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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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einem Theile weise-scheinen-wollender Aerzte von
feyerlichen Mienen und ihren dienstfertigen Gauck-
lern, den Apothekern, nebst der Metzgerzunft
von Badern, die sich alle vereinigt hatten, das
Possenspiel aus der Arzneykunst anzuheben und
aus seinem Rücken und Gütern Riemen zu schnei-
den - - Wenn du noch dazu in Furcht stehen
mußtest, deinen Vortheil von dem, was er ver-
lassen wird, mit einem Haufen von hungrigen
Verwandten, die nicht genug bekommen können,
von andern, denen etwas vermacht ist, und der
Teufel weiß von was für Leuten mehr, von gehei-
men Helfershelfern bey löblichen so wohl als straf-
baren Leidenschaften, zu theilen - - Wenn du
dich unter solchen Umständen befandest: so wun-
dere ich mich nicht, daß du Bedienten, welche im
Herzen eben so wenig, als du selbst, betrübt sind,
und nach Vermächtnissen, wie du nach der Erb-
schaft,
schnappen, so vorkamest, als wenn du in
der That traurig wärest, und das größte Wehe,
welches ein Gesicht verstellen muß, dich überfal-
len hätte.

Darzu kommt, wie ich oft gedacht habe, die
Vorstellung, welche natürlicherweise von solchen
traurigen Gegenständen entstehet, als der Tod ei-
nes Menschen, mit dem wir vertraut gelebet ha-
ben, nothwendig an die Hand geben muß, wenn
wir genöthigt sind, ihn in seiner langsamen Her-
annäherung und in seinen heftigen Schmerzen,
worüber sich das ganze Gesicht verziehen muß,
zu erwarten: die Vorstellung, daß eben das einst

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einem Theile weiſe-ſcheinen-wollender Aerzte von
feyerlichen Mienen und ihren dienſtfertigen Gauck-
lern, den Apothekern, nebſt der Metzgerzunft
von Badern, die ſich alle vereinigt hatten, das
Poſſenſpiel aus der Arzneykunſt anzuheben und
aus ſeinem Ruͤcken und Guͤtern Riemen zu ſchnei-
den ‒ ‒ Wenn du noch dazu in Furcht ſtehen
mußteſt, deinen Vortheil von dem, was er ver-
laſſen wird, mit einem Haufen von hungrigen
Verwandten, die nicht genug bekommen koͤnnen,
von andern, denen etwas vermacht iſt, und der
Teufel weiß von was fuͤr Leuten mehr, von gehei-
men Helfershelfern bey loͤblichen ſo wohl als ſtraf-
baren Leidenſchaften, zu theilen ‒ ‒ Wenn du
dich unter ſolchen Umſtaͤnden befandeſt: ſo wun-
dere ich mich nicht, daß du Bedienten, welche im
Herzen eben ſo wenig, als du ſelbſt, betruͤbt ſind,
und nach Vermaͤchtniſſen, wie du nach der Erb-
ſchaft,
ſchnappen, ſo vorkameſt, als wenn du in
der That traurig waͤreſt, und das groͤßte Wehe,
welches ein Geſicht verſtellen muß, dich uͤberfal-
len haͤtte.

Darzu kommt, wie ich oft gedacht habe, die
Vorſtellung, welche natuͤrlicherweiſe von ſolchen
traurigen Gegenſtaͤnden entſtehet, als der Tod ei-
nes Menſchen, mit dem wir vertraut gelebet ha-
ben, nothwendig an die Hand geben muß, wenn
wir genoͤthigt ſind, ihn in ſeiner langſamen Her-
annaͤherung und in ſeinen heftigen Schmerzen,
woruͤber ſich das ganze Geſicht verziehen muß,
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[487/0493] einem Theile weiſe-ſcheinen-wollender Aerzte von feyerlichen Mienen und ihren dienſtfertigen Gauck- lern, den Apothekern, nebſt der Metzgerzunft von Badern, die ſich alle vereinigt hatten, das Poſſenſpiel aus der Arzneykunſt anzuheben und aus ſeinem Ruͤcken und Guͤtern Riemen zu ſchnei- den ‒ ‒ Wenn du noch dazu in Furcht ſtehen mußteſt, deinen Vortheil von dem, was er ver- laſſen wird, mit einem Haufen von hungrigen Verwandten, die nicht genug bekommen koͤnnen, von andern, denen etwas vermacht iſt, und der Teufel weiß von was fuͤr Leuten mehr, von gehei- men Helfershelfern bey loͤblichen ſo wohl als ſtraf- baren Leidenſchaften, zu theilen ‒ ‒ Wenn du dich unter ſolchen Umſtaͤnden befandeſt: ſo wun- dere ich mich nicht, daß du Bedienten, welche im Herzen eben ſo wenig, als du ſelbſt, betruͤbt ſind, und nach Vermaͤchtniſſen, wie du nach der Erb- ſchaft, ſchnappen, ſo vorkameſt, als wenn du in der That traurig waͤreſt, und das groͤßte Wehe, welches ein Geſicht verſtellen muß, dich uͤberfal- len haͤtte. Darzu kommt, wie ich oft gedacht habe, die Vorſtellung, welche natuͤrlicherweiſe von ſolchen traurigen Gegenſtaͤnden entſtehet, als der Tod ei- nes Menſchen, mit dem wir vertraut gelebet ha- ben, nothwendig an die Hand geben muß, wenn wir genoͤthigt ſind, ihn in ſeiner langſamen Her- annaͤherung und in ſeinen heftigen Schmerzen, woruͤber ſich das ganze Geſicht verziehen muß, zu erwarten: die Vorſtellung, daß eben das einſt auch H h 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/493>, abgerufen am 15.05.2024.