Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



lichkeit fortsetzen, und zwar so geschickt, daß,
wenn ich auch zwanzig mal abbreche, du doch
nicht merken sollst, wo ich meinen Faden wieder
anknüpfe.

Ob mich das Podagra gleich sehr plagete: so
stieg ich doch aus meinem Wagen heraus. Jch
lehnte mich mit der einen Hand steif auf meinen
Stock, und mit der andern auf meines neuen
Dieners Schulter. Jch stieg beynahe eben den
Augenblick aus, da er an die Thür geklopft hatte,
damit ich gewiß wäre, daß man mich einließe.

Jch ließ mir wohl angelegen seyn, meinen
weiten Rock über mich zuzuknöpfen, und so gar
meinen Degenknopf damit zu bedecken, weil er
sich zu meinen Jahren nicht völlig schickte. Mir
war unbekannt, was ich für Gelegenheit haben
möchte, meinen Degen zu gebrauchen. Jch ging
gebückt fort und blinzte mit meinen Augen, da-
mit man das Feuer in denselben nicht merkte.
Jch rühme meine Augen hiemit nicht zu
viel, Bruder!
Mein vor Zahnschmerzen einge-
hülltes Kinn, mein liederlich niedergedruckter
Tressenhut, und so viel, als von meiner Perucke
zu sehen war, gab mir alles zusammen das Anse-
hen eines veralteten Stutzers.

Jch beschloß zum voraus, daß ich meine Frau
an mannichfaltigen Beschwerden zugleich krank
machen wollte.

Die Magd kam an die Thüre. Jch ver-
langte mit ihrer Frau zu sprechen. Sie führte

mich



lichkeit fortſetzen, und zwar ſo geſchickt, daß,
wenn ich auch zwanzig mal abbreche, du doch
nicht merken ſollſt, wo ich meinen Faden wieder
anknuͤpfe.

Ob mich das Podagra gleich ſehr plagete: ſo
ſtieg ich doch aus meinem Wagen heraus. Jch
lehnte mich mit der einen Hand ſteif auf meinen
Stock, und mit der andern auf meines neuen
Dieners Schulter. Jch ſtieg beynahe eben den
Augenblick aus, da er an die Thuͤr geklopft hatte,
damit ich gewiß waͤre, daß man mich einließe.

Jch ließ mir wohl angelegen ſeyn, meinen
weiten Rock uͤber mich zuzuknoͤpfen, und ſo gar
meinen Degenknopf damit zu bedecken, weil er
ſich zu meinen Jahren nicht voͤllig ſchickte. Mir
war unbekannt, was ich fuͤr Gelegenheit haben
moͤchte, meinen Degen zu gebrauchen. Jch ging
gebuͤckt fort und blinzte mit meinen Augen, da-
mit man das Feuer in denſelben nicht merkte.
Jch ruͤhme meine Augen hiemit nicht zu
viel, Bruder!
Mein vor Zahnſchmerzen einge-
huͤlltes Kinn, mein liederlich niedergedruckter
Treſſenhut, und ſo viel, als von meiner Perucke
zu ſehen war, gab mir alles zuſammen das Anſe-
hen eines veralteten Stutzers.

Jch beſchloß zum voraus, daß ich meine Frau
an mannichfaltigen Beſchwerden zugleich krank
machen wollte.

Die Magd kam an die Thuͤre. Jch ver-
langte mit ihrer Frau zu ſprechen. Sie fuͤhrte

