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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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in der Längsrichtung des Markstrahls nur wenig oder nicht gestreckten,
echten Parenchymzellen sind, wie wir dies bereits wissen, die hauptsäch-
lichen Bildungsstätten der Stärkemehlvorräthe für die folgende Vegeta-
tionsperode.

Zwischen den Zellen des Holzes vertheilt sehen wir nun ferner die
Gesäße g, und zwar getüpfelte Gefäße, deren 5 theilweise auf unser
Bild fallen, von denen 2 (rechts) mit ihren Enden aneinander stoßen und
durch eine schräge Scheidewand getrennt sind.

In allen diesen Grundorganen des Holzgewebes unserer Buche wie
aller Bäume steigt der rohe Nahrungssaft aufwärts, denn es ist dieses,
was lange von Einigen bestritten wurde, auch in den Gefäßen der Fall.
Durch die Tüpfel der Zellen- und Gefäßwände wird die Saftleitung
sehr gefördert, indem die Endosmose durch unmittelbares Eintreten des
Saftes aus einem Grundorgan in das andere unterstützt wird, weil
die Tüpfel wenigstens zum Theil durch Verflüssigung (Resorption) zu
wirklichen Löcherchen oder Spaltchen werden.

Bedenken wir, daß ein Kubikzoll Buchenholz aus vielen Tausenden
von Zellen besteht, und in den meisten Zellen eine Menge Tüpfel sind,
so müssen wir staunen über die millionenfache Zertheilung des Saftstromes
und wir ahnen die Feinheit im Detail dieser mit so großer Gewalt statt-
findenden Bewegung.

Indem der Saft aufwärts strömt, beladet er sich je höher er kommt
immer mehr mit der seiner harrenden Reservenahrung vom vorigen Jahre,
die er auflöst, und ist daher je höher wir ihn abzapfen, wir kennen das
süße Birkenwasser, desto reicher an aufgelösten Stoffen.

In den vorjährigen Trieben angelangt tritt er an die unteren Enden
der Knospen, in deren Axe (S. 67. Fig. V. 1* 2* 3* 4*) er auf ein
sehr kleinzelliges Markgewebe trifft, dessen Zellen vollgestopft sind von
assimilirten Stoffen, unter denen Proteinstoffe vorwalten, jene wich-
tigen stickstoff- und schwefelhaltigen Verbindungen, ohne welche keine Neu-
bildung im Pflanzenkörper stattzufinden scheint.

Die Lehre vom Baumleben hat hier Manches noch nicht vollständig
aufgehellt. Namentlich ist es noch unbekannt, welche Wechselwirkung
zwischen den proteinreichen Stoffen der innern Knospentheile und des
ankommenden Frühjahrssaftes besteht und ob wirklich die Entfaltung der

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in der Längsrichtung des Markſtrahls nur wenig oder nicht geſtreckten,
echten Parenchymzellen ſind, wie wir dies bereits wiſſen, die hauptſäch-
lichen Bildungsſtätten der Stärkemehlvorräthe für die folgende Vegeta-
tionsperode.

Zwiſchen den Zellen des Holzes vertheilt ſehen wir nun ferner die
Geſäße g, und zwar getüpfelte Gefäße, deren 5 theilweiſe auf unſer
Bild fallen, von denen 2 (rechts) mit ihren Enden aneinander ſtoßen und
durch eine ſchräge Scheidewand getrennt ſind.

In allen dieſen Grundorganen des Holzgewebes unſerer Buche wie
aller Bäume ſteigt der rohe Nahrungsſaft aufwärts, denn es iſt dieſes,
was lange von Einigen beſtritten wurde, auch in den Gefäßen der Fall.
Durch die Tüpfel der Zellen- und Gefäßwände wird die Saftleitung
ſehr gefördert, indem die Endosmoſe durch unmittelbares Eintreten des
Saftes aus einem Grundorgan in das andere unterſtützt wird, weil
die Tüpfel wenigſtens zum Theil durch Verflüſſigung (Reſorption) zu
wirklichen Löcherchen oder Spaltchen werden.

Bedenken wir, daß ein Kubikzoll Buchenholz aus vielen Tauſenden
von Zellen beſteht, und in den meiſten Zellen eine Menge Tüpfel ſind,
ſo müſſen wir ſtaunen über die millionenfache Zertheilung des Saftſtromes
und wir ahnen die Feinheit im Detail dieſer mit ſo großer Gewalt ſtatt-
findenden Bewegung.

