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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Sächsische und fränkische Kaiser.
den es gerathen, mit den Bischöfen zu regieren, sie zu
Werkzeugen ihres Willens zu machen. Bei der nicht mehr
zurückzuhaltenden allgemeinen Tendenz aller Beamtung zur
Erblichkeit mußte es ihnen als ein Vortheil erscheinen, welt-
liche Rechte mit den Bisthümern zu vereinigen über welche
ihnen eine freie Disposition zustand. Die Bischöfe waren
zugleich ihre Kanzler und Räthe, die Klöster kaiserliche
Meierhöfe. Daher kam es, daß eben in den Zeiten wo
die Unterwürfigkeit der Geistlichen unter das Kaiserthum
am entschiedensten war, ihre Macht sich am meisten aus-
dehnte und befestigte. Schon Otto I begann die Graf-
schaften mit den Bisthümern zu verbinden; aus den Re-
gesten Heinrichs II sehen wir, daß er mancher Kirche zwei,
mancher drei Grafschaften, der gandersheimischen sogar die
Grafschaft in sieben Gauen übertrug. Noch im elften Jahr-
hundert gelang es den Bischöfen von Würzburg, in ihrer
Diöcese die weltliche Grafschaft ganz zu verdrängen, die
geistliche und die weltliche Gewalt daselbst zu vereinigen:
ein Zustand, zu welchem es nun auch die übrigen Bischöfe
zu bringen wetteiferten.

Es leuchtet ein: die Stellung eines deutschen Kaisers
war eben so gefährlich wie großartig. Die ihn umgeben-
den Magnaten, Inhaber der weltlichen Macht, von der
er selbst ausgegangen, konnte er nur in stetem Kampfe,
nicht ohne Gewaltsamkeit im Zaum halten. Er mußte sich
auf die andere, die geistliche Seite, stützen, die doch im
Prinzip von ihm verschieden war. Die europäische Be-

hält die merkwürdige Erklärung: Excommunicationem vestram par-
vipendemus, eam potius in vos retorquebimus.

Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer.
den es gerathen, mit den Biſchöfen zu regieren, ſie zu
Werkzeugen ihres Willens zu machen. Bei der nicht mehr
zurückzuhaltenden allgemeinen Tendenz aller Beamtung zur
Erblichkeit mußte es ihnen als ein Vortheil erſcheinen, welt-
liche Rechte mit den Bisthümern zu vereinigen über welche
ihnen eine freie Dispoſition zuſtand. Die Biſchöfe waren
zugleich ihre Kanzler und Räthe, die Klöſter kaiſerliche
Meierhöfe. Daher kam es, daß eben in den Zeiten wo
die Unterwürfigkeit der Geiſtlichen unter das Kaiſerthum
am entſchiedenſten war, ihre Macht ſich am meiſten aus-
dehnte und befeſtigte. Schon Otto I begann die Graf-
ſchaften mit den Bisthümern zu verbinden; aus den Re-
geſten Heinrichs II ſehen wir, daß er mancher Kirche zwei,
mancher drei Grafſchaften, der gandersheimiſchen ſogar die
Grafſchaft in ſieben Gauen übertrug. Noch im elften Jahr-
hundert gelang es den Biſchöfen von Würzburg, in ihrer
Diöceſe die weltliche Grafſchaft ganz zu verdrängen, die
geiſtliche und die weltliche Gewalt daſelbſt zu vereinigen:
ein Zuſtand, zu welchem es nun auch die übrigen Biſchöfe
zu bringen wetteiferten.

Es leuchtet ein: die Stellung eines deutſchen Kaiſers
war eben ſo gefährlich wie großartig. Die ihn umgeben-
den Magnaten, Inhaber der weltlichen Macht, von der
er ſelbſt ausgegangen, konnte er nur in ſtetem Kampfe,
nicht ohne Gewaltſamkeit im Zaum halten. Er mußte ſich
auf die andere, die geiſtliche Seite, ſtützen, die doch im
Prinzip von ihm verſchieden war. Die europäiſche Be-

haͤlt die merkwuͤrdige Erklaͤrung: Excommunicationem vestram par-
vipendemus, eam potius in vos retorquebimus.
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[27/0045] Saͤchſiſche und fraͤnkiſche Kaiſer. den es gerathen, mit den Biſchöfen zu regieren, ſie zu Werkzeugen ihres Willens zu machen. Bei der nicht mehr zurückzuhaltenden allgemeinen Tendenz aller Beamtung zur Erblichkeit mußte es ihnen als ein Vortheil erſcheinen, welt- liche Rechte mit den Bisthümern zu vereinigen über welche ihnen eine freie Dispoſition zuſtand. Die Biſchöfe waren zugleich ihre Kanzler und Räthe, die Klöſter kaiſerliche Meierhöfe. Daher kam es, daß eben in den Zeiten wo die Unterwürfigkeit der Geiſtlichen unter das Kaiſerthum am entſchiedenſten war, ihre Macht ſich am meiſten aus- dehnte und befeſtigte. Schon Otto I begann die Graf- ſchaften mit den Bisthümern zu verbinden; aus den Re- geſten Heinrichs II ſehen wir, daß er mancher Kirche zwei, mancher drei Grafſchaften, der gandersheimiſchen ſogar die Grafſchaft in ſieben Gauen übertrug. Noch im elften Jahr- hundert gelang es den Biſchöfen von Würzburg, in ihrer Diöceſe die weltliche Grafſchaft ganz zu verdrängen, die geiſtliche und die weltliche Gewalt daſelbſt zu vereinigen: ein Zuſtand, zu welchem es nun auch die übrigen Biſchöfe zu bringen wetteiferten. Es leuchtet ein: die Stellung eines deutſchen Kaiſers war eben ſo gefährlich wie großartig. Die ihn umgeben- den Magnaten, Inhaber der weltlichen Macht, von der er ſelbſt ausgegangen, konnte er nur in ſtetem Kampfe, nicht ohne Gewaltſamkeit im Zaum halten. Er mußte ſich auf die andere, die geiſtliche Seite, ſtützen, die doch im Prinzip von ihm verſchieden war. Die europäiſche Be- 2 2 haͤlt die merkwuͤrdige Erklaͤrung: Excommunicationem vestram par- vipendemus, eam potius in vos retorquebimus.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/45>, abgerufen am 28.04.2024.