Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
und das freilich weder der Christenheit noch dem Staate,
auch nicht der Stadt, sondern das allein den Familien der
Päpste zu Gute kam.

Es hatte sich überhaupt eingeführt, und hängt mit der
Stellung des Priesterstandes zu einer sehr entwickelten Fa-
milienverfassung zusammen, daß der Ueberschuß der geistli-
chen Einkünfte in der Regel den Verwandten eines Jeden
zu Theil wurde.

Die Päpste waren durch Bullen verhindert ihren An-
gehörigen, wie sie früher versucht, Fürstenthümer zu ver-
leihen: dagegen ließen sie es sich um so angelegener seyn,
denselben durch Reichthümer und festen Besitz ein erbliches
Ansehen zu verschaffen.

Sie verfuhren hiebei nicht ohne eine scheinbare Recht-
fertigung. Sie gingen davon aus, daß sie durch kein Ge-
lübde zur Armuth verpflichtet seyen: indem sie nun schlos-
sen, daß sie den Ueberschuß der Früchte des geistlichen Am-
tes als ihr Eigenthum ansehen dürften, glaubten sie zu-
gleich das Recht zu haben ihren Verwandten mit diesem
Ueberschuß ein Geschenk zu machen.

Bei weitem mehr aber als diese rationellen Gründe
wirkten hiebei Herkommen und Blut, und die natürliche
Neigung des Menschen eine Stiftung nach seinem Tode
zurückzulassen.

Der Erste der die Form fand, an welche darnach
die Andern sich hielten, war Sixtus V.

Den einen seiner Pronepoten erhob er zum Cardi-
nal, ließ ihn Antheil an den Geschäften nehmen, und gab
ihm ein kirchliches Einkommen von 100000 Sc. -- den

an-

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
und das freilich weder der Chriſtenheit noch dem Staate,
auch nicht der Stadt, ſondern das allein den Familien der
Paͤpſte zu Gute kam.

Es hatte ſich uͤberhaupt eingefuͤhrt, und haͤngt mit der
Stellung des Prieſterſtandes zu einer ſehr entwickelten Fa-
milienverfaſſung zuſammen, daß der Ueberſchuß der geiſtli-
chen Einkuͤnfte in der Regel den Verwandten eines Jeden
zu Theil wurde.

Die Paͤpſte waren durch Bullen verhindert ihren An-
gehoͤrigen, wie ſie fruͤher verſucht, Fuͤrſtenthuͤmer zu ver-
leihen: dagegen ließen ſie es ſich um ſo angelegener ſeyn,
denſelben durch Reichthuͤmer und feſten Beſitz ein erbliches
Anſehen zu verſchaffen.

Sie verfuhren hiebei nicht ohne eine ſcheinbare Recht-
fertigung. Sie gingen davon aus, daß ſie durch kein Ge-
luͤbde zur Armuth verpflichtet ſeyen: indem ſie nun ſchloſ-
ſen, daß ſie den Ueberſchuß der Fruͤchte des geiſtlichen Am-
tes als ihr Eigenthum anſehen duͤrften, glaubten ſie zu-
gleich das Recht zu haben ihren Verwandten mit dieſem
Ueberſchuß ein Geſchenk zu machen.

Bei weitem mehr aber als dieſe rationellen Gruͤnde
wirkten hiebei Herkommen und Blut, und die natuͤrliche
Neigung des Menſchen eine Stiftung nach ſeinem Tode
zuruͤckzulaſſen.

Der Erſte der die Form fand, an welche darnach
die Andern ſich hielten, war Sixtus V.

Den einen ſeiner Pronepoten erhob er zum Cardi-
nal, ließ ihn Antheil an den Geſchaͤften nehmen, und gab
ihm ein kirchliches Einkommen von 100000 Sc. — den

