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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. V. Capitul.
nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns-
Personen, theils von Frauenzimmer, fast alle ihre
Discourse in lauter Complimens verwandeln, und
wenn sie dieselben auch noch so manierlich vorbräch-
ten, so fehlen sie doch wider den Wohlstand. Durch
diese Methode möchte sich einer wohl bey den Com-
plimentir-
Schwestern, die selbst von dergleichen
Profession machen, in Gunst setzen, in der großen
Welt hingegen, und an Höfen gewißlich nicht. Wer
stets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per-
sonen, denen er in seinen Complimens devotion
zu leisten pflüchtig, so wie er wohl soll. Es wird
dieses vor affectirt, und vor eine Schulfüchserey an-
gesehen, und ist gemeiniglich eine Frucht derer, die
so viel Romainen gelesen.

§. 8. Wie nun die Menschen bey ihren Hand-
lungen überhaupt gar selten die Mittel-Strasse
treffen, sondern gemeiniglich auf die beyden laster-
hafften Abwege gerathen, so gehet es vielmahls bey
den Complimens eben so her. Diejenigen, von
denen ich in dem vorhergehenden gesagt, wollen es
allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich-
sam von lauter Honigseim der Liebe, sie benennen
andere mit höchstgeehrtest, allerliebst, allerwerthest,
u. s. w. oder complimentiren stets. Hier muß ich
aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu-
schlecht machen, sie tractiren diejenigen, denen sie
ehrerbietig begegnen solten, allzuplump, oder kön-
nen sich gantz und gar nicht mit dem Complimen-
ti
ren behelffen.

§. 9.

I. Theil. V. Capitul.
nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns-
Perſonen, theils von Frauenzimmer, faſt alle ihre
Diſcourſe in lauter Complimens verwandeln, und
wenn ſie dieſelben auch noch ſo manierlich vorbraͤch-
ten, ſo fehlen ſie doch wider den Wohlſtand. Durch
dieſe Methode moͤchte ſich einer wohl bey den Com-
plimentir-
Schweſtern, die ſelbſt von dergleichen
Profeſſion machen, in Gunſt ſetzen, in der großen
Welt hingegen, und an Hoͤfen gewißlich nicht. Wer
ſtets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per-
ſonen, denen er in ſeinen Complimens devotion
zu leiſten pfluͤchtig, ſo wie er wohl ſoll. Es wird
dieſes vor affectirt, und vor eine Schulfuͤchſerey an-
geſehen, und iſt gemeiniglich eine Frucht derer, die
ſo viel Romainen geleſen.

§. 8. Wie nun die Menſchen bey ihren Hand-
lungen uͤberhaupt gar ſelten die Mittel-Straſſe
treffen, ſondern gemeiniglich auf die beyden laſter-
hafften Abwege gerathen, ſo gehet es vielmahls bey
den Complimens eben ſo her. Diejenigen, von
denen ich in dem vorhergehenden geſagt, wollen es
allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich-
ſam von lauter Honigſeim der Liebe, ſie benennen
andere mit hoͤchſtgeehrteſt, allerliebſt, allerwertheſt,
u. ſ. w. oder complimentiren ſtets. Hier muß ich
aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu-
ſchlecht machen, ſie tractiren diejenigen, denen ſie
ehrerbietig begegnen ſolten, allzuplump, oder koͤn-
nen ſich gantz und gar nicht mit dem Complimen-
ti
ren behelffen.

§. 9.
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[148/0168] I. Theil. V. Capitul. nicht, wenn einige junge Leute, theils von Manns- Perſonen, theils von Frauenzimmer, faſt alle ihre Diſcourſe in lauter Complimens verwandeln, und wenn ſie dieſelben auch noch ſo manierlich vorbraͤch- ten, ſo fehlen ſie doch wider den Wohlſtand. Durch dieſe Methode moͤchte ſich einer wohl bey den Com- plimentir-Schweſtern, die ſelbſt von dergleichen Profeſſion machen, in Gunſt ſetzen, in der großen Welt hingegen, und an Hoͤfen gewißlich nicht. Wer ſtets complimentirt, beehret nicht allezeit die Per- ſonen, denen er in ſeinen Complimens devotion zu leiſten pfluͤchtig, ſo wie er wohl ſoll. Es wird dieſes vor affectirt, und vor eine Schulfuͤchſerey an- geſehen, und iſt gemeiniglich eine Frucht derer, die ſo viel Romainen geleſen. §. 8. Wie nun die Menſchen bey ihren Hand- lungen uͤberhaupt gar ſelten die Mittel-Straſſe treffen, ſondern gemeiniglich auf die beyden laſter- hafften Abwege gerathen, ſo gehet es vielmahls bey den Complimens eben ſo her. Diejenigen, von denen ich in dem vorhergehenden geſagt, wollen es allzudienlich machen, alle ihre Worte trieffen gleich- ſam von lauter Honigſeim der Liebe, ſie benennen andere mit hoͤchſtgeehrteſt, allerliebſt, allerwertheſt, u. ſ. w. oder complimentiren ſtets. Hier muß ich aber gedencken, daß man Leute findet, die es allzu- ſchlecht machen, ſie tractiren diejenigen, denen ſie ehrerbietig begegnen ſolten, allzuplump, oder koͤn- nen ſich gantz und gar nicht mit dem Complimen- tiren behelffen. §. 9.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/168>, abgerufen am 30.04.2024.