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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Carolingische Zeiten.
Sie brachten seinen Truppen die erste bedeutende Niederlage
bei, auf dem Rieß, durch welche die Absonderung Deutsch-
lands von der großen Monarchie begründet ward. 1 Lo-
thar trotzte auf seine von der Geistlichkeit anerkannten An-
sprüche; die Deutschen, mit den Südfranzosen vereinigt,
forderten ihn auf sich dem Gottesurtheil einer Feldschlacht
zu unterwerfen. Da trennte sich der große Heerbann des
Frankenreiches in zwei feindselige Massen, die eine mit
überwiegend romanischen, die andere mit überwiegend ger-
manischen Bestandtheilen. Jene verfocht die Einheit des
Reiches, diese forderte nach ihren deutschen Begriffen die
Trennung. Wir haben ein Lied über die Schlacht von
Fontenay übrig, in welchem ein Mitkämpfer seinen Schmerz
über diesen blutigen Bürger- und Bruderkrieg ausdrückt,
"über diese bittere Nacht, in der die Tapfern gefallen, die
Kundigen der Schlachten;" für die Zukunft des Abendlan-
des war sie entscheidend. 2 Das Gottesurtheil trug den
Sieg davon über den Ausspruch der Geistlichkeit: es ka-
men nun wirklich drei Reiche zu Stande statt des einen.

Die weltlich germanischen Grundsätze, die seit der Völ-
kerwanderung ihre Analogien tief in die romanische Welt
erstreckten, behielten den Platz: auch in den nachfolgenden
Irrungen wurden sie festgehalten.

Als von den drei Linien zuerst eben die abgieng, auf
welche die Einheit hatte gegründet werden sollen, kam es

1 In Retiense. (Annales Ruodolfi Fuldensis. Monumenta
Germaniae hist. I, p. 362.)
Nach Lang Baier. Gauen p. 78 zu
Schwaben gehörig.
2 Angilbertus: de bella quae fuit Fontaneto.

Carolingiſche Zeiten.
Sie brachten ſeinen Truppen die erſte bedeutende Niederlage
bei, auf dem Rieß, durch welche die Abſonderung Deutſch-
lands von der großen Monarchie begründet ward. 1 Lo-
thar trotzte auf ſeine von der Geiſtlichkeit anerkannten An-
ſprüche; die Deutſchen, mit den Südfranzoſen vereinigt,
forderten ihn auf ſich dem Gottesurtheil einer Feldſchlacht
zu unterwerfen. Da trennte ſich der große Heerbann des
Frankenreiches in zwei feindſelige Maſſen, die eine mit
überwiegend romaniſchen, die andere mit überwiegend ger-
maniſchen Beſtandtheilen. Jene verfocht die Einheit des
Reiches, dieſe forderte nach ihren deutſchen Begriffen die
Trennung. Wir haben ein Lied über die Schlacht von
Fontenay übrig, in welchem ein Mitkämpfer ſeinen Schmerz
über dieſen blutigen Bürger- und Bruderkrieg ausdrückt,
„über dieſe bittere Nacht, in der die Tapfern gefallen, die
Kundigen der Schlachten;“ für die Zukunft des Abendlan-
des war ſie entſcheidend. 2 Das Gottesurtheil trug den
Sieg davon über den Ausſpruch der Geiſtlichkeit: es ka-
men nun wirklich drei Reiche zu Stande ſtatt des einen.

Die weltlich germaniſchen Grundſätze, die ſeit der Völ-
kerwanderung ihre Analogien tief in die romaniſche Welt
erſtreckten, behielten den Platz: auch in den nachfolgenden
Irrungen wurden ſie feſtgehalten.

Als von den drei Linien zuerſt eben die abgieng, auf
welche die Einheit hatte gegründet werden ſollen, kam es

1 In Retiense. (Annales Ruodolfi Fuldensis. Monumenta
Germaniae hist. I, p. 362.)
Nach Lang Baier. Gauen p. 78 zu
Schwaben gehoͤrig.
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[15/0033] Carolingiſche Zeiten. Sie brachten ſeinen Truppen die erſte bedeutende Niederlage bei, auf dem Rieß, durch welche die Abſonderung Deutſch- lands von der großen Monarchie begründet ward. 1 Lo- thar trotzte auf ſeine von der Geiſtlichkeit anerkannten An- ſprüche; die Deutſchen, mit den Südfranzoſen vereinigt, forderten ihn auf ſich dem Gottesurtheil einer Feldſchlacht zu unterwerfen. Da trennte ſich der große Heerbann des Frankenreiches in zwei feindſelige Maſſen, die eine mit überwiegend romaniſchen, die andere mit überwiegend ger- maniſchen Beſtandtheilen. Jene verfocht die Einheit des Reiches, dieſe forderte nach ihren deutſchen Begriffen die Trennung. Wir haben ein Lied über die Schlacht von Fontenay übrig, in welchem ein Mitkämpfer ſeinen Schmerz über dieſen blutigen Bürger- und Bruderkrieg ausdrückt, „über dieſe bittere Nacht, in der die Tapfern gefallen, die Kundigen der Schlachten;“ für die Zukunft des Abendlan- des war ſie entſcheidend. 2 Das Gottesurtheil trug den Sieg davon über den Ausſpruch der Geiſtlichkeit: es ka- men nun wirklich drei Reiche zu Stande ſtatt des einen. Die weltlich germaniſchen Grundſätze, die ſeit der Völ- kerwanderung ihre Analogien tief in die romaniſche Welt erſtreckten, behielten den Platz: auch in den nachfolgenden Irrungen wurden ſie feſtgehalten. Als von den drei Linien zuerſt eben die abgieng, auf welche die Einheit hatte gegründet werden ſollen, kam es 1 In Retiense. (Annales Ruodolfi Fuldensis. Monumenta Germaniae hist. I, p. 362.) Nach Lang Baier. Gauen p. 78 zu Schwaben gehoͤrig. 2 Angilbertus: de bella quae fuit Fontaneto.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/33>, abgerufen am 27.04.2024.