Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer Kleinheit auch in ihren besondern Verhältnissen zierlich
und bunt sich darstellen. Wie niedlich sind Alexanderpapa¬
geien, Canarienvögel, Goldfischchen, Bologneserhündchen,
Affenpinscher, Sagoins u. s. w., weil diese Thierchen man¬
nigfach gegliedert und in ihren Details zierlich sind. -- Als
der positive Gegensatz des dynamisch Erhabenen ist das Ge¬
fällige das Spielende Das Erhabene als Macht äußert
seine Unendlichkeit im Schaffen und Zerstören des Großen
und man kann nicht mit Unrecht sagen, daß es in der abso¬
luten Freiheit seines Thuns mit seiner Macht gleichsam spiele,
wie ja Theologen und Dichter die Weltschöpfung selber als
ein Spiel der göttlichen Liebe bezeichnet haben. Das Erhabene
an sich ist ernst und der Ausdruck Spiel soll bei ihm nur
die absolute Leichtigkeit der göttlichen Production charakteri¬
siren. Zum Spiel als bloßem Spiel gehört eine Bewegung,
welcher der Ernst des Zweckes fehlt, wie der Wind mit den
Wolken, Wellen und Blumen spielt. Die Unruhe der Ver¬
änderung geht im Spiel von Form zu Form lediglich des
Wechsels wegen über. Es ist eine nur accidentelle Bewegung,
die an der Substanz nichts ändert; es gewährt den süßen,
halbträumerischen Genuß der Oberfläche des Daseins, während
dies in seinen Grundvesten sich gleich bleibt. Der Proceß
des Spiels muß daher die Gefahr von sich ausschließen; ein
Sturm, welcher die Riesenbäume eines Waldes krümmt und
zerbricht, spielt nur gleichsam mit ihnen in furchtbarem Ernst,
während ein lauer West kosend die Blumen wirklich umspielt;
Wogen des tobenden Meers, welche die Schiffe zu den Wolken
emporheben, um sie sofort wieder in den klaffenden Abgrund
zu stürzen, spielen nur gleichsam mit ihnen, während die
sanft an den Strand klatschende Welle mit dem Ufersande
wirklich spielt. Alles Spiel, welches als zweck- und gefahr¬

ihrer Kleinheit auch in ihren beſondern Verhältniſſen zierlich
und bunt ſich darſtellen. Wie niedlich ſind Alexanderpapa¬
geien, Canarienvögel, Goldfiſchchen, Bologneſerhündchen,
Affenpinſcher, Sagoins u. ſ. w., weil dieſe Thierchen man¬
nigfach gegliedert und in ihren Details zierlich ſind. — Als
der poſitive Gegenſatz des dynamiſch Erhabenen iſt das Ge¬
fällige das Spielende Das Erhabene als Macht äußert
ſeine Unendlichkeit im Schaffen und Zerſtören des Großen
und man kann nicht mit Unrecht ſagen, daß es in der abſo¬
luten Freiheit ſeines Thuns mit ſeiner Macht gleichſam ſpiele,
wie ja Theologen und Dichter die Weltſchöpfung ſelber als
ein Spiel der göttlichen Liebe bezeichnet haben. Das Erhabene
an ſich iſt ernſt und der Ausdruck Spiel ſoll bei ihm nur
die abſolute Leichtigkeit der göttlichen Production charakteri¬
ſiren. Zum Spiel als bloßem Spiel gehört eine Bewegung,
welcher der Ernſt des Zweckes fehlt, wie der Wind mit den
Wolken, Wellen und Blumen ſpielt. Die Unruhe der Ver¬
änderung geht im Spiel von Form zu Form lediglich des
Wechſels wegen über. Es iſt eine nur accidentelle Bewegung,
die an der Subſtanz nichts ändert; es gewährt den ſüßen,
halbträumeriſchen Genuß der Oberfläche des Daſeins, während
dies in ſeinen Grundveſten ſich gleich bleibt. Der Proceß
des Spiels muß daher die Gefahr von ſich ausſchließen; ein
Sturm, welcher die Rieſenbäume eines Waldes krümmt und
zerbricht, ſpielt nur gleichſam mit ihnen in furchtbarem Ernſt,
während ein lauer Weſt koſend die Blumen wirklich umſpielt;
Wogen des tobenden Meers, welche die Schiffe zu den Wolken
emporheben, um ſie ſofort wieder in den klaffenden Abgrund
zu ſtürzen, ſpielen nur gleichſam mit ihnen, während die
ſanft an den Strand klatſchende Welle mit dem Uferſande
wirklich ſpielt. Alles Spiel, welches als zweck- und gefahr¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0302" n="280"/>
ihrer Kleinheit auch in ihren be&#x017F;ondern Verhältni&#x017F;&#x017F;en zierlich<lb/>
und bunt &#x017F;ich dar&#x017F;tellen. Wie niedlich &#x017F;ind Alexanderpapa¬<lb/>
geien, Canarienvögel, Goldfi&#x017F;chchen, Bologne&#x017F;erhündchen,<lb/>
Affenpin&#x017F;cher, Sagoins u. &#x017F;. w., weil die&#x017F;e Thierchen man¬<lb/>
