lassen habe, damit er mich befragen könnte, ob seine Hoffnung, die er auf meinen Gehorsam gese- tzet, ihn nicht triegen würde? Allein er hätte selbst gestanden, daß er seinen Zweck nicht hätte erreichen können, weil eine Erzählung ihm gar zu sehr im Gemüth gelegen, dadurch mich mein Bruder an- geschwärtzet hätte, und weil es ihm unerträglich gewesen wäre, es sich auch nur als möglich vorzu- stellen, daß ein so gehorsams Kind sich seinem Willen in einer Sache wiedersetzen könnte, die das Beste der gantzen Familie so sehr beträfe.
Aus ein paar Worten, die ihr entfallen sind, mercke ich, daß man sich auf mein lencksames Ge- müth gar zu sehr verlasse. Die meinigen irren sich hierin. Jch habe mich genau untersucht, und ich finde eben so viel von meines Vaters Kopf in mir, als ich Sanftmuth von meiner Mutter ge- erbt habe.
Mein Onkle Harlowe wiederräth sehr, mich aufs äusserste zu treiben: Allein seines Bruders- Sohn, der vergessen hat, daß er mein Bruder ist, versichert zum voraus, daß meine Ehrbegier- de und die Grundsätze, denen ich beständig folge, mich lehren würden meine Pflicht zu beob- achten. Dis war sein Ausdruck: vielleicht wä- re es besser, daß ich diesen Ausdruck nicht wüste.
Meine Baase giebt mir den Rath, das gege- bene Verbot genau zu beobachten, und Herrn Solmes nicht ohne alle Hoffnung zu lassen. Dieses letzte habe ich schlechterdings abgeschlagen, es mag auch daraus kommen, was will. Jch
habe
Die Geſchichte
laſſen habe, damit er mich befragen koͤnnte, ob ſeine Hoffnung, die er auf meinen Gehorſam geſe- tzet, ihn nicht triegen wuͤrde? Allein er haͤtte ſelbſt geſtanden, daß er ſeinen Zweck nicht haͤtte erreichen koͤnnen, weil eine Erzaͤhlung ihm gar zu ſehr im Gemuͤth gelegen, dadurch mich mein Bruder an- geſchwaͤrtzet haͤtte, und weil es ihm unertraͤglich geweſen waͤre, es ſich auch nur als moͤglich vorzu- ſtellen, daß ein ſo gehorſams Kind ſich ſeinem Willen in einer Sache wiederſetzen koͤnnte, die das Beſte der gantzen Familie ſo ſehr betraͤfe.
Aus ein paar Worten, die ihr entfallen ſind, mercke ich, daß man ſich auf mein lenckſames Ge- muͤth gar zu ſehr verlaſſe. Die meinigen irren ſich hierin. Jch habe mich genau unterſucht, und ich finde eben ſo viel von meines Vaters Kopf in mir, als ich Sanftmuth von meiner Mutter ge- erbt habe.
Mein Onkle Harlowe wiederraͤth ſehr, mich aufs aͤuſſerſte zu treiben: Allein ſeines Bruders- Sohn, der vergeſſen hat, daß er mein Bruder iſt, verſichert zum voraus, daß meine Ehrbegier- de und die Grundſaͤtze, denen ich beſtaͤndig folge, mich lehren wuͤrden meine Pflicht zu beob- achten. Dis war ſein Ausdruck: vielleicht waͤ- re es beſſer, daß ich dieſen Ausdruck nicht wuͤſte.
Meine Baaſe giebt mir den Rath, das gege- bene Verbot genau zu beobachten, und Herrn Solmes nicht ohne alle Hoffnung zu laſſen. Dieſes letzte habe ich ſchlechterdings abgeſchlagen, es mag auch daraus kommen, was will. Jch
habe
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Die Geſchichte
laſſen habe, damit er mich befragen koͤnnte, ob
ſeine Hoffnung, die er auf meinen Gehorſam geſe-
tzet, ihn nicht triegen wuͤrde? Allein er haͤtte ſelbſt
geſtanden, daß er ſeinen Zweck nicht haͤtte erreichen
koͤnnen, weil eine Erzaͤhlung ihm gar zu ſehr im
Gemuͤth gelegen, dadurch mich mein Bruder an-
geſchwaͤrtzet haͤtte, und weil es ihm unertraͤglich
geweſen waͤre, es ſich auch nur als moͤglich vorzu-
ſtellen, daß ein ſo gehorſams Kind ſich ſeinem
Willen in einer Sache wiederſetzen koͤnnte, die
das Beſte der gantzen Familie ſo ſehr betraͤfe.
Aus ein paar Worten, die ihr entfallen ſind,
mercke ich, daß man ſich auf mein lenckſames Ge-
muͤth gar zu ſehr verlaſſe. Die meinigen irren ſich
hierin. Jch habe mich genau unterſucht, und
ich finde eben ſo viel von meines Vaters Kopf in
mir, als ich Sanftmuth von meiner Mutter ge-
erbt habe.
Mein Onkle Harlowe wiederraͤth ſehr, mich
aufs aͤuſſerſte zu treiben: Allein ſeines Bruders-
Sohn, der vergeſſen hat, daß er mein Bruder
iſt, verſichert zum voraus, daß meine Ehrbegier-
de und die Grundſaͤtze, denen ich beſtaͤndig folge,
mich lehren wuͤrden meine Pflicht zu beob-
achten. Dis war ſein Ausdruck: vielleicht waͤ-
re es beſſer, daß ich dieſen Ausdruck nicht wuͤſte.
Meine Baaſe giebt mir den Rath, das gege-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/102>, abgerufen am 26.04.2024.
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