Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
tropfen vertheidigen: es werde ihm an seiner Religion und
Seligkeit nichts schaden: und so befestigte er seine Plätze
aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup-
penschaar rückte an die Grenzen des Kirchenstaates vor, und
wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu
erscheinen, wo man mit der päpstlichen Herrschaft unzu-
frieden sey nnd sich nur einen Anlaß wünsche sie zu stür-
zen. Ueberdieß hatte er das Glück, daß auch die benach-
barten italienischen Staaten für ihn Partei nahmen. Sein
Schwager, der Großherzog von Toscana, erklärte er
werde ihn nicht verlassen. Die Republik Venedig hinderte
den Papst in Dalmatien zu werben, und versagte ihm den
Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen
wollte. Die Vergrößerung des Kirchenstaates war Allen
von Herzen verhaßt.

Wäre Italien in einem Zustande gewesen wie hun-
dert Jahre früher, ziemlich unabhängig von fremden Ein-
wirkungen und auf sich selber angewiesen, so würde Cle-
mens VIII. wahrscheinlich nicht mehr ausgerichtet haben
als damals Sixtus IV: aber diese Zeiten waren vorüber:
jetzt kam alles auf die allgemeinen europäischen Verhältnisse
und die damaligen großen Mächte Frankreich und Spa-
nien an.

Die Neigungen der Spanier waren nun nicht sehr
zweifelhaft. Cesar d'Este hatte ein so großes Vertrauen auf
Philipp II, daß er ihn dem Papste zum Schiedsrichter vor-
schlug: ganz unumwunden erklärte sich der königliche Go-
vernator in Mailand für Cesar: er bot demselben spanische
Garnisonen für seine Plätze an. Nur war doch auch nicht

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
tropfen vertheidigen: es werde ihm an ſeiner Religion und
Seligkeit nichts ſchaden: und ſo befeſtigte er ſeine Plaͤtze
aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup-
penſchaar ruͤckte an die Grenzen des Kirchenſtaates vor, und
wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu
erſcheinen, wo man mit der paͤpſtlichen Herrſchaft unzu-
frieden ſey nnd ſich nur einen Anlaß wuͤnſche ſie zu ſtuͤr-
zen. Ueberdieß hatte er das Gluͤck, daß auch die benach-
barten italieniſchen Staaten fuͤr ihn Partei nahmen. Sein
Schwager, der Großherzog von Toscana, erklaͤrte er
werde ihn nicht verlaſſen. Die Republik Venedig hinderte
den Papſt in Dalmatien zu werben, und verſagte ihm den
Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen
wollte. Die Vergroͤßerung des Kirchenſtaates war Allen
von Herzen verhaßt.

Waͤre Italien in einem Zuſtande geweſen wie hun-
dert Jahre fruͤher, ziemlich unabhaͤngig von fremden Ein-
wirkungen und auf ſich ſelber angewieſen, ſo wuͤrde Cle-
mens VIII. wahrſcheinlich nicht mehr ausgerichtet haben
als damals Sixtus IV: aber dieſe Zeiten waren voruͤber:
jetzt kam alles auf die allgemeinen europaͤiſchen Verhaͤltniſſe
und die damaligen großen Maͤchte Frankreich und Spa-
nien an.

