war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch in dem Bauer hatte, und ihn sehen konte so oft ich wollte.
Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch kan an sonst nichts dencken, als an meine göttliche Clarissa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir das verhaßte Wort im Halse stecken! Jch muß sie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe geben.(*)
CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert unser Ohr. Man fühlt die Zärtlichkeit mit welcher Kinder schertzen. Ein unverfälschtes Blut/ wie das in jungen Hertzen/ Schlägt in der Männer Brust.
Hättest du je gedacht, daß ich, der ich sonst zum höchsten glaubte daß meine Gegenliebe eben so groß seyn könte als die Liebe der Schönen; daß ich, der ich um dieses göttlichen Kindes wil- len mir es gar habe in den Sinn kommen lassen, das Leben in Fesseln dem Leben der Ehre vorzuziehen: daß ich auch dem Otway diese all- zuzärtlichen Zeilen jemals abborgen würde.
Jch muß mich selbst schelten. Dryden schreibt:
Ein anders Feuer ist die Lieb in andern Seelen:
Der
(*)Liebe heist im Englischen Love, welches der Anfang des Namens Lovelace ist.
X 5
der Clariſſa.
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch in dem Bauer hatte, und ihn ſehen konte ſo oft ich wollte.
Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch kan an ſonſt nichts dencken, als an meine goͤttliche Clariſſa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir das verhaßte Wort im Halſe ſtecken! Jch muß ſie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe geben.(*)
CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert unſer Ohr. Man fuͤhlt die Zaͤrtlichkeit mit welcher Kinder ſchertzen. Ein unverfaͤlſchtes Blut/ wie das in jungen Hertzen/ Schlaͤgt in der Maͤnner Bruſt.
Haͤtteſt du je gedacht, daß ich, der ich ſonſt zum hoͤchſten glaubte daß meine Gegenliebe eben ſo groß ſeyn koͤnte als die Liebe der Schoͤnen; daß ich, der ich um dieſes goͤttlichen Kindes wil- len mir es gar habe in den Sinn kommen laſſen, das Leben in Feſſeln dem Leben der Ehre vorzuziehen: daß ich auch dem Otway dieſe all- zuzaͤrtlichen Zeilen jemals abborgen wuͤrde.
Jch muß mich ſelbſt ſchelten. Dryden ſchreibt:
Ein anders Feuer iſt die Lieb in andern Seelen:
Der
(*)Liebe heiſt im Engliſchen Love, welches der Anfang des Namens Lovelace iſt.
X 5
<TEI><text><body><divn="2"><divn="2"><p><pbfacs="#f0349"n="329"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch<lb/>
in dem Bauer hatte, und ihn ſehen konte ſo oft<lb/>
ich wollte.</p><lb/><p>Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch<lb/>
kan an ſonſt nichts dencken, als an meine goͤttliche<lb/>
Clariſſa Harlowe. <hirendition="#fr">Harlowe!</hi> wie bleibt mir<lb/>
das verhaßte Wort im Halſe ſtecken! Jch muß<lb/>ſie umtauffen, und ihr den Namen <hirendition="#fr">der Liebe</hi><lb/>
geben.<noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#fr">Liebe</hi> heiſt im Engliſchen <hirendition="#fr">Love,</hi> welches der<lb/>
Anfang des Namens Lovelace iſt.</note></p><lb/><lgtype="poem"><l>CLARJSSA! <hirendition="#fr">O Dein Schall bezaubert</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">unſer Ohr.</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Man fuͤhlt die Zaͤrtlichkeit mit welcher</hi></l><lb/><l><hirendition="#et"><hirendition="#et">Kinder ſchertzen.</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Ein unverfaͤlſchtes Blut/ wie das in</hi></l><lb/><l><hirendition="#et"><hirendition="#et">jungen Hertzen/</hi></hi></l><lb/><l><hirendition="#et">Schlaͤgt in der Maͤnner Bruſt.</hi></l></lg><lb/><p>Haͤtteſt du je gedacht, daß ich, der ich ſonſt<lb/>
zum hoͤchſten glaubte daß meine Gegenliebe eben<lb/>ſo groß ſeyn koͤnte als die Liebe der Schoͤnen;<lb/>
daß ich, der ich um dieſes goͤttlichen Kindes wil-<lb/>
len mir es gar habe in den Sinn kommen laſſen,<lb/><hirendition="#fr">das Leben in Feſſeln</hi> dem <hirendition="#fr">Leben der Ehre</hi><lb/>
vorzuziehen: daß ich auch dem <hirendition="#fr">Otway</hi> dieſe all-<lb/>
zuzaͤrtlichen Zeilen jemals abborgen wuͤrde.</p><lb/><p>Jch muß mich ſelbſt ſchelten. <hirendition="#fr">Dryden</hi>ſchreibt:</p><lb/><cit><quote><lgtype="poem"><l><hirendition="#fr">Ein anders Feuer iſt die Lieb in andern</hi></l><lb/><l><hirendition="#fr"><hirendition="#et">Seelen:</hi></hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Der</hi></fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 5</fw><lb/></quote></cit></div></div></body></text></TEI>
[329/0349]
der Clariſſa.
war, hielt ich ihn theurer, als da ich ihn noch
in dem Bauer hatte, und ihn ſehen konte ſo oft
ich wollte.
Nun aber bin ich in der That verliebt. Jch
kan an ſonſt nichts dencken, als an meine goͤttliche
Clariſſa Harlowe. Harlowe! wie bleibt mir
das verhaßte Wort im Halſe ſtecken! Jch muß
ſie umtauffen, und ihr den Namen der Liebe
geben. (*)
CLARJSSA! O Dein Schall bezaubert
unſer Ohr.
Man fuͤhlt die Zaͤrtlichkeit mit welcher
Kinder ſchertzen.
Ein unverfaͤlſchtes Blut/ wie das in
jungen Hertzen/
Schlaͤgt in der Maͤnner Bruſt.
Haͤtteſt du je gedacht, daß ich, der ich ſonſt
zum hoͤchſten glaubte daß meine Gegenliebe eben
ſo groß ſeyn koͤnte als die Liebe der Schoͤnen;
daß ich, der ich um dieſes goͤttlichen Kindes wil-
len mir es gar habe in den Sinn kommen laſſen,
das Leben in Feſſeln dem Leben der Ehre
vorzuziehen: daß ich auch dem Otway dieſe all-
zuzaͤrtlichen Zeilen jemals abborgen wuͤrde.
Jch muß mich ſelbſt ſchelten. Dryden ſchreibt:
Ein anders Feuer iſt die Lieb in andern
Seelen:
Der
(*) Liebe heiſt im Engliſchen Love, welches der
Anfang des Namens Lovelace iſt.
X 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/349>, abgerufen am 09.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.