Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Arztes zuschriebe. Sie bezeugte sich höchst vergnügt
mit beyden Männern, und sagte, ihr Verhalten
gegen sie wäre vollkommen väterlich - -

Väterlich, arme Fräulein! - - Da sie nie-
mals, bis auf die letzte und gar kurze Zeit, aus
ihrer Eltern Augen und Fürsorge gewesen; nun
aber von allen ihren Freunden gänzlich verlassen
ist: so findet sie gern an einem jeden etwas vä-
terliches
und mütterliches; das letzte an Frau
Lovick und Frau Smithen; damit sie bey sich den
Mangel von Vater und Mutter, nach welchen
ihr gehorsames Herz sich sehnet, ersetzen
möge.

Frau Smithen erzählte mir, daß sie, nach-
dem wir weggegangen, ihr und der Witwe Lovick
die Schlüssel zu ihren Kasten und Schubläden
gegeben, und sie gebeten hätte, ein Verzeichniß
von ihren Sachen in denselben aufzufetzen; wel-
ches sie in ihrer Gegenwart gethan.

Sie meldeten mir auch, daß sie sich von ih-
nen ausgebeten hätte, ihr einen Käufer zu zween
reichen und vollkommenen Anzügen von Kleidern
zu verschaffen, wovon der eine noch niemals, der
andere nicht über ein oder zweymal getragen
wäre.

Dieß ging mir über alle Maaßen zu Herzen:
vielleicht mag es dir auch ein wenig zu
Herzen gehen!!!
- - Die Ursachen, warum sie
dieselben verkaufen wollte, sagte sie ihnen, wären
diese: weil sie es nicht erleben würde, sie an-
zuziehen; weil ihre Schwester und andere Ver-

wand-
A a 3



Arztes zuſchriebe. Sie bezeugte ſich hoͤchſt vergnuͤgt
mit beyden Maͤnnern, und ſagte, ihr Verhalten
gegen ſie waͤre vollkommen vaͤterlich ‒ ‒

Vaͤterlich, arme Fraͤulein! ‒ ‒ Da ſie nie-
mals, bis auf die letzte und gar kurze Zeit, aus
ihrer Eltern Augen und Fuͤrſorge geweſen; nun
aber von allen ihren Freunden gaͤnzlich verlaſſen
iſt: ſo findet ſie gern an einem jeden etwas vaͤ-
terliches
und muͤtterliches; das letzte an Frau
Lovick und Frau Smithen; damit ſie bey ſich den
Mangel von Vater und Mutter, nach welchen
ihr gehorſames Herz ſich ſehnet, erſetzen
moͤge.

Frau Smithen erzaͤhlte mir, daß ſie, nach-
dem wir weggegangen, ihr und der Witwe Lovick
die Schluͤſſel zu ihren Kaſten und Schublaͤden
gegeben, und ſie gebeten haͤtte, ein Verzeichniß
von ihren Sachen in denſelben aufzufetzen; wel-
ches ſie in ihrer Gegenwart gethan.

Sie meldeten mir auch, daß ſie ſich von ih-
nen ausgebeten haͤtte, ihr einen Kaͤufer zu zween
reichen und vollkommenen Anzuͤgen von Kleidern
zu verſchaffen, wovon der eine noch niemals, der
andere nicht uͤber ein oder zweymal getragen
waͤre.

Dieß ging mir uͤber alle Maaßen zu Herzen:
vielleicht mag es dir auch ein wenig zu
Herzen gehen!!!
‒ ‒ Die Urſachen, warum ſie
dieſelben verkaufen wollte, ſagte ſie ihnen, waͤren
dieſe: weil ſie es nicht erleben wuͤrde, ſie an-
zuziehen; weil ihre Schweſter und andere Ver-

