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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Und so trugen wir den alten Andreas Erd-
mann, der in der trockenen, kalten Alpenluft fast
zur Mumie vertrocknet war, herab in das Thal der
Winkel zur Pfarrkirche, die unter seinem Walten
erbaut worden war; trugen ihn auf den Friedhof,
den er selbst angelegt hatte im Schatten des
Waldes.

Die Nachricht, der alte Schulmeister sei auf-
gefunden worden, hatte sich bald verbreitet in den
Winkelwäldern, und Alles strömte herbei zum Be-
gräbnisse, und Alles pries den guten, braven Mann.
Der Winkelwirt weinte wie ein Kind. "Der hat
meinen verlassenen Vater gesegnet auf dem Tod-
bett!" rief er. Den Peter mußte der Schirmtanner
von der Bahre hinwegführen.

Der Förster vom Herrenhaus war da. Ganz
in der Nähe des Grabes wuchs eine Waldlilie.

Der Branntweiner Schorschl hielt Einigen,
die am Friedhofseingange standen, eine Rede; er
habe nichts, gar nichts gegen den Schulmeister ge-
habt, doch der Schulmeister sei eigensinnig gewesen.
Das Eine sei zu bedenken: hätte der Schulmeister
ein Fläschchen Wachholderbranntwein bei sich ge-
habt, er wäre nicht erfroren.

Zur Abendstunde unter Fackelschein ist der
gute, alte Mann in die Erde gesenkt worden.



Und ſo trugen wir den alten Andreas Erd-
mann, der in der trockenen, kalten Alpenluft faſt
zur Mumie vertrocknet war, herab in das Thal der
Winkel zur Pfarrkirche, die unter ſeinem Walten
erbaut worden war; trugen ihn auf den Friedhof,
den er ſelbſt angelegt hatte im Schatten des
Waldes.

Die Nachricht, der alte Schulmeiſter ſei auf-
gefunden worden, hatte ſich bald verbreitet in den
Winkelwäldern, und Alles ſtrömte herbei zum Be-
gräbniſſe, und Alles pries den guten, braven Mann.
Der Winkelwirt weinte wie ein Kind. „Der hat
meinen verlaſſenen Vater geſegnet auf dem Tod-
bett!“ rief er. Den Peter mußte der Schirmtanner
von der Bahre hinwegführen.

Der Förſter vom Herrenhaus war da. Ganz
in der Nähe des Grabes wuchs eine Waldlilie.

Der Branntweiner Schorſchl hielt Einigen,
die am Friedhofseingange ſtanden, eine Rede; er
habe nichts, gar nichts gegen den Schulmeiſter ge-
habt, doch der Schulmeiſter ſei eigenſinnig geweſen.
Das Eine ſei zu bedenken: hätte der Schulmeiſter
ein Fläſchchen Wachholderbranntwein bei ſich ge-
habt, er wäre nicht erfroren.

Zur Abendſtunde unter Fackelſchein iſt der
gute, alte Mann in die Erde geſenkt worden.



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[441/0451] Und ſo trugen wir den alten Andreas Erd- mann, der in der trockenen, kalten Alpenluft faſt zur Mumie vertrocknet war, herab in das Thal der Winkel zur Pfarrkirche, die unter ſeinem Walten erbaut worden war; trugen ihn auf den Friedhof, den er ſelbſt angelegt hatte im Schatten des Waldes. Die Nachricht, der alte Schulmeiſter ſei auf- gefunden worden, hatte ſich bald verbreitet in den Winkelwäldern, und Alles ſtrömte herbei zum Be- gräbniſſe, und Alles pries den guten, braven Mann. Der Winkelwirt weinte wie ein Kind. „Der hat meinen verlaſſenen Vater geſegnet auf dem Tod- bett!“ rief er. Den Peter mußte der Schirmtanner von der Bahre hinwegführen. Der Förſter vom Herrenhaus war da. Ganz in der Nähe des Grabes wuchs eine Waldlilie. Der Branntweiner Schorſchl hielt Einigen, die am Friedhofseingange ſtanden, eine Rede; er habe nichts, gar nichts gegen den Schulmeiſter ge- habt, doch der Schulmeiſter ſei eigenſinnig geweſen. Das Eine ſei zu bedenken: hätte der Schulmeiſter ein Fläſchchen Wachholderbranntwein bei ſich ge- habt, er wäre nicht erfroren. Zur Abendſtunde unter Fackelſchein iſt der gute, alte Mann in die Erde geſenkt worden.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/451>, abgerufen am 27.04.2024.