, bey ihrem Scheine zu weilen. Aber welch ein erhöheter Reitz in jenem Anblick einer hellen Erleuchtung, deren Glanz ein dünner Schleyer mildert, oder der gebrochenen Strahlen der Sonne im Purpur des Morgens und des Abendhimmels! Hier bietet sich mein Auge nicht allein den Eindrücken gern entgegen; es fühlt sich auch durch die Mischung der Strenge mit der Milde des ergetzenden Schauspiels diesem entgegengehoben und entzückt!</p>
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[125/0125] und einer accordierenden Lage fremder Körper mit dem Zustande des unsrigen, bey der Verbindung ihrer Oberflächen durch die tastenden Organe am schärfsten unterschieden wird. Allemahl aber blieben die Erscheinungen doch klar genug, um sie nach charakteristischen Merkmahlen von einander abzusondern. Der volle Glanz kann wollüstig auf mein Auge wirken; aber er strengt an, und der Blick zieht sich seinem Strahle nicht nach. Ganz etwas Aehnliches erfolgt beym Anblick greller Farben. Hingegen das sanfte Himmelblau und das Mondenlicht laden mein Auge ein, bey ihrem Scheine zu weilen. Aber welch ein erhöheter Reitz in jenem Anblick einer hellen Erleuchtung, deren Glanz ein dünner Schleyer mildert, oder der gebrochenen Strahlen der Sonne im Purpur des Morgens und des Abendhimmels! Hier bietet sich mein Auge nicht allein den Eindrücken gern entgegen; es fühlt sich auch durch die Mischung der Strenge mit der Milde des ergetzenden Schauspiels diesem entgegengehoben und entzückt! Eine symmetrisch angeordnete Fläche spannt das Sehorgan, indem es ihre abgestufte Ausdehnung auf Ein Mahl auffaßt. Dieß Gefühl kann wollüstig seyn, wenn es von qualvoller Anstrengung frey ist. Aber mein Auge verfolgt nicht die Umrisse der regulär geordneten Fläche; es schmiegt sich mit seinen Blicken nicht an sie an; es läßt sich den anstrengenden Eindruck bloß gefallen. Hingegen verfolgt das Organ die geschlängelten Gestalten, welche eine andere Fläche überziehen, und ich fühle deutlich, daß es durch dieß freye Spiel gezärtelt wird. Wie yiel entzückender aber ist nicht der Anblick eines geründeten Körpers, einer Gruppe, wie sie etwa die Form der Weintraube darbietet!

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/125>, abgerufen am 01.05.2024.