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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782.

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welches die Emplastratio der Alten ist, und so
geschahe, daß man das Auge mit einem Stück
Rinde ablöst, und sodann von der andern
Pflanze ein eben so großes Stück wegnimmt,
jenes dafür hin setzt, und es über und unter
dem Auge fest bindet, doch daß das Auge frey
bleibt.

Man versuchte die Fortpflanzung des
Weinstocks mit Pfropfen in den Spalt, mit
dem Bohrer, und endlich mit einer Art zu
copuliren. Das Pfropfen in den Spalt wur-
de seit einigen Jahren in Sulzfeld mit glück-
lichem Erfolg also ausgeübt. Man nahm das
Pfropfreiß von jungen gesunden tragbaren
Stöcken, und zwar von einer abgeschnittenen
Ruthe unter dem dicksten Theil, so viel, als
die Länge vom Ende des Mittelfingers bis
zum Ellenbogen beträgt, woran die Augen
recht gut und vollkommen, und das Holz völlig
gesund, nicht vom Winterfrost verletzt, und
saftig war. Man schnitt von einer Rebe
nicht mehr, als ein oder zwey Pfropfreißer,
weil alle Augen über den sechs bis sieben unter-
sten an der Rebe nur Blätter gaben, so wie
das Unterste an der Rebe, das am alten Hol-
ze zunächst stehet, und deswegen nicht zu den
Augen gezählt wird.

Man nahm nie frische abgeschnittene Rei-
ßer zum Pfropfen, sondern behielt sie erst eine
Zeit lang an einem kühlen Orte auf, und that
zwey Tage vor dem Pfropfen die Reißer mit

ihren
II. Theil. M

welches die Emplaſtratio der Alten iſt, und ſo
geſchahe, daß man das Auge mit einem Stuͤck
Rinde abloͤſt, und ſodann von der andern
Pflanze ein eben ſo großes Stuͤck wegnimmt,
jenes dafuͤr hin ſetzt, und es uͤber und unter
dem Auge feſt bindet, doch daß das Auge frey
bleibt.

Man verſuchte die Fortpflanzung des
Weinſtocks mit Pfropfen in den Spalt, mit
dem Bohrer, und endlich mit einer Art zu
copuliren. Das Pfropfen in den Spalt wur-
de ſeit einigen Jahren in Sulzfeld mit gluͤck-
lichem Erfolg alſo ausgeuͤbt. Man nahm das
Pfropfreiß von jungen geſunden tragbaren
Stoͤcken, und zwar von einer abgeſchnittenen
Ruthe unter dem dickſten Theil, ſo viel, als
die Laͤnge vom Ende des Mittelfingers bis
zum Ellenbogen betraͤgt, woran die Augen
recht gut und vollkommen, und das Holz voͤllig
geſund, nicht vom Winterfroſt verletzt, und
ſaftig war. Man ſchnitt von einer Rebe
nicht mehr, als ein oder zwey Pfropfreißer,
weil alle Augen uͤber den ſechs bis ſieben unter-
ſten an der Rebe nur Blaͤtter gaben, ſo wie
das Unterſte an der Rebe, das am alten Hol-
ze zunaͤchſt ſtehet, und deswegen nicht zu den
Augen gezaͤhlt wird.

Man nahm nie friſche abgeſchnittene Rei-
ßer zum Pfropfen, ſondern behielt ſie erſt eine
Zeit lang an einem kuͤhlen Orte auf, und that
zwey Tage vor dem Pfropfen die Reißer mit

ihren
II. Theil. M
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[177/0187] welches die Emplaſtratio der Alten iſt, und ſo geſchahe, daß man das Auge mit einem Stuͤck Rinde abloͤſt, und ſodann von der andern Pflanze ein eben ſo großes Stuͤck wegnimmt, jenes dafuͤr hin ſetzt, und es uͤber und unter dem Auge feſt bindet, doch daß das Auge frey bleibt. Man verſuchte die Fortpflanzung des Weinſtocks mit Pfropfen in den Spalt, mit dem Bohrer, und endlich mit einer Art zu copuliren. Das Pfropfen in den Spalt wur- de ſeit einigen Jahren in Sulzfeld mit gluͤck- lichem Erfolg alſo ausgeuͤbt. Man nahm das Pfropfreiß von jungen geſunden tragbaren Stoͤcken, und zwar von einer abgeſchnittenen Ruthe unter dem dickſten Theil, ſo viel, als die Laͤnge vom Ende des Mittelfingers bis zum Ellenbogen betraͤgt, woran die Augen recht gut und vollkommen, und das Holz voͤllig geſund, nicht vom Winterfroſt verletzt, und ſaftig war. Man ſchnitt von einer Rebe nicht mehr, als ein oder zwey Pfropfreißer, weil alle Augen uͤber den ſechs bis ſieben unter- ſten an der Rebe nur Blaͤtter gaben, ſo wie das Unterſte an der Rebe, das am alten Hol- ze zunaͤchſt ſtehet, und deswegen nicht zu den Augen gezaͤhlt wird. Man nahm nie friſche abgeſchnittene Rei- ßer zum Pfropfen, ſondern behielt ſie erſt eine Zeit lang an einem kuͤhlen Orte auf, und that zwey Tage vor dem Pfropfen die Reißer mit ihren II. Theil. M

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Zitationshilfe: Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/187>, abgerufen am 30.04.2024.