Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Disputation ein großes Interesse, weil die Opfer der
Menschen sich durch die steigende Aufklärung immer mehr
vermindern. Hermes muß daher alle Götter, auch die bar¬
barischen, zu einer Berathung einladen. Sie kommen und
werden nach dem Werth des Stoffs ihrer Bildsäulen rangirt,
so daß die goldenen und silbernen Barbarengötter vor den
schönen aber nur marmornen oder erznen Hellenengöttern
den Vorsitz erhalten. Die verschiedensten Vorschläge werden
erörtert und bei ihrer Widerlegung die schwache Seite der
Göttlichkeit dieser Götter persiflirt, an Apollon die dunkle
Zweideutigkeit seiner Orakelsprüche, an Herakles die Rohheit
seiner physischen Gewalt u. s. w. Als die disputirenden
Philosophen zu Athen ihren Streit wieder aufnehmen, weiß
der Vater der Menschen und Götter vor Angst über den
Ausgang endlich nichts weiter zu rathen, als daß die Götter
mit ihm für den Vertheidiger ihres Daseins, Timokles, der
die Fassung verloren zu haben scheine, beten möchten.
"Darum wollen wir wenigstens thun, was an uns ist,
und -- für ihn beten, aber

Nur unter uns in der Stille, damit nicht Damis
es höre!"


B.
Das Widrige.

Unwillkürlich haben wir bei der Darstellung der letzten
Begriffsbestimmungen des Gemeinen auch schon den Begriff
des Widrigen als die gegen das Gemeine ästhetisch noch
häßlichere Gestaltung erwähnen müssen. Der positive Gegen¬
satz des erhaben Schönen ist nämlich das gefällig Schöne.

dieſer Disputation ein großes Intereſſe, weil die Opfer der
Menſchen ſich durch die ſteigende Aufklärung immer mehr
vermindern. Hermes muß daher alle Götter, auch die bar¬
bariſchen, zu einer Berathung einladen. Sie kommen und
werden nach dem Werth des Stoffs ihrer Bildſäulen rangirt,
ſo daß die goldenen und ſilbernen Barbarengötter vor den
ſchönen aber nur marmornen oder erznen Hellenengöttern
den Vorſitz erhalten. Die verſchiedenſten Vorſchläge werden
erörtert und bei ihrer Widerlegung die ſchwache Seite der
Göttlichkeit dieſer Götter perſiflirt, an Apollon die dunkle
Zweideutigkeit ſeiner Orakelſprüche, an Herakles die Rohheit
ſeiner phyſiſchen Gewalt u. ſ. w. Als die disputirenden
Philoſophen zu Athen ihren Streit wieder aufnehmen, weiß
der Vater der Menſchen und Götter vor Angſt über den
Ausgang endlich nichts weiter zu rathen, als daß die Götter
mit ihm für den Vertheidiger ihres Daſeins, Timokles, der
die Faſſung verloren zu haben ſcheine, beten möchten.
„Darum wollen wir wenigſtens thun, was an uns iſt,
und — für ihn beten, aber

