Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



nehmen lassen: eine Summe; nichts von der
niederträchtigen Bosheit bey diesem Verfahren
zu sagen; welche die liebe Seele unmöglich auf-
bringen könnte; da alle ihre Kleider und Sachen,
ausgenommen was sie an und bey sich hatte, als
sie davon ging, in dem Hause des alten Teufels
sind.

Und hier, was noch so viel schlimmer ist, hat
das liebe Kind schon zween Tage liegen müssen.
Denn ich mußte meine beyden Tanten und mei-
ne zwo Basen bedienen, und dem Lord M. nach
seinem langwierigen Lager bey einer Lustreise zur
Veränderung der Luft Gesellschaft leisten.
Der Henker hole unsere ganze Familie! - - Jch
bin nicht eher, als diese Stunde, zurückgekom-
men, und nun bin ich zu meiner Verwirrung zu-
rückgekommen: da ich die verfluchte Zeitung und
den frohlockenden Brief erhalten habe.

Eile, eile, lieber Bruder, um Gottes willen
eile zu der beleidigten Schönen! Mein Herz blu-
tet für sie - - Dieß hat sie nicht verdienet! - -
Jch darf keinen Fuß von hier setzen. - - Man
wird glauben, daß es auf meinen Anschlag ge-
schehen sey - - Und wo ich von der Stelle ge-
he: so wird das den Verdacht bestätigen.

Verdammt sey den Augenblick dieß verfluch-
te Weib! - - Gleichwohl denkt sie, daß sie hie-
durch nicht wenig Dank bey mir verdienet habe! - -
Unglücklicher, höchst unglücklicher Umstand! - -
Noch dazu eben zu einer Zeit, da sich bessere

Aus-
Sechster Theil. R



nehmen laſſen: eine Summe; nichts von der
niedertraͤchtigen Bosheit bey dieſem Verfahren
zu ſagen; welche die liebe Seele unmoͤglich auf-
bringen koͤnnte; da alle ihre Kleider und Sachen,
ausgenommen was ſie an und bey ſich hatte, als
ſie davon ging, in dem Hauſe des alten Teufels
ſind.

Und hier, was noch ſo viel ſchlimmer iſt, hat
das liebe Kind ſchon zween Tage liegen muͤſſen.
Denn ich mußte meine beyden Tanten und mei-
ne zwo Baſen bedienen, und dem Lord M. nach
ſeinem langwierigen Lager bey einer Luſtreiſe zur
Veraͤnderung der Luft Geſellſchaft leiſten.
Der Henker hole unſere ganze Familie! ‒ ‒ Jch
bin nicht eher, als dieſe Stunde, zuruͤckgekom-
men, und nun bin ich zu meiner Verwirrung zu-
ruͤckgekommen: da ich die verfluchte Zeitung und
den frohlockenden Brief erhalten habe.

Eile, eile, lieber Bruder, um Gottes willen
eile zu der beleidigten Schoͤnen! Mein Herz blu-
tet fuͤr ſie ‒ ‒ Dieß hat ſie nicht verdienet! ‒ ‒
Jch darf keinen Fuß von hier ſetzen. ‒ ‒ Man
wird glauben, daß es auf meinen Anſchlag ge-
ſchehen ſey ‒ ‒ Und wo ich von der Stelle ge-
he: ſo wird das den Verdacht beſtaͤtigen.

Verdammt ſey den Augenblick dieß verfluch-
te Weib! ‒ ‒ Gleichwohl denkt ſie, daß ſie hie-
durch nicht wenig Dank bey mir verdienet habe! ‒ ‒
Ungluͤcklicher, hoͤchſt ungluͤcklicher Umſtand! ‒ ‒
Noch dazu eben zu einer Zeit, da ſich beſſere