nigfach gegliedert und in ihren Details zierlich &#x017F;ind. &#x2014; Als<lb/>
der po&#x017F;itive Gegen&#x017F;atz des dynami&#x017F;ch Erhabenen i&#x017F;t das Ge¬<lb/>
fällige das Spielende Das Erhabene als Macht äußert<lb/>
&#x017F;eine Unendlichkeit im Schaffen und Zer&#x017F;tören des Großen<lb/>
und man kann nicht mit Unrecht &#x017F;agen, daß es in der ab&#x017F;<lb/>
luten Freiheit &#x017F;eines Thuns mit &#x017F;einer Macht gleich&#x017F;am &#x017F;piele,<lb/>
wie ja Theologen und Dichter die Welt&#x017F;chöpfung &#x017F;elber als<lb/>
ein Spiel der göttlichen Liebe bezeichnet haben. Das Erhabene<lb/>
an &#x017F;ich i&#x017F;t ern&#x017F;t und der Ausdruck Spiel &#x017F;oll bei ihm nur<lb/>
die ab&#x017F;olute Leichtigkeit der göttlichen Production charakteri¬<lb/>
&#x017F;iren. Zum Spiel als bloßem Spiel gehört eine Bewegung,<lb/>
welcher der Ern&#x017F;t des Zweckes fehlt, wie der Wind mit den<lb/>
Wolken, Wellen und Blumen &#x017F;pielt. Die Unruhe der Ver¬<lb/>
änderung geht im Spiel von Form zu Form lediglich des<lb/>
Wech&#x017F;els wegen über. Es i&#x017F;t eine nur accidentelle Bewegung,<lb/>
die an der Sub&#x017F;tanz nichts ändert; es gewährt den &#x017F;üßen,<lb/>
halbträumeri&#x017F;chen Genuß der Oberfläche des Da&#x017F;eins, während<lb/>
dies in &#x017F;einen Grundve&#x017F;ten &#x017F;ich gleich bleibt. Der Proceß<lb/>
des Spiels muß daher die Gefahr von &#x017F;ich aus&#x017F;chließen; ein<lb/>
Sturm, welcher die Rie&#x017F;enbäume eines Waldes krümmt und<lb/>
zerbricht, &#x017F;pielt nur gleich&#x017F;am mit ihnen in furchtbarem Ern&#x017F;t,<lb/>
während ein lauer We&#x017F;t ko&#x017F;end die Blumen wirklich um&#x017F;pielt;<lb/>
Wogen des tobenden Meers, welche die Schiffe zu den Wolken<lb/>
emporheben, um &#x017F;ie &#x017F;ofort wieder in den klaffenden Abgrund<lb/>
zu &#x017F;türzen, &#x017F;pielen nur gleich&#x017F;am mit ihnen, während die<lb/>
&#x017F;anft an den Strand klat&#x017F;chende Welle mit dem Ufer&#x017F;ande<lb/>
wirklich &#x017F;pielt. Alles Spiel, welches als zweck- und gefahr¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0302] ihrer Kleinheit auch in ihren beſondern Verhältniſſen zierlich und bunt ſich darſtellen. Wie niedlich ſind Alexanderpapa¬ geien, Canarienvögel, Goldfiſchchen, Bologneſerhündchen, Affenpinſcher, Sagoins u. ſ. w., weil dieſe Thierchen man¬ nigfach gegliedert und in ihren Details zierlich ſind. — Als der poſitive Gegenſatz des dynamiſch Erhabenen iſt das Ge¬ fällige das Spielende Das Erhabene als Macht äußert ſeine Unendlichkeit im Schaffen und Zerſtören des Großen und man kann nicht mit Unrecht ſagen, daß es in der abſo¬ luten Freiheit ſeines Thuns mit ſeiner Macht gleichſam ſpiele, wie ja Theologen und Dichter die Weltſchöpfung ſelber als ein Spiel der göttlichen Liebe bezeichnet haben. Das Erhabene an ſich iſt ernſt und der Ausdruck Spiel ſoll bei ihm nur die abſolute Leichtigkeit der göttlichen Production charakteri¬ ſiren. Zum Spiel als bloßem Spiel gehört eine Bewegung, welcher der Ernſt des Zweckes fehlt, wie der Wind mit den Wolken, Wellen und Blumen ſpielt. Die Unruhe der Ver¬ änderung geht im Spiel von Form zu Form lediglich des Wechſels wegen über. Es iſt eine nur accidentelle Bewegung, die an der Subſtanz nichts ändert; es gewährt den ſüßen, halbträumeriſchen Genuß der Oberfläche des Daſeins, während dies in ſeinen Grundveſten ſich gleich bleibt. Der Proceß des Spiels muß daher die Gefahr von ſich ausſchließen; ein Sturm, welcher die Rieſenbäume eines Waldes krümmt und zerbricht, ſpielt nur gleichſam mit ihnen in furchtbarem Ernſt, während ein lauer Weſt koſend die Blumen wirklich umſpielt; Wogen des tobenden Meers, welche die Schiffe zu den Wolken emporheben, um ſie ſofort wieder in den klaffenden Abgrund zu ſtürzen, ſpielen nur gleichſam mit ihnen, während die ſanft an den Strand klatſchende Welle mit dem Uferſande wirklich ſpielt. Alles Spiel, welches als zweck- und gefahr¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/302
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/302>, abgerufen am 12.05.2024.