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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
überdieß eine Frage über die Grenzen der päpstlichen Ge-
walt hinzu; in ihrer unleugbaren Opposition gegen den
römischen Stuhl wußten sich die Jansenisten doch noch
immer als gute Katholiken zu behaupten.

Auch war diese Partei nun gar nicht mehr zu besei-
tigen. Zuweilen machte man von Seiten der Krone An-
stalt dazu; es wurden Formulare im Sinne der Verdam-
mungsbulle erlassen, die von allen geistlichen Personen un-
terschrieben werden sollten, selbst den Schulmeistern, selbst
den Nonnen. Die Jansenisten sträubten sich nicht, die fünf
Sätze zu verdammen, die wie gesagt auch eine heterodoxe
Auslegung zuließen, sie weigerten sich nur, durch eine un-
bedingte Unterschrift anzuerkennen, daß sie in Jansenius
enthalten, daß dieß die Lehren ihres Meisters seyen: keine
Verfolgung konnte sie dazu bewegen. Ihre Standhaftig-
keit bewirkte, daß ihre Anzahl, ihr Credit von Tage zu
Tage zunahm: schon fanden sich auch unter den Bischöfen
zahlreiche Verfechter ihrer Meinung 1).

Um die Ruhe wenigstens äußerlich herzustellen, mußte
sich Clemens IX. im Jahre 1668 mit einer Unterschrift
zufrieden erklären, wie auch ein Jansenist sie leisten konnte.
Er begnügte sich mit einer Verdammung der fünf Sätze
im Allgemeinen, ohne darauf zu bestehn, daß sie von
Jansenius wirklich gelehrt worden seyen 2). In der That

1) Schreiben von 19 Bischöfen an den Papst 1667 1. Dec.
Novum et inauditum apud nos nonnulli dogma procuderunt, ec-
clesiae nempe decretis quibus quotidiana nec revelata divinitus
facta deciduntur, certam et infallibilem constare veritatem.
Dieß ist
doch eigentlich die anerkannte Auslegung der Frage von droit und fait.
2) Das letzte Formular Alexanders VII. (15. Febr. 1665)

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
uͤberdieß eine Frage uͤber die Grenzen der paͤpſtlichen Ge-
walt hinzu; in ihrer unleugbaren Oppoſition gegen den
roͤmiſchen Stuhl wußten ſich die Janſeniſten doch noch
immer als gute Katholiken zu behaupten.

Auch war dieſe Partei nun gar nicht mehr zu beſei-
tigen. Zuweilen machte man von Seiten der Krone An-
ſtalt dazu; es wurden Formulare im Sinne der Verdam-
mungsbulle erlaſſen, die von allen geiſtlichen Perſonen un-
terſchrieben werden ſollten, ſelbſt den Schulmeiſtern, ſelbſt
den Nonnen. Die Janſeniſten ſtraͤubten ſich nicht, die fuͤnf
Saͤtze zu verdammen, die wie geſagt auch eine heterodoxe
Auslegung zuließen, ſie weigerten ſich nur, durch eine un-
bedingte Unterſchrift anzuerkennen, daß ſie in Janſenius
enthalten, daß dieß die Lehren ihres Meiſters ſeyen: keine
Verfolgung konnte ſie dazu bewegen. Ihre Standhaftig-
keit bewirkte, daß ihre Anzahl, ihr Credit von Tage zu
Tage zunahm: ſchon fanden ſich auch unter den Biſchoͤfen
zahlreiche Verfechter ihrer Meinung 1).

Um die Ruhe wenigſtens aͤußerlich herzuſtellen, mußte
ſich Clemens IX. im Jahre 1668 mit einer Unterſchrift
zufrieden erklaͤren, wie auch ein Janſeniſt ſie leiſten konnte.
Er begnuͤgte ſich mit einer Verdammung der fuͤnf Saͤtze
im Allgemeinen, ohne darauf zu beſtehn, daß ſie von
Janſenius wirklich gelehrt worden ſeyen 2). In der That

1) Schreiben von 19 Biſchoͤfen an den Papſt 1667 1. Dec.
Novum et inauditum apud nos nonnulli dogma procuderunt, ec-
clesiae nempe decretis quibus quotidiana nec revelata divinitus
facta deciduntur, certam et infallibilem constare veritatem.
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doch eigentlich die anerkannte Auslegung der Frage von droit und fait.
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[150/0162] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. uͤberdieß eine Frage uͤber die Grenzen der paͤpſtlichen Ge- walt hinzu; in ihrer unleugbaren Oppoſition gegen den roͤmiſchen Stuhl wußten ſich die Janſeniſten doch noch immer als gute Katholiken zu behaupten. Auch war dieſe Partei nun gar nicht mehr zu beſei- tigen. Zuweilen machte man von Seiten der Krone An- ſtalt dazu; es wurden Formulare im Sinne der Verdam- mungsbulle erlaſſen, die von allen geiſtlichen Perſonen un- terſchrieben werden ſollten, ſelbſt den Schulmeiſtern, ſelbſt den Nonnen. Die Janſeniſten ſtraͤubten ſich nicht, die fuͤnf Saͤtze zu verdammen, die wie geſagt auch eine heterodoxe Auslegung zuließen, ſie weigerten ſich nur, durch eine un- bedingte Unterſchrift anzuerkennen, daß ſie in Janſenius enthalten, daß dieß die Lehren ihres Meiſters ſeyen: keine Verfolgung konnte ſie dazu bewegen. Ihre Standhaftig- keit bewirkte, daß ihre Anzahl, ihr Credit von Tage zu Tage zunahm: ſchon fanden ſich auch unter den Biſchoͤfen zahlreiche Verfechter ihrer Meinung 1). Um die Ruhe wenigſtens aͤußerlich herzuſtellen, mußte ſich Clemens IX. im Jahre 1668 mit einer Unterſchrift zufrieden erklaͤren, wie auch ein Janſeniſt ſie leiſten konnte. Er begnuͤgte ſich mit einer Verdammung der fuͤnf Saͤtze im Allgemeinen, ohne darauf zu beſtehn, daß ſie von Janſenius wirklich gelehrt worden ſeyen 2). In der That 1) Schreiben von 19 Biſchoͤfen an den Papſt 1667 1. Dec. Novum et inauditum apud nos nonnulli dogma procuderunt, ec- clesiae nempe decretis quibus quotidiana nec revelata divinitus facta deciduntur, certam et infallibilem constare veritatem. Dieß iſt doch eigentlich die anerkannte Auslegung der Frage von droit und fait. 2) Das letzte Formular Alexanders VII. (15. Febr. 1665)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/162>, abgerufen am 14.05.2024.