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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Irrungen mit Frankreich.

In diesem Augenblick aber, eben als der Kaiser aus
Africa zurückkam, starb Franz Sforza von Mailand. Es
konnte wohl nicht anders seyn, als daß der König hierauf
seine Ansprüche mit doppeltem Eifer zur Sprache brachte.

Nothwendig mußte dieß die ernstlichsten Erwägungen
des Kaisers und seiner Räthe hervorrufen.

Nach wie vor waren sie entschlossen, dem König für
seine Person keinen Schritt breit nachzugeben. Sie hätten
die Umkehr der so eben gegründeten Verhältnisse, den Ver-
lust ihres Ansehens und einen Einfluß der Franzosen auf
Rom befürchten zu müssen geglaubt, der ihnen in jedem Be-
zug widerwärtig und schädlich gewesen wäre.

Dabei lag ihnen aber auch alles daran, nicht nur den
Krieg zu vermeiden, zumal in einem Augenblick wo sie
die Möglichkeit, das westliche Africa von den Osmanen
zu reinigen und in erneute Abhängigkeit von Spanien zu
bringen, vor sich sahen: sondern diese Feindseligkeit, die ihnen
selbst im Frieden bei jedem Schritt entgegentrat, und allen
Widersachern Rückhalt gewährte, gründlich zu beseitigen. Sie
faßten den Gedanken, den König durch eine solche Concession
die ihnen nicht geradezu schädlich werden könnte, zugleich zu
befriedigen und an sich zu fesseln. 1

Schriften, die nur unter ihnen selbst gewechselt wurden,
lassen uns nicht zweifeln daß sie wirklich geneigt waren, dem
dritten Sohne des Königs, Herzog von Angouleme, Mailand
zu übertragen. Sie hegten die Meinung, daß sich Mittel
finden lassen würden, z. B. wenn man die Witwe Franz

1 Discours fait incontinent apres le trespas du duc Fran-
cois-Marie Sforce
sur la disposition de l'estat de Milan. Papiers
d'etat du card. de Granvelle II,
395.
Irrungen mit Frankreich.

In dieſem Augenblick aber, eben als der Kaiſer aus
Africa zurückkam, ſtarb Franz Sforza von Mailand. Es
konnte wohl nicht anders ſeyn, als daß der König hierauf
ſeine Anſprüche mit doppeltem Eifer zur Sprache brachte.

Nothwendig mußte dieß die ernſtlichſten Erwägungen
des Kaiſers und ſeiner Räthe hervorrufen.

Nach wie vor waren ſie entſchloſſen, dem König für
ſeine Perſon keinen Schritt breit nachzugeben. Sie hätten
die Umkehr der ſo eben gegründeten Verhältniſſe, den Ver-
luſt ihres Anſehens und einen Einfluß der Franzoſen auf
Rom befürchten zu müſſen geglaubt, der ihnen in jedem Be-
zug widerwärtig und ſchädlich geweſen wäre.

Dabei lag ihnen aber auch alles daran, nicht nur den
Krieg zu vermeiden, zumal in einem Augenblick wo ſie
die Möglichkeit, das weſtliche Africa von den Osmanen
zu reinigen und in erneute Abhängigkeit von Spanien zu
bringen, vor ſich ſahen: ſondern dieſe Feindſeligkeit, die ihnen
ſelbſt im Frieden bei jedem Schritt entgegentrat, und allen
Widerſachern Rückhalt gewährte, gründlich zu beſeitigen. Sie
faßten den Gedanken, den König durch eine ſolche Conceſſion
die ihnen nicht geradezu ſchädlich werden könnte, zugleich zu
befriedigen und an ſich zu feſſeln. 1

Schriften, die nur unter ihnen ſelbſt gewechſelt wurden,
laſſen uns nicht zweifeln daß ſie wirklich geneigt waren, dem
dritten Sohne des Königs, Herzog von Angouleme, Mailand
zu übertragen. Sie hegten die Meinung, daß ſich Mittel
finden laſſen würden, z. B. wenn man die Witwe Franz

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çois-Marie Sforce
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395.
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[21/0033] Irrungen mit Frankreich. In dieſem Augenblick aber, eben als der Kaiſer aus Africa zurückkam, ſtarb Franz Sforza von Mailand. Es konnte wohl nicht anders ſeyn, als daß der König hierauf ſeine Anſprüche mit doppeltem Eifer zur Sprache brachte. Nothwendig mußte dieß die ernſtlichſten Erwägungen des Kaiſers und ſeiner Räthe hervorrufen. Nach wie vor waren ſie entſchloſſen, dem König für ſeine Perſon keinen Schritt breit nachzugeben. Sie hätten die Umkehr der ſo eben gegründeten Verhältniſſe, den Ver- luſt ihres Anſehens und einen Einfluß der Franzoſen auf Rom befürchten zu müſſen geglaubt, der ihnen in jedem Be- zug widerwärtig und ſchädlich geweſen wäre. Dabei lag ihnen aber auch alles daran, nicht nur den Krieg zu vermeiden, zumal in einem Augenblick wo ſie die Möglichkeit, das weſtliche Africa von den Osmanen zu reinigen und in erneute Abhängigkeit von Spanien zu bringen, vor ſich ſahen: ſondern dieſe Feindſeligkeit, die ihnen ſelbſt im Frieden bei jedem Schritt entgegentrat, und allen Widerſachern Rückhalt gewährte, gründlich zu beſeitigen. Sie faßten den Gedanken, den König durch eine ſolche Conceſſion die ihnen nicht geradezu ſchädlich werden könnte, zugleich zu befriedigen und an ſich zu feſſeln. 1 Schriften, die nur unter ihnen ſelbſt gewechſelt wurden, laſſen uns nicht zweifeln daß ſie wirklich geneigt waren, dem dritten Sohne des Königs, Herzog von Angouleme, Mailand zu übertragen. Sie hegten die Meinung, daß ſich Mittel finden laſſen würden, z. B. wenn man die Witwe Franz 1 Discours fait incontinent après le trespas du duc Fran- çois-Marie Sforce sur la disposition de l’estat de Milan. Papiers d’état du card. de Granvelle II, 395.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/33>, abgerufen am 26.04.2024.