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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Kirchlich politische Theorie.
innern Umwälzungen und mit dem Verluste ihrer Unab-
hängigkeit bedrohen.

Es waren hauptsächlich die Jesuiten, die auf dem
Kampfplatz erschienen, um Lehren dieser Art vorzutragen
und zu verfechten.

Zunächst nahmen sie eine unbeschränkte Oberhoheit der
Kirche über den Staat in Anspruch.

Mit einer gewissen Nothwendigkeit kamen sie darauf
in England, wo die Königin durch die Landesgesetze für das
Haupt der Kirche erklärt worden war. Eben diesem Grund-
satz begegneten die Häupter der katholischen Opposition mit
den schroffsten Anmaßungen von der andern Seite. Wilhelm
Allen erklärt es nicht allein für das Recht, sondern für die
Pflicht einer Nation, besonders wenn der Befehl des Pap-
stes hinzukomme, einem Fürsten, der von der katholischen
Kirche abgefallen, den Gehorsam zu versagen 1). Person
findet, es sey die Grundbedingung aller Macht eines Für-
sten, daß er den römisch-katholischen Glauben pflegen und
beschützen solle: dahin laute sein Taufgelübde, sein Krö-
nungseid: es würde Blindheit seyn, ihn auch alsdann noch
für thronfähig zu halten, wenn er diese Bedingung nicht
erfülle; vielmehr seyen die Unterthanen verbunden ihn in
einem solchen Falle zu verjagen 2). Natürlich! diese Au-

1) In der Schrift: Ad persecutores Anglos pro Christianis
responsio
(1582) bemerke ich folgende Stelle: Si reges deo et
dei populo fidem datam fregerint, vicissim populo non solum
permittitur, sed etiam ab eo requiritur ut jubente Christi vica-
rio, supremo nimirum populorum omnium pastore, ipse quoque
fidem datam tali principi non servet.
2) Andreae Philopatri (Personi) ad Elizabethae reginae

Kirchlich politiſche Theorie.
innern Umwaͤlzungen und mit dem Verluſte ihrer Unab-
haͤngigkeit bedrohen.

Es waren hauptſaͤchlich die Jeſuiten, die auf dem
Kampfplatz erſchienen, um Lehren dieſer Art vorzutragen
und zu verfechten.

Zunaͤchſt nahmen ſie eine unbeſchraͤnkte Oberhoheit der
Kirche uͤber den Staat in Anſpruch.

Mit einer gewiſſen Nothwendigkeit kamen ſie darauf
in England, wo die Koͤnigin durch die Landesgeſetze fuͤr das
Haupt der Kirche erklaͤrt worden war. Eben dieſem Grund-
ſatz begegneten die Haͤupter der katholiſchen Oppoſition mit
den ſchroffſten Anmaßungen von der andern Seite. Wilhelm
Allen erklaͤrt es nicht allein fuͤr das Recht, ſondern fuͤr die
Pflicht einer Nation, beſonders wenn der Befehl des Pap-
ſtes hinzukomme, einem Fuͤrſten, der von der katholiſchen
Kirche abgefallen, den Gehorſam zu verſagen 1). Perſon
findet, es ſey die Grundbedingung aller Macht eines Fuͤr-
ſten, daß er den roͤmiſch-katholiſchen Glauben pflegen und
beſchuͤtzen ſolle: dahin laute ſein Taufgeluͤbde, ſein Kroͤ-
nungseid: es wuͤrde Blindheit ſeyn, ihn auch alsdann noch
fuͤr thronfaͤhig zu halten, wenn er dieſe Bedingung nicht
erfuͤlle; vielmehr ſeyen die Unterthanen verbunden ihn in
einem ſolchen Falle zu verjagen 2). Natuͤrlich! dieſe Au-

1) In der Schrift: Ad persecutores Anglos pro Christianis
responsio
(1582) bemerke ich folgende Stelle: Si reges deo et
dei populo fidem datam fregerint, vicissim populo non solum
permittitur, sed etiam ab eo requiritur ut jubente Christi vica-
rio, supremo nimirum populorum omnium pastore, ipse quoque
fidem datam tali principi non servet.
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[181/0193] Kirchlich politiſche Theorie. innern Umwaͤlzungen und mit dem Verluſte ihrer Unab- haͤngigkeit bedrohen. Es waren hauptſaͤchlich die Jeſuiten, die auf dem Kampfplatz erſchienen, um Lehren dieſer Art vorzutragen und zu verfechten. Zunaͤchſt nahmen ſie eine unbeſchraͤnkte Oberhoheit der Kirche uͤber den Staat in Anſpruch. Mit einer gewiſſen Nothwendigkeit kamen ſie darauf in England, wo die Koͤnigin durch die Landesgeſetze fuͤr das Haupt der Kirche erklaͤrt worden war. Eben dieſem Grund- ſatz begegneten die Haͤupter der katholiſchen Oppoſition mit den ſchroffſten Anmaßungen von der andern Seite. Wilhelm Allen erklaͤrt es nicht allein fuͤr das Recht, ſondern fuͤr die Pflicht einer Nation, beſonders wenn der Befehl des Pap- ſtes hinzukomme, einem Fuͤrſten, der von der katholiſchen Kirche abgefallen, den Gehorſam zu verſagen 1). Perſon findet, es ſey die Grundbedingung aller Macht eines Fuͤr- ſten, daß er den roͤmiſch-katholiſchen Glauben pflegen und beſchuͤtzen ſolle: dahin laute ſein Taufgeluͤbde, ſein Kroͤ- nungseid: es wuͤrde Blindheit ſeyn, ihn auch alsdann noch fuͤr thronfaͤhig zu halten, wenn er dieſe Bedingung nicht erfuͤlle; vielmehr ſeyen die Unterthanen verbunden ihn in einem ſolchen Falle zu verjagen 2). Natuͤrlich! dieſe Au- 1) In der Schrift: Ad persecutores Anglos pro Christianis responsio (1582) bemerke ich folgende Stelle: Si reges deo et dei populo fidem datam fregerint, vicissim populo non solum permittitur, sed etiam ab eo requiritur ut jubente Christi vica- rio, supremo nimirum populorum omnium pastore, ipse quoque fidem datam tali principi non servet. 2) Andreae Philopatri (Personi) ad Elizabethae reginae

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/193>, abgerufen am 27.04.2024.