wand-
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0379" n="373"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Arztes zu&#x017F;chriebe. Sie bezeugte &#x017F;ich ho&#x0364;ch&#x017F;t vergnu&#x0364;gt<lb/>
mit beyden Ma&#x0364;nnern, und &#x017F;agte, ihr Verhalten<lb/>
gegen &#x017F;ie wa&#x0364;re vollkommen <hi rendition="#fr">va&#x0364;terlich</hi> &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Va&#x0364;terlich,</hi> arme Fra&#x0364;ulein! &#x2012; &#x2012; Da &#x017F;ie nie-<lb/>
mals, bis auf die letzte und gar kurze Zeit, aus<lb/>
ihrer Eltern Augen und Fu&#x0364;r&#x017F;orge gewe&#x017F;en; nun<lb/>
aber von allen ihren Freunden ga&#x0364;nzlich verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t: &#x017F;o findet &#x017F;ie gern an einem jeden etwas <hi rendition="#fr">va&#x0364;-<lb/>
terliches</hi> und <hi rendition="#fr">mu&#x0364;tterliches;</hi> das letzte an Frau<lb/>
Lovick und Frau Smithen; damit &#x017F;ie bey &#x017F;ich den<lb/>
Mangel von Vater und Mutter, nach welchen<lb/>
ihr gehor&#x017F;ames Herz &#x017F;ich &#x017F;ehnet, er&#x017F;etzen<lb/>
mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>Frau Smithen erza&#x0364;hlte mir, daß &#x017F;ie, nach-<lb/>
dem wir weggegangen, ihr und der Witwe Lovick<lb/>
die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu ihren Ka&#x017F;ten und Schubla&#x0364;den<lb/>
gegeben, und &#x017F;ie gebeten ha&#x0364;tte, ein Verzeichniß<lb/>
von ihren Sachen in den&#x017F;elben aufzufetzen; wel-<lb/>
ches &#x017F;ie in ihrer Gegenwart gethan.</p><lb/>
          <p>Sie meldeten mir auch, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von ih-<lb/>
nen ausgebeten ha&#x0364;tte, ihr einen Ka&#x0364;ufer zu zween<lb/>
reichen und vollkommenen Anzu&#x0364;gen von Kleidern<lb/>
zu ver&#x017F;chaffen, wovon der eine noch niemals, der<lb/>
andere nicht u&#x0364;ber ein oder zweymal getragen<lb/>
wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Dieß ging mir u&#x0364;ber alle Maaßen zu Herzen:<lb/><hi rendition="#fr">vielleicht mag es dir auch ein wenig zu<lb/>
Herzen gehen!!!</hi> &#x2012; &#x2012; Die Ur&#x017F;achen, warum &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;elben verkaufen wollte, &#x017F;agte &#x017F;ie ihnen, wa&#x0364;ren<lb/>
die&#x017F;e: weil &#x017F;ie es nicht erleben wu&#x0364;rde, &#x017F;ie an-<lb/>
zuziehen; weil ihre Schwe&#x017F;ter und andere Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wand-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0379] Arztes zuſchriebe. Sie bezeugte ſich hoͤchſt vergnuͤgt mit beyden Maͤnnern, und ſagte, ihr Verhalten gegen ſie waͤre vollkommen vaͤterlich ‒ ‒ Vaͤterlich, arme Fraͤulein! ‒ ‒ Da ſie nie- mals, bis auf die letzte und gar kurze Zeit, aus ihrer Eltern Augen und Fuͤrſorge geweſen; nun aber von allen ihren Freunden gaͤnzlich verlaſſen iſt: ſo findet ſie gern an einem jeden etwas vaͤ- terliches und muͤtterliches; das letzte an Frau Lovick und Frau Smithen; damit ſie bey ſich den Mangel von Vater und Mutter, nach welchen ihr gehorſames Herz ſich ſehnet, erſetzen moͤge. Frau Smithen erzaͤhlte mir, daß ſie, nach- dem wir weggegangen, ihr und der Witwe Lovick die Schluͤſſel zu ihren Kaſten und Schublaͤden gegeben, und ſie gebeten haͤtte, ein Verzeichniß von ihren Sachen in denſelben aufzufetzen; wel- ches ſie in ihrer Gegenwart gethan. Sie meldeten mir auch, daß ſie ſich von ih- nen ausgebeten haͤtte, ihr einen Kaͤufer zu zween reichen und vollkommenen Anzuͤgen von Kleidern zu verſchaffen, wovon der eine noch niemals, der andere nicht uͤber ein oder zweymal getragen waͤre. Dieß ging mir uͤber alle Maaßen zu Herzen: vielleicht mag es dir auch ein wenig zu Herzen gehen!!! ‒ ‒ Die Urſachen, warum ſie dieſelben verkaufen wollte, ſagte ſie ihnen, waͤren dieſe: weil ſie es nicht erleben wuͤrde, ſie an- zuziehen; weil ihre Schweſter und andere Ver- wand- A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/379
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/379>, abgerufen am 14.05.2024.