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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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ihre Schärfe verlohren haben, aufs neue zuzu-
spitzen.

Wo Sie etwas zu meiner Glückseligkeit bey-
tragen wollen: so lassen sie Jhre eigne Glück-
seligkeit, und die frohe Hoffnung, die sie vor sich
sehen, ungehindert Platz finden.

Sie werden sehr niedrige Gedanken von Jh-
rer Clarissa Harlowe haben: wo sie nicht glau-
ben, daß das größte Vergnügen, welches Sie in
dieser Welt haben kann, in Jhrem Glück und
Jhrer Wohlfarth liege. Denken Sie nicht an-
ders an mich, meine einzige Freundinn, als unter
denen Umständen, worunter wir in vergangenen
Zeiten mit einander waren: und stellen Sie sich
vor, als wenn ich weit, weit, weg wäre! - - Auf
einer langen Reise! - - Wie oft werden die be-
sten Freunde, wenn ihr Vaterland sie auffordert,
so von einander getrennt - - mit Gewißheit
auf viele Jahre - - mit Wahrscheinlichkeit
auf ewig!

Lieben Sie mich inzwischen beständig. Aber
lassen Sie es eine entwöhnende Liebe seyn. Jch
bin nicht mehr, was ich vormals war: da wir,
wie ich sagen mag, eine unzertrennliche Liebe
unter einander hatten - - Jhre Absichten müs-
sen nun ganz verschieden seyn - - Entschließen
Sie sich, meine Wertheste, einen würdigen Mann
glücklich zu machen: weil ein würdiger Mann
Sie glücklich machen muß - - Und so, meine
Allerliebste, leben Sie für itzo wohl! - - Leben

Sie



ihre Schaͤrfe verlohren haben, aufs neue zuzu-
ſpitzen.

Wo Sie etwas zu meiner Gluͤckſeligkeit bey-
tragen wollen: ſo laſſen ſie Jhre eigne Gluͤck-
ſeligkeit, und die frohe Hoffnung, die ſie vor ſich
ſehen, ungehindert Platz finden.

Sie werden ſehr niedrige Gedanken von Jh-
rer Clariſſa Harlowe haben: wo ſie nicht glau-
ben, daß das groͤßte Vergnuͤgen, welches Sie in
dieſer Welt haben kann, in Jhrem Gluͤck und
Jhrer Wohlfarth liege. Denken Sie nicht an-
ders an mich, meine einzige Freundinn, als unter
denen Umſtaͤnden, worunter wir in vergangenen
Zeiten mit einander waren: und ſtellen Sie ſich
vor, als wenn ich weit, weit, weg waͤre! ‒ ‒ Auf
einer langen Reiſe! ‒ ‒ Wie oft werden die be-
ſten Freunde, wenn ihr Vaterland ſie auffordert,
ſo von einander getrennt ‒ ‒ mit Gewißheit
auf viele Jahre ‒ ‒ mit Wahrſcheinlichkeit
auf ewig!

Lieben Sie mich inzwiſchen beſtaͤndig. Aber
laſſen Sie es eine entwoͤhnende Liebe ſeyn. Jch
bin nicht mehr, was ich vormals war: da wir,
wie ich ſagen mag, eine unzertrennliche Liebe
unter einander hatten ‒ ‒ Jhre Abſichten muͤſ-
ſen nun ganz verſchieden ſeyn ‒ ‒ Entſchließen
Sie ſich, meine Wertheſte, einen wuͤrdigen Mann
gluͤcklich zu machen: weil ein wuͤrdiger Mann
Sie gluͤcklich machen muß ‒ ‒ Und ſo, meine
Allerliebſte, leben Sie fuͤr itzo wohl! ‒ ‒ Leben

Sie
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[392/0398] ihre Schaͤrfe verlohren haben, aufs neue zuzu- ſpitzen. Wo Sie etwas zu meiner Gluͤckſeligkeit bey- tragen wollen: ſo laſſen ſie Jhre eigne Gluͤck- ſeligkeit, und die frohe Hoffnung, die ſie vor ſich ſehen, ungehindert Platz finden. Sie werden ſehr niedrige Gedanken von Jh- rer Clariſſa Harlowe haben: wo ſie nicht glau- ben, daß das groͤßte Vergnuͤgen, welches Sie in dieſer Welt haben kann, in Jhrem Gluͤck und Jhrer Wohlfarth liege. Denken Sie nicht an- ders an mich, meine einzige Freundinn, als unter denen Umſtaͤnden, worunter wir in vergangenen Zeiten mit einander waren: und ſtellen Sie ſich vor, als wenn ich weit, weit, weg waͤre! ‒ ‒ Auf einer langen Reiſe! ‒ ‒ Wie oft werden die be- ſten Freunde, wenn ihr Vaterland ſie auffordert, ſo von einander getrennt ‒ ‒ mit Gewißheit auf viele Jahre ‒ ‒ mit Wahrſcheinlichkeit auf ewig! Lieben Sie mich inzwiſchen beſtaͤndig. Aber laſſen Sie es eine entwoͤhnende Liebe ſeyn. Jch bin nicht mehr, was ich vormals war: da wir, wie ich ſagen mag, eine unzertrennliche Liebe unter einander hatten ‒ ‒ Jhre Abſichten muͤſ- ſen nun ganz verſchieden ſeyn ‒ ‒ Entſchließen Sie ſich, meine Wertheſte, einen wuͤrdigen Mann gluͤcklich zu machen: weil ein wuͤrdiger Mann Sie gluͤcklich machen muß ‒ ‒ Und ſo, meine Allerliebſte, leben Sie fuͤr itzo wohl! ‒ ‒ Leben Sie

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/398>, abgerufen am 29.04.2024.