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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
unterscheidet sich vom glatten Email dadurch, dass nur der Grund der
Zellen mit Schmelzfarben bedeckt wird und die Cloisons oder Zell-
wände als Relief hervortreten.

2) Das freie Email wird mit dem Pinsel nicht in Zellen, sondern
auf die glatte Metallfläche aufgetragen. Man unterscheidet es als
Maleremail (Email de peintre) oder Limoges, nach der Stadt,
in welcher es im 15. und 16. Jahrhundert besonders und mit vorzüg-
licher Wirkung angewandt wurde, und als durchsichtiges (Email
translucide), erhabenes oder Hoch-Email (Opera di basso rilievo).
Die Ornamente, welche man durch Treib- und Ciselierarbeit aus der
Metallunterlage selbst, oder mittelst eines Kittes in Flachrelief bildete,
werden mit durchscheinenden Emailfarben bemalt, so dass der glänzende
Metalluntergrund durch die Schmelzkruste hervorleuchtet.

Die Anfänge des Flachemail, das für unsere Aufgabe vorwiegend
in Betracht kommt, gehören der vorchristlichen Zeit an. Die alten
Aegypter füllten Goldzellen mit geschliffenen kostbaren Steinen oder
Glas aus, und im Musee de Cluny zu Paris sah ich im Jahre 1878
unter Nr. 3510 ein Stück Bronze (von einer Agraffe), welches ähnlich
behandelt worden war. Es hat etwa 5--6 cm Länge und Breite und
ist mit würfelförmigen Gruben versehen, welche geschliffene farbige
Steine ausfüllen. Ob es wirklich keltischen Ursprungs ist, wie ein
Zettel besagte, oder nicht vielmehr von den Römern herrührt, kommt
hier nicht weiter in Betracht. Sicher aber war der Schritt, solche
Zellen, statt mit bunten Steinen oder Glasstücken, mit Schmelzfarben
auszufüllen, nicht weit.

Gegenstände mit Email cloisonne aus älterer Zeit sind selten und
in der Regel klein. Der Excipient war fast immer aus Gold oder
Silber getrieben; die Zellen wurden durch aufgelöthete Goldstreifchen
hergestellt. Bald gesellte sich der Grubenschmelz hinzu. In der Blüthe-
zeit des morgenländischen Kaiserreichs, zumal zur Zeit Justinians,
der mit grossen Mitteln seinem Sinn für Prachtentfaltung in Kirchen
und Schlössern, an Waffen und Rüstzeug nachkommen konnte, wurde
in Constantinopel das Byzantiner Email (Zellen- und Grubenschmelz)
zur Entwickelung gebracht. Ob Byzantiner die Kunst erfunden oder
von Orientalen kennen gelernt hatten, ist nicht erwiesen, die Annahme,
dass dieselbe von den Chinesen stamme, dagegen durchaus unbegründet
und irrig. In Westeuropa fand dieselbe unstreitig erst durch die
Kreuzzüge Eingang und festen Boden. Ihre grösste Entfaltung fällt
in das 13. und 14. Jahrhundert, wie man an ihren Produkten in den
Kunstkammern vieler alten katholischen Kirchen, z. B. des Domes zu
Aachen leicht erkennen kann. Mit dem Electrum -- so wurde im

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
unterscheidet sich vom glatten Email dadurch, dass nur der Grund der
Zellen mit Schmelzfarben bedeckt wird und die Cloisons oder Zell-
wände als Relief hervortreten.

2) Das freie Email wird mit dem Pinsel nicht in Zellen, sondern
auf die glatte Metallfläche aufgetragen. Man unterscheidet es als
Maleremail (Email de peintre) oder Limoges, nach der Stadt,
in welcher es im 15. und 16. Jahrhundert besonders und mit vorzüg-
licher Wirkung angewandt wurde, und als durchsichtiges (Email
translucide), erhabenes oder Hoch-Email (Opera di basso rilievo).
Die Ornamente, welche man durch Treib- und Ciselierarbeit aus der
Metallunterlage selbst, oder mittelst eines Kittes in Flachrelief bildete,
werden mit durchscheinenden Emailfarben bemalt, so dass der glänzende
Metalluntergrund durch die Schmelzkruste hervorleuchtet.

Die Anfänge des Flachemail, das für unsere Aufgabe vorwiegend
in Betracht kommt, gehören der vorchristlichen Zeit an. Die alten
Aegypter füllten Goldzellen mit geschliffenen kostbaren Steinen oder
Glas aus, und im Musée de Cluny zu Paris sah ich im Jahre 1878
unter Nr. 3510 ein Stück Bronze (von einer Agraffe), welches ähnlich
behandelt worden war. Es hat etwa 5—6 cm Länge und Breite und
ist mit würfelförmigen Gruben versehen, welche geschliffene farbige
Steine ausfüllen. Ob es wirklich keltischen Ursprungs ist, wie ein
Zettel besagte, oder nicht vielmehr von den Römern herrührt, kommt
hier nicht weiter in Betracht. Sicher aber war der Schritt, solche
Zellen, statt mit bunten Steinen oder Glasstücken, mit Schmelzfarben
auszufüllen, nicht weit.

