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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Sächsische und fränkische Kaiser.
thum erneuerte die cultivirenden christianisirenden Tenden-
zen Carl Martells und Carls des Großen: Otto der Große
gab denselben dadurch eine neue nationale Bedeutung, daß
er mit der Ausbreitung des Christenthums in slawischen
Ländern zugleich deutsche Colonien in denselben pflanzte, die
bezwungenen Völkerschaften zugleich bekehrte und germani-
sirte. Die Eroberungen seines Vaters an Saale und Elbe
befestigte er durch die Errichtung der meißnisch-osterländi-
schen Bisthümer; nachdem er dann selber in langen und
gefährlichen Kriegszügen die Stämme jenseit der Elbe be-
siegt hatte, richtete er auch hier drei Bisthümer ein, durch
welche die Bekehrung für den Augenblick außerordentlich
rasche Fortschritte machte; 1 in der Mitte seiner italieni-
schen Verwickelungen verlor er doch diesen großen Gesichts-
punct nie aus den Augen: eben von dort aus hat er das
Erzbisthum Magdeburg gegründet, das alle diese Stiftun-
gen umfaßte. Und wo dann an ein eigentliches Germa-
nisiren nicht gedacht werden konnte, ward durch diese Wirk-
samkeit wenigstens das Übergewicht des deutschen Namens
befestigt. In Böhmen und Polen entstanden Bisthümer
unter deutschen Metropolitanen: von Hamburg aus machte
sich das Christenthum Bahn in dem Norden: die Passauer
Missionarien durchzogen Ungern: es ist nicht unwahrschein-
lich, daß dieß großartige Bemühen bis nach Rußland wirkte.
Das deutsche Kaiserthum war der Mittelpunct der fort-
schreitenden Religion: es breitete den kriegerisch-priesterli-
chen Staat, der zugleich die Kirche war, vor sich her aus:
in ihm hauptsächlich erschien die Einheit der abendländischen

1 Adamus Brem. Histor. ecclestiastica lib. II, c. 17.

Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer.
thum erneuerte die cultivirenden chriſtianiſirenden Tenden-
zen Carl Martells und Carls des Großen: Otto der Große
gab denſelben dadurch eine neue nationale Bedeutung, daß
er mit der Ausbreitung des Chriſtenthums in ſlawiſchen
Ländern zugleich deutſche Colonien in denſelben pflanzte, die
bezwungenen Völkerſchaften zugleich bekehrte und germani-
ſirte. Die Eroberungen ſeines Vaters an Saale und Elbe
befeſtigte er durch die Errichtung der meißniſch-oſterländi-
ſchen Bisthümer; nachdem er dann ſelber in langen und
gefährlichen Kriegszügen die Stämme jenſeit der Elbe be-
ſiegt hatte, richtete er auch hier drei Bisthümer ein, durch
welche die Bekehrung für den Augenblick außerordentlich
raſche Fortſchritte machte; 1 in der Mitte ſeiner italieni-
ſchen Verwickelungen verlor er doch dieſen großen Geſichts-
punct nie aus den Augen: eben von dort aus hat er das
Erzbisthum Magdeburg gegründet, das alle dieſe Stiftun-
gen umfaßte. Und wo dann an ein eigentliches Germa-
niſiren nicht gedacht werden konnte, ward durch dieſe Wirk-
ſamkeit wenigſtens das Übergewicht des deutſchen Namens
befeſtigt. In Böhmen und Polen entſtanden Bisthümer
unter deutſchen Metropolitanen: von Hamburg aus machte
ſich das Chriſtenthum Bahn in dem Norden: die Paſſauer
Miſſionarien durchzogen Ungern: es iſt nicht unwahrſchein-
lich, daß dieß großartige Bemühen bis nach Rußland wirkte.
Das deutſche Kaiſerthum war der Mittelpunct der fort-
ſchreitenden Religion: es breitete den kriegeriſch-prieſterli-
chen Staat, der zugleich die Kirche war, vor ſich her aus:
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[23/0041] Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer. thum erneuerte die cultivirenden chriſtianiſirenden Tenden- zen Carl Martells und Carls des Großen: Otto der Große gab denſelben dadurch eine neue nationale Bedeutung, daß er mit der Ausbreitung des Chriſtenthums in ſlawiſchen Ländern zugleich deutſche Colonien in denſelben pflanzte, die bezwungenen Völkerſchaften zugleich bekehrte und germani- ſirte. Die Eroberungen ſeines Vaters an Saale und Elbe befeſtigte er durch die Errichtung der meißniſch-oſterländi- ſchen Bisthümer; nachdem er dann ſelber in langen und gefährlichen Kriegszügen die Stämme jenſeit der Elbe be- ſiegt hatte, richtete er auch hier drei Bisthümer ein, durch welche die Bekehrung für den Augenblick außerordentlich raſche Fortſchritte machte; 1 in der Mitte ſeiner italieni- ſchen Verwickelungen verlor er doch dieſen großen Geſichts- punct nie aus den Augen: eben von dort aus hat er das Erzbisthum Magdeburg gegründet, das alle dieſe Stiftun- gen umfaßte. Und wo dann an ein eigentliches Germa- niſiren nicht gedacht werden konnte, ward durch dieſe Wirk- ſamkeit wenigſtens das Übergewicht des deutſchen Namens befeſtigt. In Böhmen und Polen entſtanden Bisthümer unter deutſchen Metropolitanen: von Hamburg aus machte ſich das Chriſtenthum Bahn in dem Norden: die Paſſauer Miſſionarien durchzogen Ungern: es iſt nicht unwahrſchein- lich, daß dieß großartige Bemühen bis nach Rußland wirkte. Das deutſche Kaiſerthum war der Mittelpunct der fort- ſchreitenden Religion: es breitete den kriegeriſch-prieſterli- chen Staat, der zugleich die Kirche war, vor ſich her aus: in ihm hauptſächlich erſchien die Einheit der abendländiſchen 1 Adamus Brem. Histor. ecclestiastica lib. II, c. 17.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/41>, abgerufen am 27.04.2024.