Indem der Saft aufwärts ſtrömt, beladet er ſich je höher er kommt
immer mehr mit der ſeiner harrenden Reſervenahrung vom vorigen Jahre,
die er auflöſt, und iſt daher je höher wir ihn abzapfen, wir kennen das
ſüße Birkenwaſſer, deſto reicher an aufgelöſten Stoffen.

In den vorjährigen Trieben angelangt tritt er an die unteren Enden
der Knospen, in deren Axe (S. 67. Fig. V. 1* 2* 3* 4*) er auf ein
ſehr kleinzelliges Markgewebe trifft, deſſen Zellen vollgeſtopft ſind von
aſſimilirten Stoffen, unter denen Proteinſtoffe vorwalten, jene wich-
tigen ſtickſtoff- und ſchwefelhaltigen Verbindungen, ohne welche keine Neu-
bildung im Pflanzenkörper ſtattzufinden ſcheint.

Die Lehre vom Baumleben hat hier Manches noch nicht vollſtändig
aufgehellt. Namentlich iſt es noch unbekannt, welche Wechſelwirkung
zwiſchen den proteinreichen Stoffen der innern Knospentheile und des
ankommenden Frühjahrsſaftes beſteht und ob wirklich die Entfaltung der

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[163/0187] in der Längsrichtung des Markſtrahls nur wenig oder nicht geſtreckten, echten Parenchymzellen ſind, wie wir dies bereits wiſſen, die hauptſäch- lichen Bildungsſtätten der Stärkemehlvorräthe für die folgende Vegeta- tionsperode. Zwiſchen den Zellen des Holzes vertheilt ſehen wir nun ferner die Geſäße g, und zwar getüpfelte Gefäße, deren 5 theilweiſe auf unſer Bild fallen, von denen 2 (rechts) mit ihren Enden aneinander ſtoßen und durch eine ſchräge Scheidewand getrennt ſind. In allen dieſen Grundorganen des Holzgewebes unſerer Buche wie aller Bäume ſteigt der rohe Nahrungsſaft aufwärts, denn es iſt dieſes, was lange von Einigen beſtritten wurde, auch in den Gefäßen der Fall. Durch die Tüpfel der Zellen- und Gefäßwände wird die Saftleitung ſehr gefördert, indem die Endosmoſe durch unmittelbares Eintreten des Saftes aus einem Grundorgan in das andere unterſtützt wird, weil die Tüpfel wenigſtens zum Theil durch Verflüſſigung (Reſorption) zu wirklichen Löcherchen oder Spaltchen werden. Bedenken wir, daß ein Kubikzoll Buchenholz aus vielen Tauſenden von Zellen beſteht, und in den meiſten Zellen eine Menge Tüpfel ſind, ſo müſſen wir ſtaunen über die millionenfache Zertheilung des Saftſtromes und wir ahnen die Feinheit im Detail dieſer mit ſo großer Gewalt ſtatt- findenden Bewegung. Indem der Saft aufwärts ſtrömt, beladet er ſich je höher er kommt immer mehr mit der ſeiner harrenden Reſervenahrung vom vorigen Jahre, die er auflöſt, und iſt daher je höher wir ihn abzapfen, wir kennen das ſüße Birkenwaſſer, deſto reicher an aufgelöſten Stoffen. In den vorjährigen Trieben angelangt tritt er an die unteren Enden der Knospen, in deren Axe (S. 67. Fig. V. 1* 2* 3* 4*) er auf ein ſehr kleinzelliges Markgewebe trifft, deſſen Zellen vollgeſtopft ſind von aſſimilirten Stoffen, unter denen Proteinſtoffe vorwalten, jene wich- tigen ſtickſtoff- und ſchwefelhaltigen Verbindungen, ohne welche keine Neu- bildung im Pflanzenkörper ſtattzufinden ſcheint. Die Lehre vom Baumleben hat hier Manches noch nicht vollſtändig aufgehellt. Namentlich iſt es noch unbekannt, welche Wechſelwirkung zwiſchen den proteinreichen Stoffen der innern Knospentheile und des ankommenden Frühjahrsſaftes beſteht und ob wirklich die Entfaltung der 11*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/187>, abgerufen am 12.05.2024.