Gegenstände mit Email cloisonné aus älterer Zeit sind selten und
in der Regel klein. Der Excipient war fast immer aus Gold oder
Silber getrieben; die Zellen wurden durch aufgelöthete Goldstreifchen
hergestellt. Bald gesellte sich der Grubenschmelz hinzu. In der Blüthe-
zeit des morgenländischen Kaiserreichs, zumal zur Zeit Justinians,
der mit grossen Mitteln seinem Sinn für Prachtentfaltung in Kirchen
und Schlössern, an Waffen und Rüstzeug nachkommen konnte, wurde
in Constantinopel das Byzantiner Email (Zellen- und Grubenschmelz)
zur Entwickelung gebracht. Ob Byzantiner die Kunst erfunden oder
von Orientalen kennen gelernt hatten, ist nicht erwiesen, die Annahme,
dass dieselbe von den Chinesen stamme, dagegen durchaus unbegründet
und irrig. In Westeuropa fand dieselbe unstreitig erst durch die
Kreuzzüge Eingang und festen Boden. Ihre grösste Entfaltung fällt
in das 13. und 14. Jahrhundert, wie man an ihren Produkten in den
Kunstkammern vieler alten katholischen Kirchen, z. B. des Domes zu
Aachen leicht erkennen kann. Mit dem Electrum — so wurde im

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[584/0642] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. unterscheidet sich vom glatten Email dadurch, dass nur der Grund der Zellen mit Schmelzfarben bedeckt wird und die Cloisons oder Zell- wände als Relief hervortreten. 2) Das freie Email wird mit dem Pinsel nicht in Zellen, sondern auf die glatte Metallfläche aufgetragen. Man unterscheidet es als Maleremail (Email de peintre) oder Limoges, nach der Stadt, in welcher es im 15. und 16. Jahrhundert besonders und mit vorzüg- licher Wirkung angewandt wurde, und als durchsichtiges (Email translucide), erhabenes oder Hoch-Email (Opera di basso rilievo). Die Ornamente, welche man durch Treib- und Ciselierarbeit aus der Metallunterlage selbst, oder mittelst eines Kittes in Flachrelief bildete, werden mit durchscheinenden Emailfarben bemalt, so dass der glänzende Metalluntergrund durch die Schmelzkruste hervorleuchtet. Die Anfänge des Flachemail, das für unsere Aufgabe vorwiegend in Betracht kommt, gehören der vorchristlichen Zeit an. Die alten Aegypter füllten Goldzellen mit geschliffenen kostbaren Steinen oder Glas aus, und im Musée de Cluny zu Paris sah ich im Jahre 1878 unter Nr. 3510 ein Stück Bronze (von einer Agraffe), welches ähnlich behandelt worden war. Es hat etwa 5—6 cm Länge und Breite und ist mit würfelförmigen Gruben versehen, welche geschliffene farbige Steine ausfüllen. Ob es wirklich keltischen Ursprungs ist, wie ein Zettel besagte, oder nicht vielmehr von den Römern herrührt, kommt hier nicht weiter in Betracht. Sicher aber war der Schritt, solche Zellen, statt mit bunten Steinen oder Glasstücken, mit Schmelzfarben auszufüllen, nicht weit. Gegenstände mit Email cloisonné aus älterer Zeit sind selten und in der Regel klein. Der Excipient war fast immer aus Gold oder Silber getrieben; die Zellen wurden durch aufgelöthete Goldstreifchen hergestellt. Bald gesellte sich der Grubenschmelz hinzu. In der Blüthe- zeit des morgenländischen Kaiserreichs, zumal zur Zeit Justinians, der mit grossen Mitteln seinem Sinn für Prachtentfaltung in Kirchen und Schlössern, an Waffen und Rüstzeug nachkommen konnte, wurde in Constantinopel das Byzantiner Email (Zellen- und Grubenschmelz) zur Entwickelung gebracht. Ob Byzantiner die Kunst erfunden oder von Orientalen kennen gelernt hatten, ist nicht erwiesen, die Annahme, dass dieselbe von den Chinesen stamme, dagegen durchaus unbegründet und irrig. In Westeuropa fand dieselbe unstreitig erst durch die Kreuzzüge Eingang und festen Boden. Ihre grösste Entfaltung fällt in das 13. und 14. Jahrhundert, wie man an ihren Produkten in den Kunstkammern vieler alten katholischen Kirchen, z. B. des Domes zu Aachen leicht erkennen kann. Mit dem Electrum — so wurde im

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/642>, abgerufen am 27.04.2024.