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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
die ganze Entscheidung dem Concilium vorbehalten, und es
war schon zweifelhaft, ob sie die viel näher liegende For-
derung der Protestanten daß die an dem Concil bereits ab-
gehandelten Artikel aufs neue erörtert, oder wie diese sich
ausdrückten, reassumirt werden sollten, genehmigen würden.

Mit ausdrücklichen Worten haben sie dieß in der That
nicht gethan, aber sie haben es auch nicht verweigert. In
einem Reichsgutachten vom 8ten October heißt es: die Bitte
einiger Churfürsten und Fürsten gehe dahin, ihre Abgeord-
neten über die Puncte zu hören welche bereits decidirt seyn
möchten; leicht würde sonst der Ausdruck Continuation des
Conciliums ein Mißverständniß veranlassen. Auch dem Kai-
ser schien es rathsam sich in dieser Unbestimmtheit zu hal-
ten. 1 Indem er Diejenigen, welche Änderungen gemacht,
aufforderte sich an das Concilium zu verfügen und ihnen
hiefür sicheres Geleit zusagte, wiederholte er die Zusicherun-
gen die er schon am vorigen Reichstag gegeben, und die
allerdings einige Worte aus dem Gutachten der protestan-
tischen Churfürsten enthielten, jene Forderung aber weder ab-
schnitten noch auch gewährten. Er zog es vor, so gut diese
wie andre Festsetzungen der künftigen Unterhandlung vor-
zubehalten. Auch dem päpstlichen Nuntius, der auf die Her-
stellung der geistlichen Güter gedrungen, ertheilte er nur eine
ausweichende Antwort: er wollte in diesen Dingen sich im
Voraus zu nichts verpflichten. Nur das Eine Versprechen
gab er, die Beschlüsse welche das Concilium fassen würde
zu vollziehen, Deutschland nicht zu verlassen, ehe ein ernst-

1 Die Acten des Reichstags in den Archiven zu Frankfurt,
Dresden und Berlin.

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
die ganze Entſcheidung dem Concilium vorbehalten, und es
war ſchon zweifelhaft, ob ſie die viel näher liegende For-
derung der Proteſtanten daß die an dem Concil bereits ab-
gehandelten Artikel aufs neue erörtert, oder wie dieſe ſich
ausdrückten, reaſſumirt werden ſollten, genehmigen würden.

Mit ausdrücklichen Worten haben ſie dieß in der That
nicht gethan, aber ſie haben es auch nicht verweigert. In
einem Reichsgutachten vom 8ten October heißt es: die Bitte
einiger Churfürſten und Fürſten gehe dahin, ihre Abgeord-
neten über die Puncte zu hören welche bereits decidirt ſeyn
möchten; leicht würde ſonſt der Ausdruck Continuation des
Conciliums ein Mißverſtändniß veranlaſſen. Auch dem Kai-
ſer ſchien es rathſam ſich in dieſer Unbeſtimmtheit zu hal-
ten. 1 Indem er Diejenigen, welche Änderungen gemacht,
aufforderte ſich an das Concilium zu verfügen und ihnen
hiefür ſicheres Geleit zuſagte, wiederholte er die Zuſicherun-
gen die er ſchon am vorigen Reichstag gegeben, und die
allerdings einige Worte aus dem Gutachten der proteſtan-
tiſchen Churfürſten enthielten, jene Forderung aber weder ab-
ſchnitten noch auch gewährten. Er zog es vor, ſo gut dieſe
wie andre Feſtſetzungen der künftigen Unterhandlung vor-
zubehalten. Auch dem päpſtlichen Nuntius, der auf die Her-
ſtellung der geiſtlichen Güter gedrungen, ertheilte er nur eine
ausweichende Antwort: er wollte in dieſen Dingen ſich im
Voraus zu nichts verpflichten. Nur das Eine Verſprechen
gab er, die Beſchlüſſe welche das Concilium faſſen würde
zu vollziehen, Deutſchland nicht zu verlaſſen, ehe ein ernſt-

1 Die Acten des Reichstags in den Archiven zu Frankfurt,
Dresden und Berlin.
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[118/0130] Neuntes Buch. Drittes Capitel. die ganze Entſcheidung dem Concilium vorbehalten, und es war ſchon zweifelhaft, ob ſie die viel näher liegende For- derung der Proteſtanten daß die an dem Concil bereits ab- gehandelten Artikel aufs neue erörtert, oder wie dieſe ſich ausdrückten, reaſſumirt werden ſollten, genehmigen würden. Mit ausdrücklichen Worten haben ſie dieß in der That nicht gethan, aber ſie haben es auch nicht verweigert. In einem Reichsgutachten vom 8ten October heißt es: die Bitte einiger Churfürſten und Fürſten gehe dahin, ihre Abgeord- neten über die Puncte zu hören welche bereits decidirt ſeyn möchten; leicht würde ſonſt der Ausdruck Continuation des Conciliums ein Mißverſtändniß veranlaſſen. Auch dem Kai- ſer ſchien es rathſam ſich in dieſer Unbeſtimmtheit zu hal- ten. 1 Indem er Diejenigen, welche Änderungen gemacht, aufforderte ſich an das Concilium zu verfügen und ihnen hiefür ſicheres Geleit zuſagte, wiederholte er die Zuſicherun- gen die er ſchon am vorigen Reichstag gegeben, und die allerdings einige Worte aus dem Gutachten der proteſtan- tiſchen Churfürſten enthielten, jene Forderung aber weder ab- ſchnitten noch auch gewährten. Er zog es vor, ſo gut dieſe wie andre Feſtſetzungen der künftigen Unterhandlung vor- zubehalten. Auch dem päpſtlichen Nuntius, der auf die Her- ſtellung der geiſtlichen Güter gedrungen, ertheilte er nur eine ausweichende Antwort: er wollte in dieſen Dingen ſich im Voraus zu nichts verpflichten. Nur das Eine Verſprechen gab er, die Beſchlüſſe welche das Concilium faſſen würde zu vollziehen, Deutſchland nicht zu verlaſſen, ehe ein ernſt- 1 Die Acten des Reichstags in den Archiven zu Frankfurt, Dresden und Berlin.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/130>, abgerufen am 26.04.2024.