Nur unter uns in der Stille, damit nicht Damis
es höre!“


B.
Das Widrige.

Unwillkürlich haben wir bei der Darſtellung der letzten
Begriffsbeſtimmungen des Gemeinen auch ſchon den Begriff
des Widrigen als die gegen das Gemeine äſthetiſch noch
häßlichere Geſtaltung erwähnen müſſen. Der poſitive Gegen¬
ſatz des erhaben Schönen iſt nämlich das gefällig Schöne.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0299" n="277"/>
die&#x017F;er Disputation ein großes Intere&#x017F;&#x017F;e, weil die Opfer der<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;ich durch die &#x017F;teigende Aufklärung immer mehr<lb/>
vermindern. Hermes muß daher alle Götter, auch die bar¬<lb/>
bari&#x017F;chen, zu einer Berathung einladen. Sie kommen und<lb/>
werden nach dem Werth des Stoffs ihrer Bild&#x017F;äulen rangirt,<lb/>
&#x017F;o daß die goldenen und &#x017F;ilbernen Barbarengötter vor den<lb/>
&#x017F;chönen aber nur marmornen oder erznen Hellenengöttern<lb/>
den Vor&#x017F;itz erhalten. Die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Vor&#x017F;chläge werden<lb/>
erörtert und bei ihrer Widerlegung die &#x017F;chwache Seite der<lb/>
Göttlichkeit die&#x017F;er Götter per&#x017F;iflirt, an Apollon die dunkle<lb/>
Zweideutigkeit &#x017F;einer Orakel&#x017F;prüche, an Herakles die Rohheit<lb/>
&#x017F;einer phy&#x017F;i&#x017F;chen Gewalt u. &#x017F;. w. Als die disputirenden<lb/>
Philo&#x017F;ophen zu Athen ihren Streit wieder aufnehmen, weiß<lb/>
der Vater der Men&#x017F;chen und Götter vor Ang&#x017F;t über den<lb/>
Ausgang endlich nichts weiter zu rathen, als daß die Götter<lb/>
mit ihm für den Vertheidiger ihres Da&#x017F;eins, Timokles, der<lb/>
die Fa&#x017F;&#x017F;ung verloren zu haben &#x017F;cheine, beten möchten.<lb/>
&#x201E;Darum wollen wir wenig&#x017F;tens thun, was an uns i&#x017F;t,<lb/>
und &#x2014; für ihn beten, aber</p><lb/>
                <p>Nur unter uns in der Stille, damit nicht Damis<lb/>
es höre!&#x201C;</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              </div>
            </div>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">B</hi>.<lb/><hi rendition="#b #g">Das Widrige</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/></head>
            <p>Unwillkürlich haben wir bei der Dar&#x017F;tellung der letzten<lb/>
Begriffsbe&#x017F;timmungen des Gemeinen auch &#x017F;chon den Begriff<lb/>
des Widrigen als die gegen das Gemeine ä&#x017F;theti&#x017F;ch noch<lb/>
häßlichere Ge&#x017F;taltung erwähnen mü&#x017F;&#x017F;en. Der po&#x017F;itive Gegen¬<lb/>
&#x017F;atz des erhaben Schönen i&#x017F;t nämlich das gefällig Schöne.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0299] dieſer Disputation ein großes Intereſſe, weil die Opfer der Menſchen ſich durch die ſteigende Aufklärung immer mehr vermindern. Hermes muß daher alle Götter, auch die bar¬ bariſchen, zu einer Berathung einladen. Sie kommen und werden nach dem Werth des Stoffs ihrer Bildſäulen rangirt, ſo daß die goldenen und ſilbernen Barbarengötter vor den ſchönen aber nur marmornen oder erznen Hellenengöttern den Vorſitz erhalten. Die verſchiedenſten Vorſchläge werden erörtert und bei ihrer Widerlegung die ſchwache Seite der Göttlichkeit dieſer Götter perſiflirt, an Apollon die dunkle Zweideutigkeit ſeiner Orakelſprüche, an Herakles die Rohheit ſeiner phyſiſchen Gewalt u. ſ. w. Als die disputirenden Philoſophen zu Athen ihren Streit wieder aufnehmen, weiß der Vater der Menſchen und Götter vor Angſt über den Ausgang endlich nichts weiter zu rathen, als daß die Götter mit ihm für den Vertheidiger ihres Daſeins, Timokles, der die Faſſung verloren zu haben ſcheine, beten möchten. „Darum wollen wir wenigſtens thun, was an uns iſt, und — für ihn beten, aber Nur unter uns in der Stille, damit nicht Damis es höre!“ B. Das Widrige. Unwillkürlich haben wir bei der Darſtellung der letzten Begriffsbeſtimmungen des Gemeinen auch ſchon den Begriff des Widrigen als die gegen das Gemeine äſthetiſch noch häßlichere Geſtaltung erwähnen müſſen. Der poſitive Gegen¬ ſatz des erhaben Schönen iſt nämlich das gefällig Schöne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/299
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/299>, abgerufen am 24.04.2024.