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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Emancipation des Papstthums.
wie sich ihn die französischen eben damals verschafft hatten;
im Jahr 1073 empörten sich die sächsischen Fürsten: ganz
Sachsen, sagt ein Zeitgenosse, wich von dem König, wie
Ein Mann. Indessen hatte zu Rom das Oberhaupt der
Feinde die päpstliche Tiare selbst genommen, und schritt
nun unverweilt zu dem großen Unternehmen, nicht allein
das Papstthum, sondern die Geistlichkeit überhaupt von
dem Kaiserthum zu emancipiren: im Jahr 1074 ließ er
durch seine Synode ein Gesetz verkündigen, welches den
Laien d. i. zunächst dem Kaiser die Ernennung zu den
geistlichen Ämtern überhaupt entreißen sollte.

Kaum zur Krone gelangt sah Heinrich IV die besten
Prärogativen derselben, die Summe seiner Macht ange-
griffen und mit Vernichtung bedroht. Er schien ohne
Frage unterliegen zu müssen. Der Zwist zwischen Sach-
sen und Oberdeutschen, der ihm eine Zeitlang zu Statten
gekommen, ward beigelegt, und man sah die Schwerter,
noch naß von gegenseitigem Blut, sich vereinigt gegen den
Kaiser richten; man legte ihm die Nothwendigkeit auf den
Papst der ihn excommunicirt hatte, zu versöhnen [ - 5 Zeichen fehlen] mußte
jene Winterreise, jene Buße von Canossa vollziehen, durch die
er die Majestät des kaiserlichen Namens so tief erniedrigte.

Allein eben von diesem Momente fieng auch sein ernst-
licher Widerstand an.

Man würde sich ihn falsch vorstellen, wenn man glau-
ben wollte, als sey er in reuiger Zerknirschung über die
Alpen gegangen, als sey er von dem Rechte des Papstes
durchdrungen gewesen. Er wollte seinen Gegnern nur den
Anhalt der geistlichen Autorität entwinden, den Vorwand

Emancipation des Papſtthums.
wie ſich ihn die franzöſiſchen eben damals verſchafft hatten;
im Jahr 1073 empörten ſich die ſächſiſchen Fürſten: ganz
Sachſen, ſagt ein Zeitgenoſſe, wich von dem König, wie
Ein Mann. Indeſſen hatte zu Rom das Oberhaupt der
Feinde die päpſtliche Tiare ſelbſt genommen, und ſchritt
nun unverweilt zu dem großen Unternehmen, nicht allein
das Papſtthum, ſondern die Geiſtlichkeit überhaupt von
dem Kaiſerthum zu emancipiren: im Jahr 1074 ließ er
durch ſeine Synode ein Geſetz verkündigen, welches den
Laien d. i. zunächſt dem Kaiſer die Ernennung zu den
geiſtlichen Ämtern überhaupt entreißen ſollte.

Kaum zur Krone gelangt ſah Heinrich IV die beſten
Prärogativen derſelben, die Summe ſeiner Macht ange-
griffen und mit Vernichtung bedroht. Er ſchien ohne
Frage unterliegen zu müſſen. Der Zwiſt zwiſchen Sach-
ſen und Oberdeutſchen, der ihm eine Zeitlang zu Statten
gekommen, ward beigelegt, und man ſah die Schwerter,
noch naß von gegenſeitigem Blut, ſich vereinigt gegen den
Kaiſer richten; man legte ihm die Nothwendigkeit auf den
Papſt der ihn excommunicirt hatte, zu verſöhnen [ – 5 Zeichen fehlen] mußte
jene Winterreiſe, jene Buße von Canoſſa vollziehen, durch die
er die Majeſtät des kaiſerlichen Namens ſo tief erniedrigte.

Allein eben von dieſem Momente fieng auch ſein ernſt-
licher Widerſtand an.

Man würde ſich ihn falſch vorſtellen, wenn man glau-
ben wollte, als ſey er in reuiger Zerknirſchung über die
Alpen gegangen, als ſey er von dem Rechte des Papſtes
durchdrungen geweſen. Er wollte ſeinen Gegnern nur den
Anhalt der geiſtlichen Autorität entwinden, den Vorwand

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[31/0049] Emancipation des Papſtthums. wie ſich ihn die franzöſiſchen eben damals verſchafft hatten; im Jahr 1073 empörten ſich die ſächſiſchen Fürſten: ganz Sachſen, ſagt ein Zeitgenoſſe, wich von dem König, wie Ein Mann. Indeſſen hatte zu Rom das Oberhaupt der Feinde die päpſtliche Tiare ſelbſt genommen, und ſchritt nun unverweilt zu dem großen Unternehmen, nicht allein das Papſtthum, ſondern die Geiſtlichkeit überhaupt von dem Kaiſerthum zu emancipiren: im Jahr 1074 ließ er durch ſeine Synode ein Geſetz verkündigen, welches den Laien d. i. zunächſt dem Kaiſer die Ernennung zu den geiſtlichen Ämtern überhaupt entreißen ſollte. Kaum zur Krone gelangt ſah Heinrich IV die beſten Prärogativen derſelben, die Summe ſeiner Macht ange- griffen und mit Vernichtung bedroht. Er ſchien ohne Frage unterliegen zu müſſen. Der Zwiſt zwiſchen Sach- ſen und Oberdeutſchen, der ihm eine Zeitlang zu Statten gekommen, ward beigelegt, und man ſah die Schwerter, noch naß von gegenſeitigem Blut, ſich vereinigt gegen den Kaiſer richten; man legte ihm die Nothwendigkeit auf den Papſt der ihn excommunicirt hatte, zu verſöhnen _____ mußte jene Winterreiſe, jene Buße von Canoſſa vollziehen, durch die er die Majeſtät des kaiſerlichen Namens ſo tief erniedrigte. Allein eben von dieſem Momente fieng auch ſein ernſt- licher Widerſtand an. Man würde ſich ihn falſch vorſtellen, wenn man glau- ben wollte, als ſey er in reuiger Zerknirſchung über die Alpen gegangen, als ſey er von dem Rechte des Papſtes durchdrungen geweſen. Er wollte ſeinen Gegnern nur den Anhalt der geiſtlichen Autorität entwinden, den Vorwand

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/49>, abgerufen am 28.04.2024.