Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



wie übel sie sich befände, wofern sie es nicht übel
nehmen wollte.

Es wäre eine Gütigkeit an dem Arzte, ver-
setzte sie: aber sie bäte, daß man keinen solchen
Schritt ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung
thun möchte. Sie wollte warten und zusehen,
was für Wirkungen ihr Brief an ihre Schwe-
ster haben würde. Alles, was sie zu hoffen hät-
te, wäre, daß ihr Vater seinen Fluch wiederrufen
möchte. Uebrigens würden ihre Freunde den-
ken, daß sie nicht zu viel leiden könnte: und sie
wäre zufrieden, daß sie litte. Denn nunmehr
könnte ihr nichts begegnen, weswegen sie zu leben
wünschen sollte.

Frau Smithen ging hinunter. Sie kam
aber bald wieder herauf und fragte, ob die Fräu-
lein und ich nicht heute mit ihr zu Mittage essen
wollte: denn es wäre ihr Hochzeitstag. Sie
hätte Fr. Lovick dazu gebeten, und würde sonst
niemand haben, wofern wir ihr die Gewogenheit
beweisen wollten.

Die reizende Fräulein seufzete und schüttelte
den Kopf - - Hochzeitstag! sagte sie - -
Jch wünsche ihnen viele glückliche Hochzeitstage,
Fr. Smithen! - - Aber mich werden sie ent-
schuldigt halten.

Herr Smith kam mit eben der Bitte herauf.
Sie wandten sich beyde an mich.

Unter der Bedingung, daß die Fräulein
wollte, würde ich kein Bedenken machen und an

einem



wie uͤbel ſie ſich befaͤnde, wofern ſie es nicht uͤbel
nehmen wollte.

Es waͤre eine Guͤtigkeit an dem Arzte, ver-
ſetzte ſie: aber ſie baͤte, daß man keinen ſolchen
Schritt ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung
thun moͤchte. Sie wollte warten und zuſehen,
was fuͤr Wirkungen ihr Brief an ihre Schwe-
ſter haben wuͤrde. Alles, was ſie zu hoffen haͤt-
te, waͤre, daß ihr Vater ſeinen Fluch wiederrufen
moͤchte. Uebrigens wuͤrden ihre Freunde den-
ken, daß ſie nicht zu viel leiden koͤnnte: und ſie
waͤre zufrieden, daß ſie litte. Denn nunmehr
koͤnnte ihr nichts begegnen, weswegen ſie zu leben
wuͤnſchen ſollte.

Frau Smithen ging hinunter. Sie kam
aber bald wieder herauf und fragte, ob die Fraͤu-
lein und ich nicht heute mit ihr zu Mittage eſſen
wollte: denn es waͤre ihr Hochzeitstag. Sie
haͤtte Fr. Lovick dazu gebeten, und wuͤrde ſonſt
niemand haben, wofern wir ihr die Gewogenheit
beweiſen wollten.

Die reizende Fraͤulein ſeufzete und ſchuͤttelte
den Kopf ‒ ‒ Hochzeitstag! ſagte ſie ‒ ‒
Jch wuͤnſche ihnen viele gluͤckliche Hochzeitstage,
Fr. Smithen! ‒ ‒ Aber mich werden ſie ent-
ſchuldigt halten.

Herr Smith kam mit eben der Bitte herauf.
Sie wandten ſich beyde an mich.

Unter der Bedingung, daß die Fraͤulein
wollte, wuͤrde ich kein Bedenken machen und an