Aus-
Sechſter Theil. R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0263" n="257"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nehmen la&#x017F;&#x017F;en: eine Summe; nichts von der<lb/>
niedertra&#x0364;chtigen Bosheit bey die&#x017F;em Verfahren<lb/>
zu &#x017F;agen; welche die liebe Seele unmo&#x0364;glich auf-<lb/>
bringen ko&#x0364;nnte; da alle ihre Kleider und Sachen,<lb/>
ausgenommen was &#x017F;ie an und bey &#x017F;ich hatte, als<lb/>
&#x017F;ie davon ging, in dem Hau&#x017F;e des alten Teufels<lb/>
&#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Und hier, was noch &#x017F;o viel &#x017F;chlimmer i&#x017F;t, hat<lb/>
das liebe Kind &#x017F;chon zween Tage liegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Denn ich mußte meine beyden Tanten und mei-<lb/>
ne zwo Ba&#x017F;en bedienen, und dem Lord M. nach<lb/>
&#x017F;einem langwierigen Lager bey einer Lu&#x017F;trei&#x017F;e zur<lb/>
Vera&#x0364;nderung der Luft Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft lei&#x017F;ten.<lb/>
Der Henker hole un&#x017F;ere ganze Familie! &#x2012; &#x2012; Jch<lb/>
bin nicht eher, als die&#x017F;e Stunde, zuru&#x0364;ckgekom-<lb/>
men, und nun bin ich zu meiner Verwirrung zu-<lb/>
ru&#x0364;ckgekommen: da ich die verfluchte Zeitung und<lb/>
den frohlockenden Brief erhalten habe.</p><lb/>
          <p>Eile, eile, lieber Bruder, um Gottes willen<lb/>
eile zu der beleidigten Scho&#x0364;nen! Mein Herz blu-<lb/>
tet fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x2012; &#x2012; Dieß hat &#x017F;ie nicht verdienet! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch darf keinen Fuß von hier &#x017F;etzen. &#x2012; &#x2012; Man<lb/>
wird glauben, daß es auf meinen An&#x017F;chlag ge-<lb/>
&#x017F;chehen &#x017F;ey &#x2012; &#x2012; Und wo ich von der Stelle ge-<lb/>
he: &#x017F;o wird das den Verdacht be&#x017F;ta&#x0364;tigen.</p><lb/>
          <p>Verdammt &#x017F;ey den Augenblick dieß verfluch-<lb/>
te Weib! &#x2012; &#x2012; Gleichwohl denkt &#x017F;ie, daß &#x017F;ie hie-<lb/>
durch nicht wenig Dank bey mir verdienet habe! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Unglu&#x0364;cklicher, ho&#x0364;ch&#x017F;t unglu&#x0364;cklicher Um&#x017F;tand! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Noch dazu eben zu einer Zeit, da &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Sech&#x017F;ter Theil.</hi> R</fw><fw place="bottom" type="catch">Aus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0263] nehmen laſſen: eine Summe; nichts von der niedertraͤchtigen Bosheit bey dieſem Verfahren zu ſagen; welche die liebe Seele unmoͤglich auf- bringen koͤnnte; da alle ihre Kleider und Sachen, ausgenommen was ſie an und bey ſich hatte, als ſie davon ging, in dem Hauſe des alten Teufels ſind. Und hier, was noch ſo viel ſchlimmer iſt, hat das liebe Kind ſchon zween Tage liegen muͤſſen. Denn ich mußte meine beyden Tanten und mei- ne zwo Baſen bedienen, und dem Lord M. nach ſeinem langwierigen Lager bey einer Luſtreiſe zur Veraͤnderung der Luft Geſellſchaft leiſten. Der Henker hole unſere ganze Familie! ‒ ‒ Jch bin nicht eher, als dieſe Stunde, zuruͤckgekom- men, und nun bin ich zu meiner Verwirrung zu- ruͤckgekommen: da ich die verfluchte Zeitung und den frohlockenden Brief erhalten habe. Eile, eile, lieber Bruder, um Gottes willen eile zu der beleidigten Schoͤnen! Mein Herz blu- tet fuͤr ſie ‒ ‒ Dieß hat ſie nicht verdienet! ‒ ‒ Jch darf keinen Fuß von hier ſetzen. ‒ ‒ Man wird glauben, daß es auf meinen Anſchlag ge- ſchehen ſey ‒ ‒ Und wo ich von der Stelle ge- he: ſo wird das den Verdacht beſtaͤtigen. Verdammt ſey den Augenblick dieß verfluch- te Weib! ‒ ‒ Gleichwohl denkt ſie, daß ſie hie- durch nicht wenig Dank bey mir verdienet habe! ‒ ‒ Ungluͤcklicher, hoͤchſt ungluͤcklicher Umſtand! ‒ ‒ Noch dazu eben zu einer Zeit, da ſich beſſere Aus- Sechſter Theil. R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/263
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/263>, abgerufen am 13.05.2024.