Die Neigungen der Spanier waren nun nicht ſehr
zweifelhaft. Ceſar d’Eſte hatte ein ſo großes Vertrauen auf
Philipp II, daß er ihn dem Papſte zum Schiedsrichter vor-
ſchlug: ganz unumwunden erklaͤrte ſich der koͤnigliche Go-
vernator in Mailand fuͤr Ceſar: er bot demſelben ſpaniſche
Garniſonen fuͤr ſeine Plaͤtze an. Nur war doch auch nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten.</hi></fw><lb/>
tropfen vertheidigen: es werde ihm an &#x017F;einer Religion und<lb/>
Seligkeit nichts &#x017F;chaden: und &#x017F;o befe&#x017F;tigte er &#x017F;eine Pla&#x0364;tze<lb/>
aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup-<lb/>
pen&#x017F;chaar ru&#x0364;ckte an die Grenzen des Kirchen&#x017F;taates vor, und<lb/>
wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu<lb/>
er&#x017F;cheinen, wo man mit der pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Herr&#x017F;chaft unzu-<lb/>
frieden &#x017F;ey nnd &#x017F;ich nur einen Anlaß wu&#x0364;n&#x017F;che &#x017F;ie zu &#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zen. Ueberdieß hatte er das Glu&#x0364;ck, daß auch die benach-<lb/>
barten italieni&#x017F;chen Staaten fu&#x0364;r ihn Partei nahmen. Sein<lb/>
Schwager, der Großherzog von Toscana, erkla&#x0364;rte er<lb/>
werde ihn nicht verla&#x017F;&#x017F;en. Die Republik Venedig hinderte<lb/>
den Pap&#x017F;t in Dalmatien zu werben, und ver&#x017F;agte ihm den<lb/>
Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen<lb/>
wollte. Die Vergro&#x0364;ßerung des Kirchen&#x017F;taates war Allen<lb/>
von Herzen verhaßt.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;re Italien in einem Zu&#x017F;tande gewe&#x017F;en wie hun-<lb/>
dert Jahre fru&#x0364;her, ziemlich unabha&#x0364;ngig von fremden Ein-<lb/>
wirkungen und auf &#x017F;ich &#x017F;elber angewie&#x017F;en, &#x017F;o wu&#x0364;rde Cle-<lb/>
mens <hi rendition="#aq">VIII.</hi> wahr&#x017F;cheinlich nicht mehr ausgerichtet haben<lb/>
als damals Sixtus <hi rendition="#aq">IV:</hi> aber die&#x017F;e Zeiten waren voru&#x0364;ber:<lb/>
jetzt kam alles auf die allgemeinen europa&#x0364;i&#x017F;chen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und die damaligen großen Ma&#x0364;chte Frankreich und Spa-<lb/>
nien an.</p><lb/>
          <p>Die Neigungen der Spanier waren nun nicht &#x017F;ehr<lb/>
zweifelhaft. Ce&#x017F;ar d&#x2019;E&#x017F;te hatte ein &#x017F;o großes Vertrauen auf<lb/>
Philipp <hi rendition="#aq">II</hi>, daß er ihn dem Pap&#x017F;te zum Schiedsrichter vor-<lb/>
&#x017F;chlug: ganz unumwunden erkla&#x0364;rte &#x017F;ich der ko&#x0364;nigliche Go-<lb/>
vernator in Mailand fu&#x0364;r Ce&#x017F;ar: er bot dem&#x017F;elben &#x017F;pani&#x017F;che<lb/>
Garni&#x017F;onen fu&#x0364;r &#x017F;eine Pla&#x0364;tze an. Nur war doch auch nicht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0282] Buch VI. Innere Streitigkeiten. tropfen vertheidigen: es werde ihm an ſeiner Religion und Seligkeit nichts ſchaden: und ſo befeſtigte er ſeine Plaͤtze aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup- penſchaar ruͤckte an die Grenzen des Kirchenſtaates vor, und wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu erſcheinen, wo man mit der paͤpſtlichen Herrſchaft unzu- frieden ſey nnd ſich nur einen Anlaß wuͤnſche ſie zu ſtuͤr- zen. Ueberdieß hatte er das Gluͤck, daß auch die benach- barten italieniſchen Staaten fuͤr ihn Partei nahmen. Sein Schwager, der Großherzog von Toscana, erklaͤrte er werde ihn nicht verlaſſen. Die Republik Venedig hinderte den Papſt in Dalmatien zu werben, und verſagte ihm den Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen wollte. Die Vergroͤßerung des Kirchenſtaates war Allen von Herzen verhaßt. Waͤre Italien in einem Zuſtande geweſen wie hun- dert Jahre fruͤher, ziemlich unabhaͤngig von fremden Ein- wirkungen und auf ſich ſelber angewieſen, ſo wuͤrde Cle- mens VIII. wahrſcheinlich nicht mehr ausgerichtet haben als damals Sixtus IV: aber dieſe Zeiten waren voruͤber: jetzt kam alles auf die allgemeinen europaͤiſchen Verhaͤltniſſe und die damaligen großen Maͤchte Frankreich und Spa- nien an. Die Neigungen der Spanier waren nun nicht ſehr zweifelhaft. Ceſar d’Eſte hatte ein ſo großes Vertrauen auf Philipp II, daß er ihn dem Papſte zum Schiedsrichter vor- ſchlug: ganz unumwunden erklaͤrte ſich der koͤnigliche Go- vernator in Mailand fuͤr Ceſar: er bot demſelben ſpaniſche Garniſonen fuͤr ſeine Plaͤtze an. Nur war doch auch nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/282
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/282>, abgerufen am 03.05.2024.