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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
seine Vorfahren: endlich war Friede in ganz Europa. Es
war sogar für ihn selbst dringend, da die Franzosen ein
Nationalconcilium zu versammeln drohten, was leicht ein
Schisma nach sich ziehen konnte. Die Wahrheit zu sagen,
finde ich aber, daß er überdieß auch allen guten Willen
dazu hatte. Man höre, wie er sich ausdrückt. "Wir wol-
len das Concilium," sagt er, "wir wollen es gewiß, wir
wollen es allgemein. Wollten wir es nicht, so könnten
wir die Welt Jahrelang mit den Schwierigkeiten hinhal-
ten, aber vielmehr suchen wir solche wegzuräumen. Es
soll reformiren was zu reformiren ist: auch an unserer Per-
son, in unseren eigenen Sachen. Haben wir etwas an-
dres im Sinn, als Gott zu dienen, so mag Gott uns
züchtigen." Oft scheint es ihm, als werde er von den Für-
sten zu einem so großen Vorhaben nicht sattsam unterstützt.
Eines Morgens trifft ihn der venezianische Gesandte im
Bett, vom Podagra gelähmt; er findet ihn voll von sei-
nen Gedanken. "Wir haben gute Absicht," ruft er aus,
"aber wir sind allein." "Es kam mich ein Mitleid
an," spricht der Gesandte, "ihn in dem Bette zu sehen
und sagen zu hören: wir sind allein für eine so große
Last." Indessen setzte er die Sache doch ins Werk. Am
18. Januar 1562 waren so viel Bischöfe und Abgeord-
nete in Trient beisammen, daß man das zwei Mal unter-
brochene Concilium zum dritten Mal beginnen konnte. Der
Papst hatte daran den größten Antheil. "Gewiß," sagt
Girolamo Soranzo, der sonst seine Partei nicht nimmt, "Seine
Heiligkeit hat hierbei alle den Eifer bewiesen, der sich von

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſeine Vorfahren: endlich war Friede in ganz Europa. Es
war ſogar fuͤr ihn ſelbſt dringend, da die Franzoſen ein
Nationalconcilium zu verſammeln drohten, was leicht ein
Schisma nach ſich ziehen konnte. Die Wahrheit zu ſagen,
finde ich aber, daß er uͤberdieß auch allen guten Willen
dazu hatte. Man hoͤre, wie er ſich ausdruͤckt. „Wir wol-
len das Concilium,“ ſagt er, „wir wollen es gewiß, wir
wollen es allgemein. Wollten wir es nicht, ſo koͤnnten
wir die Welt Jahrelang mit den Schwierigkeiten hinhal-
ten, aber vielmehr ſuchen wir ſolche wegzuraͤumen. Es
ſoll reformiren was zu reformiren iſt: auch an unſerer Per-
ſon, in unſeren eigenen Sachen. Haben wir etwas an-
dres im Sinn, als Gott zu dienen, ſo mag Gott uns
zuͤchtigen.“ Oft ſcheint es ihm, als werde er von den Fuͤr-
ſten zu einem ſo großen Vorhaben nicht ſattſam unterſtuͤtzt.
Eines Morgens trifft ihn der venezianiſche Geſandte im
Bett, vom Podagra gelaͤhmt; er findet ihn voll von ſei-
nen Gedanken. „Wir haben gute Abſicht,“ ruft er aus,
„aber wir ſind allein.“ „Es kam mich ein Mitleid
an,“ ſpricht der Geſandte, „ihn in dem Bette zu ſehen
und ſagen zu hoͤren: wir ſind allein fuͤr eine ſo große
Laſt.“ Indeſſen ſetzte er die Sache doch ins Werk. Am
18. Januar 1562 waren ſo viel Biſchoͤfe und Abgeord-
nete in Trient beiſammen, daß man das zwei Mal unter-
brochene Concilium zum dritten Mal beginnen konnte. Der
Papſt hatte daran den groͤßten Antheil. „Gewiß,“ ſagt
Girolamo Soranzo, der ſonſt ſeine Partei nicht nimmt, „Seine
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[324/0350] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. ſeine Vorfahren: endlich war Friede in ganz Europa. Es war ſogar fuͤr ihn ſelbſt dringend, da die Franzoſen ein Nationalconcilium zu verſammeln drohten, was leicht ein Schisma nach ſich ziehen konnte. Die Wahrheit zu ſagen, finde ich aber, daß er uͤberdieß auch allen guten Willen dazu hatte. Man hoͤre, wie er ſich ausdruͤckt. „Wir wol- len das Concilium,“ ſagt er, „wir wollen es gewiß, wir wollen es allgemein. Wollten wir es nicht, ſo koͤnnten wir die Welt Jahrelang mit den Schwierigkeiten hinhal- ten, aber vielmehr ſuchen wir ſolche wegzuraͤumen. Es ſoll reformiren was zu reformiren iſt: auch an unſerer Per- ſon, in unſeren eigenen Sachen. Haben wir etwas an- dres im Sinn, als Gott zu dienen, ſo mag Gott uns zuͤchtigen.“ Oft ſcheint es ihm, als werde er von den Fuͤr- ſten zu einem ſo großen Vorhaben nicht ſattſam unterſtuͤtzt. Eines Morgens trifft ihn der venezianiſche Geſandte im Bett, vom Podagra gelaͤhmt; er findet ihn voll von ſei- nen Gedanken. „Wir haben gute Abſicht,“ ruft er aus, „aber wir ſind allein.“ „Es kam mich ein Mitleid an,“ ſpricht der Geſandte, „ihn in dem Bette zu ſehen und ſagen zu hoͤren: wir ſind allein fuͤr eine ſo große Laſt.“ Indeſſen ſetzte er die Sache doch ins Werk. Am 18. Januar 1562 waren ſo viel Biſchoͤfe und Abgeord- nete in Trient beiſammen, daß man das zwei Mal unter- brochene Concilium zum dritten Mal beginnen konnte. Der Papſt hatte daran den groͤßten Antheil. „Gewiß,“ ſagt Girolamo Soranzo, der ſonſt ſeine Partei nicht nimmt, „Seine Heiligkeit hat hierbei alle den Eifer bewieſen, der ſich von

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/350>, abgerufen am 28.04.2024.