Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Ziel nahe zu seyn denket: wie ungestüm treiben
ihn eben alsdenn diese schüchterne Frauenzimmer
aus der Bahn!



Jst alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge-
liebte mir ihr Wort gehalten? - - Kommen die-
se wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder
von Furcht? Jch kann nicht sagen, wenn es auch
mein Leben kosten sollte, wovon ich am meisten
habe. Wenn ich sie nur übereilen kann, ehe ih-
re Furcht, ehe ihre Beredtsamkeit erwach et - -

Meine Glieder, warum zuckt ihr so! Meine
Knie, die bis itzo so fest gehalten, warum seyd ihr
so schwankend? Warum schlagt ihr so zusammen?
Werden mich nicht diese zitternde Finger, welche
zweymal, die Feder zu führen, versagt haben, und
das Papier so krumm beflecken, auch in dem be-
schwerlichen Augenblicke verlassen?

Noch einmal, warum und wozu alle diese
Zückungen? Jn Wahrheit, dieser Anschlag soll
nicht auf die Ehe hinauslaufen.

Aber die Folgen müssen wichtiger seyn, als
ich bis diesen Augenblick gedacht habe. Meiner
Geliebten oder mein eignes Schicksal kann viel-
leicht von dem Ausgange der zwo nächsten Stun-
den abhangen!

Jch danke, ich werde zurückgehen -



Sanft, o heilige Jungfer, und eben so sicher
als sanfte sey dein Schlummer!

Jch
E 2



Ziel nahe zu ſeyn denket: wie ungeſtuͤm treiben
ihn eben alsdenn dieſe ſchuͤchterne Frauenzimmer
aus der Bahn!



Jſt alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge-
liebte mir ihr Wort gehalten? ‒ ‒ Kommen die-
ſe wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder
von Furcht? Jch kann nicht ſagen, wenn es auch
mein Leben koſten ſollte, wovon ich am meiſten
habe. Wenn ich ſie nur uͤbereilen kann, ehe ih-
re Furcht, ehe ihre Beredtſamkeit erwach et ‒ ‒

Meine Glieder, warum zuckt ihr ſo! Meine
Knie, die bis itzo ſo feſt gehalten, warum ſeyd ihr
ſo ſchwankend? Warum ſchlagt ihr ſo zuſammen?
Werden mich nicht dieſe zitternde Finger, welche
zweymal, die Feder zu fuͤhren, verſagt haben, und
das Papier ſo krumm beflecken, auch in dem be-
ſchwerlichen Augenblicke verlaſſen?

Noch einmal, warum und wozu alle dieſe
Zuͤckungen? Jn Wahrheit, dieſer Anſchlag ſoll
nicht auf die Ehe hinauslaufen.

Aber die Folgen muͤſſen wichtiger ſeyn, als
ich bis dieſen Augenblick gedacht habe. Meiner
Geliebten oder mein eignes Schickſal kann viel-
leicht von dem Ausgange der zwo naͤchſten Stun-
den abhangen!

Jch danke, ich werde zuruͤckgehen ‒



Sanft, o heilige Jungfer, und eben ſo ſicher
als ſanfte ſey dein Schlummer!

Jch
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0073" n="67"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ziel nahe zu &#x017F;eyn denket: wie unge&#x017F;tu&#x0364;m treiben<lb/>
ihn eben alsdenn die&#x017F;e &#x017F;chu&#x0364;chterne Frauenzimmer<lb/>
aus der Bahn!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>J&#x017F;t alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge-<lb/>
liebte mir ihr Wort gehalten? &#x2012; &#x2012; Kommen die-<lb/>
&#x017F;e wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder<lb/>
von Furcht? Jch kann nicht &#x017F;agen, wenn es auch<lb/>
mein Leben ko&#x017F;ten &#x017F;ollte, wovon ich am mei&#x017F;ten<lb/>
habe. Wenn ich &#x017F;ie nur u&#x0364;bereilen kann, ehe ih-<lb/>
re Furcht, ehe ihre Beredt&#x017F;amkeit erwach et &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Meine Glieder, warum zuckt ihr &#x017F;o! Meine<lb/>
Knie, die bis itzo &#x017F;o fe&#x017F;t gehalten, warum &#x017F;eyd ihr<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwankend? Warum &#x017F;chlagt ihr &#x017F;o zu&#x017F;ammen?<lb/>
Werden mich nicht die&#x017F;e zitternde Finger, welche<lb/>
zweymal, die Feder zu fu&#x0364;hren, ver&#x017F;agt haben, und<lb/>
das Papier &#x017F;o krumm beflecken, auch in dem be-<lb/>
&#x017F;chwerlichen Augenblicke verla&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>Noch einmal, warum und wozu alle die&#x017F;e<lb/>
Zu&#x0364;ckungen? Jn Wahrheit, die&#x017F;er An&#x017F;chlag &#x017F;oll<lb/>
nicht auf die Ehe hinauslaufen.</p><lb/>
          <p>Aber die Folgen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wichtiger &#x017F;eyn, als<lb/>
ich bis die&#x017F;en Augenblick gedacht habe. Meiner<lb/>
Geliebten oder mein eignes Schick&#x017F;al kann viel-<lb/>
leicht von dem Ausgange der zwo na&#x0364;ch&#x017F;ten Stun-<lb/>
den abhangen!</p><lb/>
          <p>Jch danke, ich werde zuru&#x0364;ckgehen &#x2012;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sanft, o heilige Jungfer, und eben &#x017F;o &#x017F;icher<lb/>
als &#x017F;anfte &#x017F;ey dein Schlummer!</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0073] Ziel nahe zu ſeyn denket: wie ungeſtuͤm treiben ihn eben alsdenn dieſe ſchuͤchterne Frauenzimmer aus der Bahn! Jſt alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge- liebte mir ihr Wort gehalten? ‒ ‒ Kommen die- ſe wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder von Furcht? Jch kann nicht ſagen, wenn es auch mein Leben koſten ſollte, wovon ich am meiſten habe. Wenn ich ſie nur uͤbereilen kann, ehe ih- re Furcht, ehe ihre Beredtſamkeit erwach et ‒ ‒ Meine Glieder, warum zuckt ihr ſo! Meine Knie, die bis itzo ſo feſt gehalten, warum ſeyd ihr ſo ſchwankend? Warum ſchlagt ihr ſo zuſammen? Werden mich nicht dieſe zitternde Finger, welche zweymal, die Feder zu fuͤhren, verſagt haben, und das Papier ſo krumm beflecken, auch in dem be- ſchwerlichen Augenblicke verlaſſen? Noch einmal, warum und wozu alle dieſe Zuͤckungen? Jn Wahrheit, dieſer Anſchlag ſoll nicht auf die Ehe hinauslaufen. Aber die Folgen muͤſſen wichtiger ſeyn, als ich bis dieſen Augenblick gedacht habe. Meiner Geliebten oder mein eignes Schickſal kann viel- leicht von dem Ausgange der zwo naͤchſten Stun- den abhangen! Jch danke, ich werde zuruͤckgehen ‒ Sanft, o heilige Jungfer, und eben ſo ſicher als ſanfte ſey dein Schlummer! Jch E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/73
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/73>, abgerufen am 13.05.2024.