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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
von denen er keine Ahndung hatte, und die den römischen
Hof mit Schmach bedeckten 1). Es gibt nichts Schmerz-
licheres als wenn man liest, der Bruder Alexanders VII
Don Mario sey unter andern dadurch reich geworden, daß
er die Gerechtigkeit im Borgo verwaltete.

Denn leider war auch die Rechtspflege von dieser
Seuche ergriffen.

Wir haben ein Verzeichniß der Mißbräuche die an
dem Gerichtshofe der Rota eingerissen, das dem Papst
Alexander von einem Manne übergeben wurde der 28 Jahr
an demselben gearbeitet hatte 2). Er rechnet, daß es kei-
nen Auditor di Rota gebe der zu Weihnachten nicht an
500 Sc. Geschenke erhalte. Wer an die Person des Audi-
tore selbst nicht zu kommen vermochte, wußte doch an seine
Verwandten, Gehülfen, Diener zu gelangen.

Nicht minder verderblich aber wirkten die Empfehlun-
gen des Hofes oder der Großen. Die Richter haben sich
zuweilen bei den Parteien selbst über das ungerechte Ur-
theil entschuldigt, das sie ausgesprochen: sie erklärten, die
Gerechtigkeit erleide Gewalt.

Was konnte dieß nun für eine Rechtspflege geben.
Vier Monat hatte man Ferien: auch in den übrigen war
das Leben zerstreuend, aufreibend: die Urtel verzogen sich

1) Pallavicini sucht es damit zu entschuldigen, weil die Verfü-
gungen der Dataria geschrieben worden "di carattere francese,
come e restato in uso della dataria dapoi che la sedia fu in
Avignone",
was denn der Papst nicht gern las.
2) Disordini che occorrono nel supremo tribunale della rota
nella corte Romana e gli ordini con i quali si potrebbe rifor-
mare, scrittura fatta da un avvocato da presentarsi alla Sta di
N. Sre Alessandro VII. MS. Rang.
zu Wien no 23.

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
von denen er keine Ahndung hatte, und die den roͤmiſchen
Hof mit Schmach bedeckten 1). Es gibt nichts Schmerz-
licheres als wenn man lieſt, der Bruder Alexanders VII
Don Mario ſey unter andern dadurch reich geworden, daß
er die Gerechtigkeit im Borgo verwaltete.

Denn leider war auch die Rechtspflege von dieſer
Seuche ergriffen.

Wir haben ein Verzeichniß der Mißbraͤuche die an
dem Gerichtshofe der Rota eingeriſſen, das dem Papſt
Alexander von einem Manne uͤbergeben wurde der 28 Jahr
an demſelben gearbeitet hatte 2). Er rechnet, daß es kei-
nen Auditor di Rota gebe der zu Weihnachten nicht an
500 Sc. Geſchenke erhalte. Wer an die Perſon des Audi-
tore ſelbſt nicht zu kommen vermochte, wußte doch an ſeine
Verwandten, Gehuͤlfen, Diener zu gelangen.

Nicht minder verderblich aber wirkten die Empfehlun-
gen des Hofes oder der Großen. Die Richter haben ſich
zuweilen bei den Parteien ſelbſt uͤber das ungerechte Ur-
theil entſchuldigt, das ſie ausgeſprochen: ſie erklaͤrten, die
Gerechtigkeit erleide Gewalt.

Was konnte dieß nun fuͤr eine Rechtspflege geben.
Vier Monat hatte man Ferien: auch in den uͤbrigen war
das Leben zerſtreuend, aufreibend: die Urtel verzogen ſich

1) Pallavicini ſucht es damit zu entſchuldigen, weil die Verfuͤ-
gungen der Dataria geſchrieben worden „di carattere francese,
come è restato in uso della dataria dapoi che la sedia fu in
Avignone“,
was denn der Papſt nicht gern las.
2) Disordini che occorrono nel supremo tribunale della rota
nella corte Romana e gli ordini con i quali si potrebbe rifor-
mare, scrittura fatta da un avvocato da presentarsi alla S di
N. Sre Alessandro VII. MS. Rang.
zu Wien no 23.
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[114/0126] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. von denen er keine Ahndung hatte, und die den roͤmiſchen Hof mit Schmach bedeckten 1). Es gibt nichts Schmerz- licheres als wenn man lieſt, der Bruder Alexanders VII Don Mario ſey unter andern dadurch reich geworden, daß er die Gerechtigkeit im Borgo verwaltete. Denn leider war auch die Rechtspflege von dieſer Seuche ergriffen. Wir haben ein Verzeichniß der Mißbraͤuche die an dem Gerichtshofe der Rota eingeriſſen, das dem Papſt Alexander von einem Manne uͤbergeben wurde der 28 Jahr an demſelben gearbeitet hatte 2). Er rechnet, daß es kei- nen Auditor di Rota gebe der zu Weihnachten nicht an 500 Sc. Geſchenke erhalte. Wer an die Perſon des Audi- tore ſelbſt nicht zu kommen vermochte, wußte doch an ſeine Verwandten, Gehuͤlfen, Diener zu gelangen. Nicht minder verderblich aber wirkten die Empfehlun- gen des Hofes oder der Großen. Die Richter haben ſich zuweilen bei den Parteien ſelbſt uͤber das ungerechte Ur- theil entſchuldigt, das ſie ausgeſprochen: ſie erklaͤrten, die Gerechtigkeit erleide Gewalt. Was konnte dieß nun fuͤr eine Rechtspflege geben. Vier Monat hatte man Ferien: auch in den uͤbrigen war das Leben zerſtreuend, aufreibend: die Urtel verzogen ſich 1) Pallavicini ſucht es damit zu entſchuldigen, weil die Verfuͤ- gungen der Dataria geſchrieben worden „di carattere francese, come è restato in uso della dataria dapoi che la sedia fu in Avignone“, was denn der Papſt nicht gern las. 2) Disordini che occorrono nel supremo tribunale della rota nella corte Romana e gli ordini con i quali si potrebbe rifor- mare, scrittura fatta da un avvocato da presentarsi alla Stà di N. Sre Alessandro VII. MS. Rang. zu Wien no 23.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/126>, abgerufen am 15.05.2024.