mich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="214"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lichkeit fort&#x017F;etzen, und zwar &#x017F;o ge&#x017F;chickt, daß,<lb/>
wenn ich auch zwanzig mal abbreche, du doch<lb/>
nicht merken &#x017F;oll&#x017F;t, wo ich meinen Faden wieder<lb/>
anknu&#x0364;pfe.</p><lb/>
          <p>Ob mich das Podagra gleich &#x017F;ehr plagete: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tieg ich doch aus meinem Wagen heraus. Jch<lb/>
lehnte mich mit der einen Hand &#x017F;teif auf meinen<lb/>
Stock, und mit der andern auf meines neuen<lb/>
Dieners Schulter. Jch &#x017F;tieg beynahe eben den<lb/>
Augenblick aus, da er an die Thu&#x0364;r geklopft hatte,<lb/>
damit ich gewiß wa&#x0364;re, daß man mich einließe.</p><lb/>
          <p>Jch ließ mir wohl angelegen &#x017F;eyn, meinen<lb/>
weiten Rock u&#x0364;ber mich zuzukno&#x0364;pfen, und &#x017F;o gar<lb/>
meinen Degenknopf damit zu bedecken, weil er<lb/>
&#x017F;ich zu meinen Jahren nicht vo&#x0364;llig &#x017F;chickte. Mir<lb/>
war unbekannt, was ich fu&#x0364;r Gelegenheit haben<lb/>
mo&#x0364;chte, meinen Degen zu gebrauchen. Jch ging<lb/>
gebu&#x0364;ckt fort und blinzte mit meinen Augen, da-<lb/>
mit man das Feuer in den&#x017F;elben nicht merkte.<lb/><hi rendition="#fr">Jch ru&#x0364;hme meine Augen hiemit nicht zu<lb/>
viel, Bruder!</hi> Mein vor Zahn&#x017F;chmerzen einge-<lb/>
hu&#x0364;lltes Kinn, mein liederlich niedergedruckter<lb/>
Tre&#x017F;&#x017F;enhut, und &#x017F;o viel, als von meiner Perucke<lb/>
zu &#x017F;ehen war, gab mir alles zu&#x017F;ammen das An&#x017F;e-<lb/>
hen eines veralteten Stutzers.</p><lb/>
          <p>Jch be&#x017F;chloß zum voraus, daß ich meine Frau<lb/>
an mannichfaltigen Be&#x017F;chwerden zugleich krank<lb/>
machen wollte.</p><lb/>
          <p>Die Magd kam an die Thu&#x0364;re. Jch ver-<lb/>
langte mit ihrer Frau zu &#x017F;prechen. Sie fu&#x0364;hrte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0220] lichkeit fortſetzen, und zwar ſo geſchickt, daß, wenn ich auch zwanzig mal abbreche, du doch nicht merken ſollſt, wo ich meinen Faden wieder anknuͤpfe. Ob mich das Podagra gleich ſehr plagete: ſo ſtieg ich doch aus meinem Wagen heraus. Jch lehnte mich mit der einen Hand ſteif auf meinen Stock, und mit der andern auf meines neuen Dieners Schulter. Jch ſtieg beynahe eben den Augenblick aus, da er an die Thuͤr geklopft hatte, damit ich gewiß waͤre, daß man mich einließe. Jch ließ mir wohl angelegen ſeyn, meinen weiten Rock uͤber mich zuzuknoͤpfen, und ſo gar meinen Degenknopf damit zu bedecken, weil er ſich zu meinen Jahren nicht voͤllig ſchickte. Mir war unbekannt, was ich fuͤr Gelegenheit haben moͤchte, meinen Degen zu gebrauchen. Jch ging gebuͤckt fort und blinzte mit meinen Augen, da- mit man das Feuer in denſelben nicht merkte. Jch ruͤhme meine Augen hiemit nicht zu viel, Bruder! Mein vor Zahnſchmerzen einge- huͤlltes Kinn, mein liederlich niedergedruckter Treſſenhut, und ſo viel, als von meiner Perucke zu ſehen war, gab mir alles zuſammen das Anſe- hen eines veralteten Stutzers. Jch beſchloß zum voraus, daß ich meine Frau an mannichfaltigen Beſchwerden zugleich krank machen wollte. Die Magd kam an die Thuͤre. Jch ver- langte mit ihrer Frau zu ſprechen. Sie fuͤhrte mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/220
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/220>, abgerufen am 29.04.2024.