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 17. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
und das freilich weder der Chri&#x017F;tenheit noch dem Staate,<lb/>
auch nicht der Stadt, &#x017F;ondern das allein den Familien der<lb/>
Pa&#x0364;p&#x017F;te zu Gute kam.</p><lb/>
          <p>Es hatte &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt eingefu&#x0364;hrt, und ha&#x0364;ngt mit der<lb/>
Stellung des Prie&#x017F;ter&#x017F;tandes zu einer &#x017F;ehr entwickelten Fa-<lb/>
milienverfa&#x017F;&#x017F;ung zu&#x017F;ammen, daß der Ueber&#x017F;chuß der gei&#x017F;tli-<lb/>
chen Einku&#x0364;nfte in der Regel den Verwandten eines Jeden<lb/>
zu Theil wurde.</p><lb/>
          <p>Die Pa&#x0364;p&#x017F;te waren durch Bullen verhindert ihren An-<lb/>
geho&#x0364;rigen, wie &#x017F;ie fru&#x0364;her ver&#x017F;ucht, Fu&#x0364;r&#x017F;tenthu&#x0364;mer zu ver-<lb/>
leihen: dagegen ließen &#x017F;ie es &#x017F;ich um &#x017F;o angelegener &#x017F;eyn,<lb/>
den&#x017F;elben durch Reichthu&#x0364;mer und fe&#x017F;ten Be&#x017F;itz ein erbliches<lb/>
An&#x017F;ehen zu ver&#x017F;chaffen.</p><lb/>
          <p>Sie verfuhren hiebei nicht ohne eine &#x017F;cheinbare Recht-<lb/>
fertigung. Sie gingen davon aus, daß &#x017F;ie durch kein Ge-<lb/>
lu&#x0364;bde zur Armuth verpflichtet &#x017F;eyen: indem &#x017F;ie nun &#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß &#x017F;ie den Ueber&#x017F;chuß der Fru&#x0364;chte des gei&#x017F;tlichen Am-<lb/>
tes als ihr Eigenthum an&#x017F;ehen du&#x0364;rften, glaubten &#x017F;ie zu-<lb/>
gleich das Recht zu haben ihren Verwandten mit die&#x017F;em<lb/>
Ueber&#x017F;chuß ein Ge&#x017F;chenk zu machen.</p><lb/>
          <p>Bei weitem mehr aber als die&#x017F;e rationellen Gru&#x0364;nde<lb/>
wirkten hiebei Herkommen und Blut, und die natu&#x0364;rliche<lb/>
Neigung des Men&#x017F;chen eine Stiftung nach &#x017F;einem Tode<lb/>
zuru&#x0364;ckzula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Der Er&#x017F;te der die Form fand, an welche darnach<lb/>
die Andern &#x017F;ich hielten, war Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi></p><lb/>
          <p>Den einen &#x017F;einer Pronepoten erhob er zum Cardi-<lb/>
nal, ließ ihn Antheil an den Ge&#x017F;cha&#x0364;ften nehmen, und gab<lb/>
ihm ein kirchliches Einkommen von 100000 Sc. &#x2014; den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0028] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. und das freilich weder der Chriſtenheit noch dem Staate, auch nicht der Stadt, ſondern das allein den Familien der Paͤpſte zu Gute kam. Es hatte ſich uͤberhaupt eingefuͤhrt, und haͤngt mit der Stellung des Prieſterſtandes zu einer ſehr entwickelten Fa- milienverfaſſung zuſammen, daß der Ueberſchuß der geiſtli- chen Einkuͤnfte in der Regel den Verwandten eines Jeden zu Theil wurde. Die Paͤpſte waren durch Bullen verhindert ihren An- gehoͤrigen, wie ſie fruͤher verſucht, Fuͤrſtenthuͤmer zu ver- leihen: dagegen ließen ſie es ſich um ſo angelegener ſeyn, denſelben durch Reichthuͤmer und feſten Beſitz ein erbliches Anſehen zu verſchaffen. Sie verfuhren hiebei nicht ohne eine ſcheinbare Recht- fertigung. Sie gingen davon aus, daß ſie durch kein Ge- luͤbde zur Armuth verpflichtet ſeyen: indem ſie nun ſchloſ- ſen, daß ſie den Ueberſchuß der Fruͤchte des geiſtlichen Am- tes als ihr Eigenthum anſehen duͤrften, glaubten ſie zu- gleich das Recht zu haben ihren Verwandten mit dieſem Ueberſchuß ein Geſchenk zu machen. Bei weitem mehr aber als dieſe rationellen Gruͤnde wirkten hiebei Herkommen und Blut, und die natuͤrliche Neigung des Menſchen eine Stiftung nach ſeinem Tode zuruͤckzulaſſen. Der Erſte der die Form fand, an welche darnach die Andern ſich hielten, war Sixtus V. Den einen ſeiner Pronepoten erhob er zum Cardi- nal, ließ ihn Antheil an den Geſchaͤften nehmen, und gab ihm ein kirchliches Einkommen von 100000 Sc. — den an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/28
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/28>, abgerufen am 28.04.2024.