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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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8. Die Ausbildung der Ranken-Füllung.
gefügt darf noch werden, dass die korinthische Vasengattung eine
derjenigen ist, auf denen sich am allerfrühesten eine entschiedene
Neigung kundgiebt, überwiegend figürlichen, gegenständlichen Schmuck
anzubringen. In diesem Lichte begreift sich auch, warum die korinthi-
schen Vasenmaler nicht bei der Rosette als blossem Streumuster nach
assyrischer Weise stehen geblieben sind13).

Nun wenden wir uns dem Pflanzenrankenornament selbst zu und
untersuchen, in welcher Weise dasselbe in der Umgebung der Vasen-
henkel
sich entfaltet hat.

Auf die Verwendung der Ranke unterhalb des Henkels kann die
Stilisirung der Henkelattache in Form einer Palmette von Einfluss

[Abbildung] Fig. 99.

Korinthische Schale.

gewesen sein: aber diesen Einfluss als so sicher hinzustellen wie es
gewöhnlich zu geschehen pflegt, halte ich nicht für gerechtfertigt.
Zweifellos liegt der Palmette, wo sie als Henkelattache vorkommt, die
gleiche Empfindung, das gleiche Postulat zu Grunde, wie den unter-
schiedlichen lotusmässig stilisirten Angriffspunkten an egyptischen
(S. 65) und assyrischen (S. 99 Anm. 62) Geräthen u. s. w. Sie findet sich
auch frühzeitig auf griechischen Vasen (aber nicht auf der mykenischen
Kriegervase) in der Gegend der Henkel aufgemalt, aber seltsamermaassen
nicht als Umfassung, Markirung des Ansatzpunktes der Henkel, sondern in

13) Eine ähnliche Tendenz nach Ausfüllung des Grundes zwischen den
Ornament-Ranken befolgten die attischen Vasenmaler vom Ende des 5. Jahrh.;
die Stelle der Rosette vertrat hier aber die tropfenförmige Zwickelfüllung,
die dann oft nach Bedarf kleksartig verbreitert erscheint.

8. Die Ausbildung der Ranken-Füllung.
gefügt darf noch werden, dass die korinthische Vasengattung eine
derjenigen ist, auf denen sich am allerfrühesten eine entschiedene
Neigung kundgiebt, überwiegend figürlichen, gegenständlichen Schmuck
anzubringen. In diesem Lichte begreift sich auch, warum die korinthi-
schen Vasenmaler nicht bei der Rosette als blossem Streumuster nach
assyrischer Weise stehen geblieben sind13).

Nun wenden wir uns dem Pflanzenrankenornament selbst zu und
untersuchen, in welcher Weise dasselbe in der Umgebung der Vasen-
henkel
sich entfaltet hat.

Auf die Verwendung der Ranke unterhalb des Henkels kann die
Stilisirung der Henkelattache in Form einer Palmette von Einfluss

[Abbildung] Fig. 99.

Korinthische Schale.

gewesen sein: aber diesen Einfluss als so sicher hinzustellen wie es
gewöhnlich zu geschehen pflegt, halte ich nicht für gerechtfertigt.
Zweifellos liegt der Palmette, wo sie als Henkelattache vorkommt, die
gleiche Empfindung, das gleiche Postulat zu Grunde, wie den unter-
schiedlichen lotusmässig stilisirten Angriffspunkten an egyptischen
(S. 65) und assyrischen (S. 99 Anm. 62) Geräthen u. s. w. Sie findet sich
auch frühzeitig auf griechischen Vasen (aber nicht auf der mykenischen
Kriegervase) in der Gegend der Henkel aufgemalt, aber seltsamermaassen
nicht als Umfassung, Markirung des Ansatzpunktes der Henkel, sondern in

13) Eine ähnliche Tendenz nach Ausfüllung des Grundes zwischen den
Ornament-Ranken befolgten die attischen Vasenmaler vom Ende des 5. Jahrh.;
die Stelle der Rosette vertrat hier aber die tropfenförmige Zwickelfüllung,
die dann oft nach Bedarf kleksartig verbreitert erscheint.
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[199/0225] 8. Die Ausbildung der Ranken-Füllung. gefügt darf noch werden, dass die korinthische Vasengattung eine derjenigen ist, auf denen sich am allerfrühesten eine entschiedene Neigung kundgiebt, überwiegend figürlichen, gegenständlichen Schmuck anzubringen. In diesem Lichte begreift sich auch, warum die korinthi- schen Vasenmaler nicht bei der Rosette als blossem Streumuster nach assyrischer Weise stehen geblieben sind 13). Nun wenden wir uns dem Pflanzenrankenornament selbst zu und untersuchen, in welcher Weise dasselbe in der Umgebung der Vasen- henkel sich entfaltet hat. Auf die Verwendung der Ranke unterhalb des Henkels kann die Stilisirung der Henkelattache in Form einer Palmette von Einfluss [Abbildung Fig. 99. Korinthische Schale.] gewesen sein: aber diesen Einfluss als so sicher hinzustellen wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, halte ich nicht für gerechtfertigt. Zweifellos liegt der Palmette, wo sie als Henkelattache vorkommt, die gleiche Empfindung, das gleiche Postulat zu Grunde, wie den unter- schiedlichen lotusmässig stilisirten Angriffspunkten an egyptischen (S. 65) und assyrischen (S. 99 Anm. 62) Geräthen u. s. w. Sie findet sich auch frühzeitig auf griechischen Vasen (aber nicht auf der mykenischen Kriegervase) in der Gegend der Henkel aufgemalt, aber seltsamermaassen nicht als Umfassung, Markirung des Ansatzpunktes der Henkel, sondern in 13) Eine ähnliche Tendenz nach Ausfüllung des Grundes zwischen den Ornament-Ranken befolgten die attischen Vasenmaler vom Ende des 5. Jahrh.; die Stelle der Rosette vertrat hier aber die tropfenförmige Zwickelfüllung, die dann oft nach Bedarf kleksartig verbreitert erscheint.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/225>, abgerufen am 27.04.2024.