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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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wenn ich auch nicht alle Manns-Personen anklagen
will, daß sie eine verstattete Freyheit misbrauchen,
so kann ich doch den Herrn Lovelace von dieser
Beschuldigung nicht frey sprechen.

Jch will daher immer, so wie bisher geschehen
ist, überlegen, was er für geheime Endzwecke bey
dem was er vorschlägt, oder redet, haben könnte.
Jch will bey allem, was einigem Zweisfel unterwor-
fen ist, das beste hoffen, und das schlimmste fürch-
ten. Denn in meinen Umständen ist es besser, allzu-
furchtsam zu seyn, als sich durch Unbedachtsamkeit
in Gefahr zu stürtzen.

Herr Lovelace ist nach Windsor geritten, und
hat zwey Bedienten zu meiner Aufwartung zurück
gelassen. Morgen gedenckt er wieder hier zu seyn.

Jch habe an die Frau Hervey geschrieben, und
sie gebeten für mich zu sprechen, damit ich meine
Kleider, Bücher und Geld bekommen möchte. Jch
habe mich gegen sie erkläret, daß ich bis auf diese
Stunde weiter nichts begehrte, als die billige Er-
laubniß, Nein zu sagen, und unverheyrathet blei-
ben wollte: wenn mich die Meinigen wieder anneh-
men, und mir so begegnen wollten, wie ich es von
Eltern, Onckles und Geschwistern erwarten sollte.
Jch habe aber dabey zu verstehen gegeben, daß es
vielleicht für mich und meine Geschwister besser seyn
möchte, wenn wir uns nicht an einem Orte auf-
hielten, nachdem sie mir so sehr übel begegnet wä-
ren. Jch hoffe, daß sie dieses von meinem Gute
auslegen wird. Dabey habe ich mich erboten, mei-
ne gantze Einrichtung nach meines Vaters Gutbe-

finden



wenn ich auch nicht alle Manns-Perſonen anklagen
will, daß ſie eine verſtattete Freyheit misbrauchen,
ſo kann ich doch den Herrn Lovelace von dieſer
Beſchuldigung nicht frey ſprechen.

Jch will daher immer, ſo wie bisher geſchehen
iſt, uͤberlegen, was er fuͤr geheime Endzwecke bey
dem was er vorſchlaͤgt, oder redet, haben koͤnnte.
Jch will bey allem, was einigem Zweiſfel unterwor-
fen iſt, das beſte hoffen, und das ſchlimmſte fuͤrch-
ten. Denn in meinen Umſtaͤnden iſt es beſſer, allzu-
furchtſam zu ſeyn, als ſich durch Unbedachtſamkeit
in Gefahr zu ſtuͤrtzen.

Herr Lovelace iſt nach Windſor geritten, und
hat zwey Bedienten zu meiner Aufwartung zuruͤck
gelaſſen. Morgen gedenckt er wieder hier zu ſeyn.

Jch habe an die Frau Hervey geſchrieben, und
ſie gebeten fuͤr mich zu ſprechen, damit ich meine
Kleider, Buͤcher und Geld bekommen moͤchte. Jch
habe mich gegen ſie erklaͤret, daß ich bis auf dieſe
Stunde weiter nichts begehrte, als die billige Er-
laubniß, Nein zu ſagen, und unverheyrathet blei-
ben wollte: wenn mich die Meinigen wieder anneh-
men, und mir ſo begegnen wollten, wie ich es von
Eltern, Onckles und Geſchwiſtern erwarten ſollte.
Jch habe aber dabey zu verſtehen gegeben, daß es
vielleicht fuͤr mich und meine Geſchwiſter beſſer ſeyn
moͤchte, wenn wir uns nicht an einem Orte auf-
hielten, nachdem ſie mir ſo ſehr uͤbel begegnet waͤ-
ren. Jch hoffe, daß ſie dieſes von meinem Gute
auslegen wird. Dabey habe ich mich erboten, mei-
ne gantze Einrichtung nach meines Vaters Gutbe-

finden
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[223/0237] wenn ich auch nicht alle Manns-Perſonen anklagen will, daß ſie eine verſtattete Freyheit misbrauchen, ſo kann ich doch den Herrn Lovelace von dieſer Beſchuldigung nicht frey ſprechen. Jch will daher immer, ſo wie bisher geſchehen iſt, uͤberlegen, was er fuͤr geheime Endzwecke bey dem was er vorſchlaͤgt, oder redet, haben koͤnnte. Jch will bey allem, was einigem Zweiſfel unterwor- fen iſt, das beſte hoffen, und das ſchlimmſte fuͤrch- ten. Denn in meinen Umſtaͤnden iſt es beſſer, allzu- furchtſam zu ſeyn, als ſich durch Unbedachtſamkeit in Gefahr zu ſtuͤrtzen. Herr Lovelace iſt nach Windſor geritten, und hat zwey Bedienten zu meiner Aufwartung zuruͤck gelaſſen. Morgen gedenckt er wieder hier zu ſeyn. Jch habe an die Frau Hervey geſchrieben, und ſie gebeten fuͤr mich zu ſprechen, damit ich meine Kleider, Buͤcher und Geld bekommen moͤchte. Jch habe mich gegen ſie erklaͤret, daß ich bis auf dieſe Stunde weiter nichts begehrte, als die billige Er- laubniß, Nein zu ſagen, und unverheyrathet blei- ben wollte: wenn mich die Meinigen wieder anneh- men, und mir ſo begegnen wollten, wie ich es von Eltern, Onckles und Geſchwiſtern erwarten ſollte. Jch habe aber dabey zu verſtehen gegeben, daß es vielleicht fuͤr mich und meine Geſchwiſter beſſer ſeyn moͤchte, wenn wir uns nicht an einem Orte auf- hielten, nachdem ſie mir ſo ſehr uͤbel begegnet waͤ- ren. Jch hoffe, daß ſie dieſes von meinem Gute auslegen wird. Dabey habe ich mich erboten, mei- ne gantze Einrichtung nach meines Vaters Gutbe- finden

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/237>, abgerufen am 26.04.2024.