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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
thümer und Gerechtsame hervorgehen müsse. 1 Der junge
Fürst der jetzt den Thron bestiegen, war der Urenkel und
Erbe sowohl des Einen als des Andern: noch viel weiter
als man damals hätte ahnden können erstreckten sich seine
Fürstenthümer und Königreiche. Wie hätten Ideen dieser
Art nicht in ihm erwachen sollen!

Noch war die deutsche von allen abendländischen Na-
tionen ohne Zweifel am besten bewaffnet. Der Adel riß
sich zuerst von dem für die neuere Kriegskunst nicht mehr
geeigneten Formen des ritterlichen Lanzenwesens los: Herren
und Diener fochten in Einem Glied. 2 Aus den Bauern
gieng das Fußvolk der Landsknechte hervor, das außer in
den Schweizern, die doch auch Deutsche waren, seines Glei-
chen nicht hatte. Die Bürger waren die Meister des Ge-
schützes: mit einer Vereinigung der hanseatischen und der
niederländischen Seemacht hätte sich keine andre Nation
der Welt messen können.

Es hatte nur immer daran gefehlt, daß der Kaiser
zu schwach gewesen war, um die Kräfte der Nation zu be-
nutzen. Jetzt aber schien das anders werden zu müssen.
Die Landsknechte feierten es in einem Liede, daß sie ei-
nen Fürsten bekommen der im Stande seyn werde sie zu
besolden, im Felde zu halten. Auf dem Reichstag zu Worms
war auf das ernstlichste von der Wiedereroberung der ab-
gekommenen Reichslande die Rede.


1 Die einzige Nachricht hierüber, die jedoch als authentisch
angesehen werden muß, theilte Schmidt aus dem kais. Archiv mit,
Buch VII, Cap. 24.
2 Eine Stelle in Pasqualigo's Relation wird dieß näher er-
läutern.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
thümer und Gerechtſame hervorgehen müſſe. 1 Der junge
Fürſt der jetzt den Thron beſtiegen, war der Urenkel und
Erbe ſowohl des Einen als des Andern: noch viel weiter
als man damals hätte ahnden können erſtreckten ſich ſeine
Fürſtenthümer und Königreiche. Wie hätten Ideen dieſer
Art nicht in ihm erwachen ſollen!

Noch war die deutſche von allen abendländiſchen Na-
tionen ohne Zweifel am beſten bewaffnet. Der Adel riß
ſich zuerſt von dem für die neuere Kriegskunſt nicht mehr
geeigneten Formen des ritterlichen Lanzenweſens los: Herren
und Diener fochten in Einem Glied. 2 Aus den Bauern
gieng das Fußvolk der Landsknechte hervor, das außer in
den Schweizern, die doch auch Deutſche waren, ſeines Glei-
chen nicht hatte. Die Bürger waren die Meiſter des Ge-
ſchützes: mit einer Vereinigung der hanſeatiſchen und der
niederländiſchen Seemacht hätte ſich keine andre Nation
der Welt meſſen können.

Es hatte nur immer daran gefehlt, daß der Kaiſer
zu ſchwach geweſen war, um die Kräfte der Nation zu be-
nutzen. Jetzt aber ſchien das anders werden zu müſſen.
Die Landsknechte feierten es in einem Liede, daß ſie ei-
nen Fürſten bekommen der im Stande ſeyn werde ſie zu
beſolden, im Felde zu halten. Auf dem Reichstag zu Worms
war auf das ernſtlichſte von der Wiedereroberung der ab-
gekommenen Reichslande die Rede.


1 Die einzige Nachricht hieruͤber, die jedoch als authentiſch
angeſehen werden muß, theilte Schmidt aus dem kaiſ. Archiv mit,
Buch VII, Cap. 24.
2 Eine Stelle in Pasqualigo’s Relation wird dieß naͤher er-
laͤutern.
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[254/0264] Viertes Buch. Erſtes Capitel. thümer und Gerechtſame hervorgehen müſſe. 1 Der junge Fürſt der jetzt den Thron beſtiegen, war der Urenkel und Erbe ſowohl des Einen als des Andern: noch viel weiter als man damals hätte ahnden können erſtreckten ſich ſeine Fürſtenthümer und Königreiche. Wie hätten Ideen dieſer Art nicht in ihm erwachen ſollen! Noch war die deutſche von allen abendländiſchen Na- tionen ohne Zweifel am beſten bewaffnet. Der Adel riß ſich zuerſt von dem für die neuere Kriegskunſt nicht mehr geeigneten Formen des ritterlichen Lanzenweſens los: Herren und Diener fochten in Einem Glied. 2 Aus den Bauern gieng das Fußvolk der Landsknechte hervor, das außer in den Schweizern, die doch auch Deutſche waren, ſeines Glei- chen nicht hatte. Die Bürger waren die Meiſter des Ge- ſchützes: mit einer Vereinigung der hanſeatiſchen und der niederländiſchen Seemacht hätte ſich keine andre Nation der Welt meſſen können. Es hatte nur immer daran gefehlt, daß der Kaiſer zu ſchwach geweſen war, um die Kräfte der Nation zu be- nutzen. Jetzt aber ſchien das anders werden zu müſſen. Die Landsknechte feierten es in einem Liede, daß ſie ei- nen Fürſten bekommen der im Stande ſeyn werde ſie zu beſolden, im Felde zu halten. Auf dem Reichstag zu Worms war auf das ernſtlichſte von der Wiedereroberung der ab- gekommenen Reichslande die Rede. 1 Die einzige Nachricht hieruͤber, die jedoch als authentiſch angeſehen werden muß, theilte Schmidt aus dem kaiſ. Archiv mit, Buch VII, Cap. 24. 2 Eine Stelle in Pasqualigo’s Relation wird dieß naͤher er- laͤutern.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/264>, abgerufen am 15.05.2024.