einem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0450" n="444"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wie u&#x0364;bel &#x017F;ie &#x017F;ich befa&#x0364;nde, wofern &#x017F;ie es nicht u&#x0364;bel<lb/>
nehmen wollte.</p><lb/>
          <p>Es wa&#x0364;re eine Gu&#x0364;tigkeit an dem <hi rendition="#fr">Arzte,</hi> ver-<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ie: aber &#x017F;ie ba&#x0364;te, daß man keinen &#x017F;olchen<lb/>
Schritt ohne ihr Wi&#x017F;&#x017F;en und ihre Einwilligung<lb/>
thun mo&#x0364;chte. Sie wollte warten und zu&#x017F;ehen,<lb/>
was fu&#x0364;r Wirkungen ihr Brief an ihre Schwe-<lb/>
&#x017F;ter haben wu&#x0364;rde. Alles, was &#x017F;ie zu hoffen ha&#x0364;t-<lb/>
te, wa&#x0364;re, daß ihr Vater &#x017F;einen Fluch wiederrufen<lb/>
mo&#x0364;chte. Uebrigens wu&#x0364;rden ihre Freunde den-<lb/>
ken, daß &#x017F;ie nicht zu viel leiden ko&#x0364;nnte: und &#x017F;ie<lb/>
wa&#x0364;re zufrieden, daß &#x017F;ie litte. Denn nunmehr<lb/>
ko&#x0364;nnte ihr nichts begegnen, weswegen &#x017F;ie zu leben<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chen &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Frau Smithen ging hinunter. Sie kam<lb/>
aber bald wieder herauf und fragte, ob die Fra&#x0364;u-<lb/>
lein und ich nicht heute mit ihr zu Mittage e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wollte: denn es wa&#x0364;re ihr Hochzeitstag. Sie<lb/>
ha&#x0364;tte Fr. Lovick dazu gebeten, und wu&#x0364;rde &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
niemand haben, wofern wir ihr die Gewogenheit<lb/>
bewei&#x017F;en wollten.</p><lb/>
          <p>Die reizende Fra&#x0364;ulein &#x017F;eufzete und &#x017F;chu&#x0364;ttelte<lb/>
den Kopf &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Hochzeitstag!</hi> &#x017F;agte &#x017F;ie &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch wu&#x0364;n&#x017F;che ihnen viele glu&#x0364;ckliche Hochzeitstage,<lb/>
Fr. Smithen! &#x2012; &#x2012; Aber <hi rendition="#fr">mich</hi> werden &#x017F;ie ent-<lb/>
&#x017F;chuldigt halten.</p><lb/>
          <p>Herr Smith kam mit eben der Bitte herauf.<lb/>
Sie wandten &#x017F;ich beyde an mich.</p><lb/>
          <p>Unter der Bedingung, daß die <hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein</hi><lb/>
wollte, wu&#x0364;rde ich kein Bedenken machen und an<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0450] wie uͤbel ſie ſich befaͤnde, wofern ſie es nicht uͤbel nehmen wollte. Es waͤre eine Guͤtigkeit an dem Arzte, ver- ſetzte ſie: aber ſie baͤte, daß man keinen ſolchen Schritt ohne ihr Wiſſen und ihre Einwilligung thun moͤchte. Sie wollte warten und zuſehen, was fuͤr Wirkungen ihr Brief an ihre Schwe- ſter haben wuͤrde. Alles, was ſie zu hoffen haͤt- te, waͤre, daß ihr Vater ſeinen Fluch wiederrufen moͤchte. Uebrigens wuͤrden ihre Freunde den- ken, daß ſie nicht zu viel leiden koͤnnte: und ſie waͤre zufrieden, daß ſie litte. Denn nunmehr koͤnnte ihr nichts begegnen, weswegen ſie zu leben wuͤnſchen ſollte. Frau Smithen ging hinunter. Sie kam aber bald wieder herauf und fragte, ob die Fraͤu- lein und ich nicht heute mit ihr zu Mittage eſſen wollte: denn es waͤre ihr Hochzeitstag. Sie haͤtte Fr. Lovick dazu gebeten, und wuͤrde ſonſt niemand haben, wofern wir ihr die Gewogenheit beweiſen wollten. Die reizende Fraͤulein ſeufzete und ſchuͤttelte den Kopf ‒ ‒ Hochzeitstag! ſagte ſie ‒ ‒ Jch wuͤnſche ihnen viele gluͤckliche Hochzeitstage, Fr. Smithen! ‒ ‒ Aber mich werden ſie ent- ſchuldigt halten. Herr Smith kam mit eben der Bitte herauf. Sie wandten ſich beyde an mich. Unter der Bedingung, daß die Fraͤulein wollte, wuͤrde ich kein Bedenken machen und an einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/450
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/450>, abgerufen am 15.05.2024.